Der Drachenorden (lat. u. A. Societas Draconistarum, ital. L'Ordine del Drago[ne], ung. Sárkány Lovagrend, rum. Ordinul Dragonului) war ein kurzlebiger katholischer Hoforden aus Ungarn. Der Orden wurde 1408 von König Sigismund gegründet und diente ursprünglich dazu seine ungarischen Anhänger zu versammeln. Später wandelte er sich zu einem Ehrenzeichen und Instrument der königlich-kaiserlichen Außenpolitik.

Einführung Bearbeiten

Obwohl er bereits seit 1387 König von Ungarn war, blieb Sigismunds Herrschaft noch lange Zeit umstritten. 1399 kam es zu einem Aufstand von Adligen, dessen Niederwerfung mehrere Jahre dauerte. 1401 geriet Sigismund selbst in Gefangenschaft und konnte erst durch die Hilfe des Grafen von Cilli befreit werden.[1] In der Folge konnte sich Sigismund mit der Unterstützung einiger Barone wieder etablieren, blieb aber noch einige Jahre auf ihre Hilfe angewiesen.
Am 12. Dezember 1408 erfolgte die Gründung des Ordens. Allgemein wird angenommen, dass der Anlass die Hochzeit mit Barbara, der Tochter Cillis, war, was jedoch umstritten ist. Eventuell waren die beiden bereits seit Ende 1405 vermählt,[2] so dass die Gründung eher auf den Zeitpunkt fiel, zu dem er über noch keinen Erben verfügte.

 
Kaiser Sigismunds Ordensritter.

Politische Bedeutung Bearbeiten

Die Gründungsurkunde des Ordens stellte weniger eine Stiftung durch den König, als einen Vertrag zwischen Sigismund und seinen Gefolgsleuten dar. Der Luxemburger war nach der Krise seiner Herrschaft in den vergangenen Jahren darauf bedacht, die Position seiner Familie auf dem Königsthron zu festigen und sich des Rückhalts seiner Anhänger zu versichern. Entsprechend finden sich in der Urkunde wiederholte Versprechen der Barone, nicht nur das Königreich Ungarn, sondern auch ihn und seine Nachkommen zu verteidigen und Verschwörungen gegen die königliche Familie zu verraten. Im Gegenzug verpflichtete sich Sigismund - allerdings in recht unscharfen Formulierungen - dazu, die genannten Adligen zu fördern und ihre Rechte und ihren Besitz auch für ihre Nachkommen zu schützen.[3] Insgesamt enthalten die Statuten eine starke dynastische Komponente zugunsten beider Parteien. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass Königin Barbara zumindest nominell als eines von 24 Gründungsmitgliedern genannt wird.
Für die Barone hatte sich ihre Parteinahme bezahlt gemacht und ihre Macht gesteigert. Der Grund für ihre Zustimmung zur Gründung des Ordens dürfte darin bestanden haben, dass sie sich davon eine Verschriftlichung des Status Quo und damit eine Zementierung ihrer Position versprachen. Die Mitglieder werden in der Urkunde namentlich benannt, damit war der Kreis der Beteiligten an der Macht eindeutig geklärt. Der Orden stellte somit den harten Kern der königlichen Partei dar.
Gleichzeitig hatte die Gesellschaft jedoch auch eine außenpolitische Bedeutung. Seit Ende des 14. Jahrhunderts bereits geriet Ungarn immer mehr durch die expandierenden Türken unter Druck. Das osmanische Reich hatte bereits einige, ehemals von Ungarn abhängige Kleinstaaten unterworfen und damit dem ungarischen Einfluss entzogen. Ein internationales Kreuzritterheer war 1396 bei Nikopolis kläglich dabei gescheitert, die Türken zurückzudrängen. Der Orden stellte daher auch ein offizielles Verteidgungsbündnis gegen äußere Feinde dar.[4]

Der Orden Bearbeiten

Der Orden trug seinem Namen nach dem Abzeichen, einem Drachen mit kreuzförmiger Wunde auf dem Rücken, der seinen Hals mit dem eigenen Schanz umschlingt. In der mittelalterlichen Mythologie stellte der Drache den Inbegriff des Bösen dar, der auch direkt mit dem Teufel assoziiert wurde. Die Menschen glaubten, er umwickle seine Opfer mit dem Schanz um sie zu zerdrücken. Das Abzeichen hat daher eine starke symbolische Bedeutung, es zeigt die Niederlage des "Bösen" beziehungsweise im übertragenen Sinne der Feinde Ungarns.
Obwohl in den Statuten kein ausdrücklicher Ordenspatron genannt wurde, werden allgemein der heilige Georg und die heilige Margarete mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht. Margarete wurde der Sage nach von einem Drachen verschlungen und konnte sich durch ein Kreuz befreien. Georg passte als Ritter bestens in den militärischen und ritterlichen Anspruch des Ordens. Erst später wurde er noch vereinzelt als Patron genannt,[5] allerdings scheint sich diese Umbenennung nicht durchgesetzt zu haben.

Im Fall von Streitigkeiten sah der Orden eine gemeinsame Beratung vor, deren Beschluss befolgt werden musste. Dasselbe sollte bei Konflikten mit Außenstehenden stehen, wobei hier die Möglichkeit der mlitärische Unterstützung konkret genannt wird.[6] Sigismund versprach, jede Ordensangelegenheit, also auch jede Kriegshandlung, mit mindestens 5 Baronen zu besprechen. Was auf den ersten Blick nach einer Beteiligung an der Entscheidungsgewalt aussieht, dürfte in Realität recht begrenzt gewesen sein, da diese Zahl verhältnismäßig klein war.
Auch wenn der Orden nicht sehr lange Bestand hatte, war er doch ursprünglich auf lange Zeit ausgerichtet. Die Mitglieder mussten sich für seine Erhaltung einsetzen. Verstarb ein Drachenritter, dann sollte bei der nächsten Versammlung ein Nachfolger bestimmt werden. Der Bezeichnung ("anniversarium") nach waren diese Versammlungen wohl jährlich vorgesehen. Der Anwärter musste kein Baron sein, sollte bei seiner Wahl aber in diesen Stand erhoben werden. Als einziges Kriterium wird genannt, dass er ein "guter, tugendhafter Mann" sein sollte.[7] Prinzipiell stand die Gesellschaft also wohl auch niederen Adligen offen, wobei die Barone mit ihrem Einfluss sicherlich dafür gesorgt hätten, dass sie unter sich blieben. Ob es überhaupt je zu einer solchen Wahl kam ist unbekannt, da es außer der "Aufnahme" mehrerer österreichischer Mitglieder wenige Monate später keinen Beleg für eine offizielle gemeinsame Tätigkeit des Ordens gibt.[8] Möglich ist, dass alles in informellem Rahmen erfolgt, da die Mitglieder ohnehin zum direktem Umfeld von Sigismunds Hof gehörten.

Das Symbol des Ordens war der Drache, der seinen Schwanz um den Hals geschlungen hatte. Das Abzeichen wurde direkt auf der Kleidung in Form eines Hals- oder Schulterschmucks getragen. Es musste unter Androhung von Geldstrafen täglich getragen werden, allerdings wurden Ausnahmen eingeräumt, etwa im Fall von Krankheit, "Furcht" oder drohender Gefangenschaft. In späterer Zeit tauchten Varianten auf mit einem Kreuz über dem Drachen und Schriftzügen wie: „O quam misericors est Deus justus et pius.“ („Oh wie barmherzig ist Gott, wie gerecht und fromm.“)

Besondere Aufmerksamkeit ließen die Verfasser auch den religiösen Pflichten zukommen. Für diesen Bereich sind die Strafen am genauesten geregelt und wurden in der Regel mit Messen geahndet. So mussten die Barone zur Beerdigung eines Mitglieds erscheinen. Taten sie das nicht, mussten sie die Kosten für 30 Messen zum Heil des Seele des Toten übernehmen. Dabei sollten sie Trauerkleider tragen und das Kleid hinterher einem armen Christen schenken. Auch jeden Freitag sollten sie Schwarz tragen oder 4 Messen lesen lassen.[9]




Entwicklung Bearbeiten

 
Oswald von Wolkenstein mit dem Drachenorden oben auf der Schärpe - Portrait aus der Innsbrucker Handschrift von 1432 (Liederhandschrift B).

Zahlreiche politisch und militärisch einflussreiche Persönlichkeiten waren zur Einführung des Ordens anwesend, u.a. Stefan Lazarevic (Serbien), Nicolae von Gara, Stibor von Stibericz, Pipo von Ozora, der Ban von Severin.

Auf dem Reichstag zu Nürnberg erweiterte Sigismund von Luxemburg, König von Ungarn die Ränge des Ordens, z.B. mit dem Dichter Oswald von Wolkenstein und Vlad II., Fürst der Walachei, der den Beinamen Dracul als Zeichen seiner Angehörigkeit zum Drachenorden erhielt. Andere Mitglieder schworen zwar nicht auf die Loyalität des Ordens, waren aber Verbündete, so z.B. Władysław II. Jagiełło (König von Polen), Vytautas der Große (Großfürst von Litauen), Heinrich V. (König von England), und Carrara della Scala (Herrscher von Venezia & Verona).

Als führende Familien des Ordens galten Gara und von Chilli. Ihr Engagement galt der Loyalität der königlichen Familien und deren Freunde zum Orden. Das Gesetz des Ordens wurde von Bischof Eberhard von Oradea), Kanzler des ungarischen Gerichts, ausgearbeitet. Dieses Gesetz ist in einer Kopie von 1707 und in einer ungarischen Ausgabe von 1841 erhalten. Analysen ergaben, dass der Auftrag des Drachenordens (symbolisiert durch tortuosi daconi, übernommen vom St. Georgs Orden) der Kampf gegen heidnische Armeen und Hussiten außerhalb orthodoxer Gemeinschaften war. Hiernach hatte der Schutz des Königs und seiner Familie durch ungarische Adelskreise die höchste Priorität. Zu Lebzeiten Sigismunds erlaubte Mitgliedschaft in diesem Orden politischen Zugang zu Ungarn und seinem König.

Das Kreuzelement des Drachenordens wechselte bei Vlad II. Dracul 1437 vom lateinischen Kreuz zum ungarischen Doppelkreuz, dem Patriarchenkreuz. Vlad personalisierte die Symbolik aus Psalm 91: Auf Löwen und Ottern trittst du, Junglöwen und Schlangen trittst du nieder. Sie stand für die Bemühungen Vlads II. um den Sieg der christlichen Welt über das Osmanische Reich. Er ließ während seiner Regierungszeit Münzen mit seinem Abbild und mit dem Symbol des Drachens auf der Rückseite prägen. Auch hielt das Ordenssymbol auf vielen Familienwappen seiner Zeit Einzug. Mit der Zeit nahm die Bedeutung des Drachenordens ab.

 
Rekonstruktion des Symbols des Ordens (I) basierend auf einem existierenden Artefakt in einem österreichischen Museum.
 
Rekonstruktion des Emblems (II).

Bekannte Ordensritter Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eberhart Windecke: Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Zeitalters Kaiser Sigismunds, hg. v. Wilhelm Altmann, Berlin 1893, S. 21.
  2. Amalie Fössel: Barbara von Cilli. Ihre frühen Jahre als Gemahlin Sigismunds und ungarische Königin, in: Michael Pauly, François Reinert (Hg.): Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa. Tagungsband des internationalen historischen und kunsthistorischen Kongresses in Luxemburg, 8.-10. Juni 2005, Mainz 2005, S 102.
  3. György Fejer: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis (Band X,4), Buda 1841, S. 688.
  4. György Fejer: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis (Band X,4), Buda 1841, S. 684.
  5. Igor Graus: Rád Draka a jeho insígnie, in: Vojenská história 4/2006, S. 10.
  6. György Fejer: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis (Band X,4), Buda 1841, S. 689.
  7. György Fejer: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis (Band X,4), Buda 1841, S. 691-692.
  8. Igor Graus: Rád Draka a jeho insígnie, in: Vojenská história 4/2006, S. 5.
  9. György Fejer: Codex diplomaticus Hungariae ecclesiasticus ac civilis (Band X,4), Buda 1841, S. 692.

Quellen Bearbeiten

  • Zwü neuer Zeyttung, unnd noch vil grössere christenliche Victoria, so die Christen mit Gottes hilff unnd beystandt widerumb bey 500000 Türcken bey Ostrahitz inn Croatien den 29. Octobris, anno des 87. Jar aberhalten, unnd uberwunden haben. Mehr ein neue Zeyttung, auß Constantinopel den 27. Nov., Anno 1587. Jar, das auch die Georgianer unnd Ianitscharen, vil taussendt Türcken erschlagen an zweyen orden, Augspurg: [Drucker:] Wörly, 1587
  • Regesta Imperii - Abt. XI: Die Urkunden Kaiser Sigismunds 1410/11-1437, München: Bayrische StaatsBibliothek

Darstellungen Bearbeiten

  • Th. v. Bogyay: Artikel „Drachenorden“ , in: Lexikon des Mittelalters, Band 3, München 1986, ISBN 3-7608-8903-4, S. 1346
  • Wladyslaw Kuzdrzal-Kicki: Der Drachenorden: Genese, Gründung und Entartung. Dokumentation und Schlußfolgerungen, Bd. 1, München 1978, ISBN 3-921513-15-4
  • Georg Janesch-Troll / Hans Mendgen (Hrsg.): Marienburg im Burzenland: Zur Geschichte der einstigen Ritterorden-Gemeinde in Siebenbürgen, Bielefeld 1987, ISBN 3-7694-0419-X
  • Ralf-Peter Märtin: Dracula, Das Leben des Fürsten Vlad Tepes, Neuausgabe der ersten Auflage, Berlin 2004, ISBN 3-8031-2396-8
  • Abbildung und Beschreibung aller Ritterorden in Europa, Reprint der Orig.-Ausg. Augsburg 1792, Holzminden 1999?, ISBN 3-8262-1807-8

Weblinks Bearbeiten

Commons: Drachenorden – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien