Benutzer:SPQT/Essay über den Einfluss eines niedrigen Getreidepreises auf den Kapitalprofit

Das Essay über den Einfluss eines niedrigen Getreidepreises auf den Kapitalprofit: Ein Nachweis der Unzweckmäßigkeit von Einfuhrbeschränkungen (Originaltitel: An Essay on the Influence of a low Price of Corn on the Profits of Stock; shewing the Inexpediency of Restrictions on Importation oder kürzer Essay on Profits) wurde im Jahr 1815 von David Ricardo verfasst. Es war die Vorlage seiner späteren Ausführungen über die Grundrente, den Lohn und den Profit in seinem Hauptwerk Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie und der Besteuerung. Das Essay richtet sich vornehmlich gegen die damals merkantilistisch geprägte Schutzzollpolitik auf Getreide und deren negative Effekte für die britische Volkswirtschaft als Ganzes.

Ricardo erklärt eingangs die Bedingungen für die Existenz einer Grundrente, die in den Differenzen der Fruchtbarkeit von Böden zu finden sind. Er zieht zur Erläuterung einen hypothetischen Fall heran: Bei der Besiedelung eines Landes werden zuerst die Böden von bester Lage und Fruchtbarkeit bestellt. Durch die Zunahme der Bevölkerung wird eben jene gezwungen, die Bebauung auf schlechtere Böden auszudehnen. Dadurch steigt der Aufwand für die Getreidebeschaffung und der Preis (Tauschwert) steigt (ceteris paribus!). (Siehe Ricardos Grundrententheorie)

Ricardo schildert schließlich die dargestellte Wirkung des Angeführten an seiner Heimat: Die britische Legislative erließ Schutzzollgesetze, die die Einfuhr von Getreide limitierten, erschwerten oder gar komplett untersagten. Somit war der britische Getreidemarkt für ausländische Anbieter abgeschottet. Das britische Getreide war, verglichen mit ausländischem, teuerer. Einer eventuell steigenden Nachfrage (etwa durch wachsende Bevölkerung) könnte zudem nur auf dem Wege einer Bebauung schlechteren Bodens geschehen. Dies ginge mit Preisteigerungen einher, sofern diese nicht durch bessere Arbeitsmethoden kompensiert werden könnten. Durch die Einfuhrverbote wurden die Preise hoch gehalten, da eine Einfuhr billigeren ausländischen Getreides nur zum Leidwesen der englischen Landwirtschaft möglich gewesen wäre.

Von diesen vergleichsweise hohen Preisen profitierten vor allem die Grundbesitzer: Durch die Bebauung schlechterer Böden und dem hohen bzw. steigendem Preis für Getreide wurde nicht nur die Rente der relativ besseren Böden erhöht, das Getreide hatte auch einen höheren Tauschwert. Da der Lohn der arbeitenden Bevölkerung nach Ricardo von dessen Verbrauch abhängig ist und somit in gewisser Weise an den Getreidepreis gekoppelt ist, wäre ein Anstieg der Preise unweigerlich mit einem Anstieg des allgemeinen Lohnniveaus verbunden. Dies führe laut Ricardo zu einem sinken der allgemeinen Profitrate.

Im umgekehrten Fall, also einer freien Einfuhr von Getreide, wären die Grundbesitzer die Verlierer: Das ausländische Getreide würde das teurere Englische vom Markt verdrängen und eine Steigerung der Nachfrage könnte von ausländischen Anbietern getragen werden. Der sinkende und letzlich niedrigere Getreidepreis würde die Zahlung von Renten an englische Grundbesitzer verringern oder ganz unmöglich machen. Ricardo fasst zusammen: Eine hohe Rente geht mit niedrigen Profiten einher, eine niedrige Rente mit hohen Profiten. Die Interessen von Grundbesitzern sind somit den Interessen der Kapitalisten (Pächter) und denen der Arbeiterschaft entgegengesetzt. Für Ricardo lautet die Lösung also: Freier Handel und daraus resultierende Einfuhr billigeren Getreides aus dem Ausland.

Dieser rein wirtschaftlichen Ansicht wurden häufig politische Argumente entgegengebracht: Da Großbritannien (vornehmlich England) aufgrund seiner aufwendigen Landwirtschaft und seines teuren Getreides bei einer Öffnung des Handels zwangsweise zu einem Einfuhrland werden würde, geriete es zunehmend in die Abhängigkeit vom Ausland was die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln anging. Im Falle eines Krieges mit einem getreideliefernden Land könnte dies nachteilig sein. Dieser Grund wiegte so schwer, dass sich sogar der bekennende Liberale Thomas Robert Malthus gegen eine Getreideeinfuhr aussprach. Desweiteren war die Angst vor einer Welle des Ruins im Agrarsektor so groß, dass eine politische Umsetzung des liberalen Konzepts von Ricardo, angesichts des von Grundbesitzern dominierten Unterhauses, unmöglich war.

Brisanz hatten Ricardos Forderungen vor allem vor dem Hintergrund des erst kürzlich gewonnenen Krieges gegen Napoleon. Im Falle einer freien Getreideeinfuhr würde man sich unmittelbar in die Abhängikeit des Erzfeindes Frankreich begeben.

Ricardo konterte diese Argumente mit dem Fakt, dass selbst Napoleon in Zeiten des Krieges keine Ausfuhrverbote von Getreide gegen Großbritannien verhängte. Großbritannien hatte die Einfuhr während des Krieges gestattet. Allgemein merkt Ricardo an: Der britische Markt und seine Nachfrage nach Getreide und Rohstoffen wäre so wichtig für das Ausland, das es sich wenige Ländern langfristig leisten könnten Ausfuhrverbote zu verhängen. Der Untergang eines Großteils der englischen Landwirtschaft wird von Ricardo natürlich nicht geleugnet, auch sieht er das Problem einer schmerzlichen Umstellung der gesamten Wirtschaft. Das herausgezogene Kapital (aus der Landwirtschaft) und die steigenden Profite im industriellen Gewerbe könnten jedoch eine Dynamik entfachen, die diesen Prozess verkürzt und am Ende kompensiert und gar Großbritanniens wirtschaftliche Position gegenüber dem Ausland noch verbessert.

Siehe auch

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An Essay on the Influence of a low Price of Corn on the Profits of Stock (englischsprachig)

Literatur

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  • David Ricardo: Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie und der Besteuerung (1817), Marburg: Metropolis-Verlag, ISBN 389518540X (2. Auflage 2006) (Originaltitel: On the Principles of Political Economy and Taxation)