Lageplan der Bullenbahn, aus Luftbildaufnahmen rekonstruiert.

Die Industriebahn Oberschöneweide ist eine ehemalige dem Güterverkehr dienende Bahnstrecke in Berlin. Sie begann am Rangierbahnhof Niederschöneweide und erschloss die Industriebetriebe Oberschöneweides. Später wurde sie zum Rangierbahnhof Rummelsburg verlängert. Im Berliner Volksmund wird die Strecke als „Bullenbahn“ bezeichnet. Zur Industriebahn gehörte auch der Betriebshof Nalepastraße, der heute von der Berliner Straßenbahn genutzt wird.

Geschichte Bearbeiten

1890 wurde die Strecke von der Grundrenten-Gesellschaft erbaut. Sie führte vom Güterbahnhof Niederschöneweide-Johannisthal über die Stubenrauchbrücke zur Wilhelminenhofstraße. Ein Abzweig zur Tabbertstraße wurde ebenfalls errichtet. Nach ihrer Fertigstellung wurde die Strecke an einen Fuhrunternehmer verpachtet, der mit ihr die Güterbahngesellschaft Oberschöneweide betrieb. Er benutzte zunächst Pferde und Ochsen als Zugtiere, daher der Name „Bullenbahn“. Andere Quellen sagen, dass die schweren Güterzuglokomotiven den Spitznamen Bulle trugen und so zu dem Spitznamen beitrugen. [1]

1899 wurde die Strecke über die Edisonstraße und die Rummelsburger Landstraße zum Güterbahnhof Rummelsburg erweitert. Zwei Jahre später kauften die Berliner Ostbahnen die Strecke und elektrifizierte sie. Am 1. August 1901 verkehrte die erste elektrische Lokomotive, ein umgebauter offener Güterwagen der Preußischen Staatsbahnen.

1957 wurde die Strecke von den Berliner Verkehrsbetrieben übernommen. Sie war zu dem Zeitpunkt rund 13 Kilometer lang und bediente 30 Werksanschlüsse. Zwölf Jahre später, 1969, ging die Strecke wie auch das Rollmaterial an die VEB Autotrans Berlin. Im Zuge des Baus der Hochstraße der Rummelsburger Straße wurde die Trasse der Bullenbahn 1979 über den Schwarzen Weg zur Nalepastraße verlegt. Das Gleis in der Edisonstraße wurde stillgelegt.

1990 ging die Strecke dann an die VEB Binnenhafen, später BEHALA, welche den elektrischen Betrieb auf der Strecke 1995 einstellte. Die gerade vier Jahre alte rumänische Neubaulok wurde verschrottet. Ein Restbetrieb wurde durch einen Zweiwege-Unimog aufrechterhalten, bevor die Strecke 1996 endgültig stillgelegt wurde. In den folgenden Jahren wurde die Strecke großteils abgebaut oder im Zuge von Straßenneubauten überbaut. Streckenweise erkennt man aber noch Überreste wie Gleise und Strommasten.

Betrieb Bearbeiten

Der Verkehr auf der Strecke fand auf einem eigenen Bahnkörper statt, trotz der teilweise parallel dazu fahrenden Straßenbahn. Die beförderten Güterwagen waren bis zu 24 Wagen (48 Achsen) lang und maximal 25 km/h schnell. Die BVG-Mitarbeiterzeitschrift "Die Fahrt" gibt für das die 1920er Jahre folgende Betriebsleistungen an:

Jahr Achsen Wagenladungen Gewicht in Tonnen
1920 56.194 27.477 335.596
1925 61.916 30.334 375.249
1928 65.630 31.911 372.651


Rollmaterial Bearbeiten

 
Die L2, eine LEW EL 4 1992 im Betriebshof Nalepastraße. Verbleib unbekannt.
 
L1, eine LEW EL 4, ausgestellt im Berliner Westhafen
Typ Hersteller Fahrzeug Betriebsnummer Baujahr an Bemerkungen
V10B
(LKM)
252 121 KWO 1 1960 VEB Kombinat Kabelwerk Oberspree (KWO) 1994 an Eisenbahnfreunde HeiNa Ganzlin
252 132 1960 VEB Minol, später VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Oberspree (TRO) unbekannt
252 193 1961 VEB Transformatoren- und Röntgenwerk Oberspree (TRO) 1994 an Eisenbahnfreunde HeiNa Ganzlin
252 254 1961 Kabelwerke Oberspree 1998 an Vogtländischer Eisenbahnverein Adorf
252 340 KWO 2 1962 Kabelwerke Oberspree 1994 an Eisenbahnfreunde HeiNa Ganzlin
252 395 KWO 3 1963 Kabelwerke Oberspree 1994 an Eisenbahnfreunde HeiNa Ganzlin
252 506 KWO 4 1968 Kabelwerke Oberspree 1994 an Eisenbahnfreunde HeiNa Ganzlin
L EM 25
(FAUR)
25 001 1990 VEB Binnenhafen Berlin, später BEHALA Neuanschaffung Anfang 1991, nach technischen Problemen mit dem Antrieb erst im April abgenommen, in Betrieb Ende September 1991, am 10.02.1995 abgelaufen, im Osthafen abgestellt, 1996 dort verschrottet
25 002' 1990 VEB Binnenhafen Berlin, später BEHALA Neuanschaffung Anfang 1991, in Betrieb Ende September 1991, mit Einstellung des elektrischen Betriebes im November 1995 nach Osthafen überführt, 1996 dort verschrottet
  • Nr. 200 - umgebauter Güterwagen der Preußischen Staatsbahnen. In dem Fahrzeug wurden zwei Straßenbahnmotoren installiert, die aus dem 600-Volt-Gleichstromnetz gespeist wurden. Er erhielt außerdem eine offene Plattform.
  • Zwei AEG EL 12 / AEG EL 15, Baujahr 1914, Einsatz bis 1982, verschrottet 1990
  • Zwei AEG EL 21 / AEG EL 22, Baujahr 1925, verschrottet 1990
  • Zwei LEW EL 4, sie gelangten Ende der 1970er Jahre vom Bahnpostamt Berlin Ostbahnhof zur Bullenbahn. Nach Übernahme durch die BEHALA wurden sie im Osthafen beheimatet, später abgestellt. Ein Exemplar steht heute als Denkmal an der BEHALA-Verwaltung im Westhafen, der Verbleib der zweiten ist unbekannt.
  • Fünf V10B, Baujahre 1960–1965, als Eigentum der Kabelwerke Oberspree beziehungsweise der Transformatorenwerke Oberspree
  • Ein Zweiwege-Unimog, im Einsatz von 1995 bis 1997

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. http://www.berliner-verkehrsseiten.de Die Fahrt, BVG Mitarbeiterzeitung 1929 Nr. 108, als pdf abrufbar