Antigone ist eine von Sophokles verfasste, vermutlich 442 vor Chr. uraufgeführte Tragödie.

Personen

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  • Antigone
  • Ismene
  • Kreon
  • Hämon
  • Tiresias
  • Wächter
  • Eurydice
  • Bote
  • Chor, bestehend aus thebanischen Greisen

Aufbau und Inhalt

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  • Prolog (Vers 1-99)

Ismene und Antigone diskutieren, wie sie mit dem von Kreon verhängten Bestattungsverbot ihres Bruders Polyneikes, der Theben angegriffen und im Kampf gefallen war, umgehen wollen. In dem Dialog werden die unterschiedlichen Standpunkte sehr deutlich: Antigone möchte sich über das Staatsgesetz hinwegsetzen und ihren Bruder zu begraben, Ismene will sich dem Gesetz fügen.

  • Parodos (Vers 100-161)

Der Chor singt ein Jubellied auf den Sieg der Thebaner über die Angreifer.

  • 1. Episodion (Vers 162-331)

Kreon hält eine Thronrede, in der er das Bestattungsverbot bekräftigt und Wächter zu dessen Einhaltung ausschickt. Ein Bote erscheint und verkündet, dass sich jemand über das Bestattungsverbot hinweggesetzt und Polyneikes mit Erde bestreut habe. Der Täter ist entkommen, was Kreon dermaßen ärgert, dass er dem Boten und den Wächtern Bestechlichkeit vorwirft.

  • 1. Stasimon (Vers 332-383)

Der Chor singt über die menschliche Erfindungskraft und äußert Vermutungen, dass Antigone die Täterin sein könnte.

  • 2.Epeisodion (Vers 384-581)

Der Bote erscheint und bringt Antigone mit, die bei der Leiche ergriffen wurde. Es folgt eine heftige Auseinandersetzung zwischen Kreon und Antigone an dessen Ende Kreon nun Antigone und Ismene hinrichten lassen will. Ismene bietet Antigone an die Schuld mitzutragen, doch diese weist sie zurück. Mein Tod wird genug seyn. [1] Schließlich bittet Ismene Kreon, dass dieser Antigone verschonen solle, da sie Hämons (Kreons Sohn) Verlobte sei.

  • 2. Stasimon (Vers 582-625)

Der Chor singt ein Lied über das Schicksal des Labdakiden-Geschlechts. Die Menschen sind den Göttern ausgeliefert. Ein Fluch liegt über den Menschen.

  • 3. Epeisodion (Vers 626-780)

Kreon und sein Sohn Hämon führen einen sich steigernden Streit über die Behandlung von Antigone und über das Verhalten eines guten Staatsmannes.

  • 3. Stasimon (Vers 781-800)

Der Chor singt ein Eroslied.

  • 4. Epeisodion (Vers 801-943)

Antigone redet von ihrem bevorstehenden Tod aber auch von einem erhofften Wiedersehen mit Eltern und Brüdern.

  • 4. Stasimon (Vers 944-987)

Der Chor besingt überlieferte Schicksale aus der Mythologie, die dem der Antigone ähneln. (Danae, Lykurgos, Kleopatra und ihre Söhne). Am Ende dieses Stasimons wird Antigone abgeführt und soll in ein Felsengrab gesperrt werden.

  • 5. Epeisodion (Vers 988-1114)

Der Seher Teiresias erscheint und warnt Kreon davor einen Fehler zu begehen und zu stolz zu sein um noch umzudenken. Kreon reagiert sehr heftig auf diese Warnung und beschuldigt nun Teiresias bestochen worden zu sein. Dieser spricht bevor er abgeht noch von einem Orakel, das voraussagt, dass Kreon bald einen Toten betrauern wird.

  • 5. Stasimon (Vers 1115-1154)

Der Chor singt ein freudiges, dionysisches Lied.

  • 6. Epeisodion (Vers 1155-1346)

Ein Bote tritt auf und berichtet, dass sich Antigone und Haimon umgebracht haben. Kurz darauf erscheint Kreon mit der Leiche seines Sohnes im Arm. Schließlich erscheint ein zweiter Bote und berichtet, dass auch Eurydice, die Frau Kreons, sich aus Trauer um ihren Sohn umgebracht hat. Das Epeisodion endet mit Kreon, der über sein Schicksal klagt.

  • Exodos (Vers 1347-1353)

Der Chor singt von der Ehrfurcht gegenüber den Göttern.

Deutungsebenen

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politisch-historisch

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Zentral in der Antigone sind die großen Gegensatzpaare, die sich durch das gesamte Stück in vielen Varianten ziehen. Eine verbreitete Sichtweise sieht solch einen Gegensatz zwischen Antigone, der edlen Freiheitskämpferin, und Kreon, dem skrupellosen Tyrannen, der seine Alleinherrschaft festigen möchte aber dies mit dem Wohl der Stadt begründet. [2] Bei einer genauren Lektüre wird jedoch deutlich, dass die Charaktere vielschichtiger gestaltet sind. So kann man Kreons Handeln auch als das eines klugen Staatsmannes begreifen, der sogar das Wohl des Staates dem des eigenen Sohnes vorzieht. [3] Wohingegen Antigones handeln auch als Selbstinszenierung gesehen werden kann. Vor allem aber kann man ihr die Ausschließlichkeit vorwerfen, mit der sie ihre eigenen Werte vertritt und über alle anderen stellt. [4] Daneben wird ein zeitgeschichtliches Problem der Athener Demokratie deutlich: Die Bestechung. Wenn Kreon als erste Reaktion auf den Bericht des Boten diesem vorwirft bestochen worden zu sein und diesen Vorwurf gegenüber dem Seher, seinem Sohn und dem Chor wiederholt, so lässt sich hieraus erkennen, dass Bestechung in der Athener Polis ein großes Problem war. Wohl um dagegen vorzugehen wurden 457 v. Chr. Diäten eingeführt wurden, so dass die Volksvertreter finanziell abgesichert waren und weniger anfällig auf Bestechung reagierten.

religiös-kultisch

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Wenn Kreon und Antigone als Gegensatz begriffen werden, wird deutlich, dass dies auch auf einer religiösen Ebene ausgestaltet ist. Antigone verehrt die chtonischen, altären Götter, die für das Weibliche, das Elementare aber auch für Blutbande stehen. Kreon im Gegensatz beruft sich auf Zeus, der als olympischer Gott für das Männliche, aber auch für Recht und Macht steht. [5] So ist der Konflikt der beiden auch ein Konflikt unterschiedlicher Götter. Antigone, die sich auf die chtonischen Götter bezieht stellt deren Gesetz, nämlich die Bestattung eines Toten über alles andere.

Anthropologisch

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Ein weiteres zentrales Gegensatzpaar, das mit Kreon und Antigone verbunden ist, ist die Differenz zwischen Gesetz und Recht. Die Tragödie wirft die Frage auf, inwieweit ein Einzelner, der sich, als im Recht, begreift, gegen Gesetze verstoßen darf um gegen unrechte Gesetze vorzugehen. Antigone agiert in diesem Fall als Überzeugungsverbrecherin [6] und vom Ende des Stückes her gesehen, könnte man sagen, dass sie mit ihrer Tat, das Recht über das Gesetz zu stellen, die richtige Entscheidung trifft. Denn Kreon, der auf die Gültigkeit des Gesetzes beharrt, scheitert komplett, während Antigone ihren Tod als Konsequenz ihrer Handlung schon am Anfang mitbedacht hat.

Theatertechnik

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Auffällig sind in der Tragödie die häufigen verweise auf den Stand der Sonne, bzw. die Tageszeit. Im Parodos wird der Sonnenaufgang thematisiert und am Ende der Tragödie der Sonnenuntergang. Die Handlung umfasst also genau einen Tag und war dem Tagesverlauf angepasst. Die Leichen, die am Ende auf die Bühne gebracht werden, wurden vermutlich mit einer Ekkyklema auf die Bühne gebracht.

Teilweise sind komische Elemente in der Tragödie enthalten. So wirken zum Beispiel Kreons ständige Verdächtigungen, dass seine Untergebenen bestochen sind lächerlich, ebenso wie der Botenbericht, der mit einer Selbstreflexion über die Rolle von Boten in Tragödien beginnt. [7]

Tragischer Held

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Als tragischer Held des Stückes lässt sich Kreon begreifen, der das Beste für die Stadt erreichen möchte aber durch seinen Fehler (hamartia), nämlich der übertriebenen Strenge sich selbst ins Unglück stürzt. Ebenso lässt sich Antigone als tragische Hedlin begreifen, die das göttliche Bestattungsgebot kompromisslos durchsetzen möchte und genau an dieser Kompromisslosigkeit scheitert.

Dem Chor kommt in Antigone eine besondere Rolle zu. Durch seine überschwängliche Freude im Parodos und im 5. Stasimon kontrastiert er die schrecklichen Ereignisse auf der Bühne und betont diese dadurch noch.

Rezeption

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Die Rezeptionsgeschichte der Antigone illustriert sehr deutlich, wie die Rezeption eines Werkes sich in den Epochen wandelt. In der deutschen Klassik als Manifest der Humanität gelesen, von Hegel als Beispiel für die Unversöhnlichkeit von Öfffentlichem und Privatem verstanden, so dekonstruiert Jean Anouilh in seiner „Antigone“ die Motive der Charaktere und lässt das Stück zu einem existenzialistischen werden, was jedoch 1944 auch als Aufruf zu Résistance verstanden werden konnte, wohingegen Brechts „Antigone“ eindeutig politisch eine Abrechnung mit der (Nazi-) Diktatur darstellt. [8]

Ausgaben

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  • Venedig 1502 in „Tragodiai hepta“
  • Oxford 1928 in „Fabulae“. Hg. A. C. Pearson.

Übersetzungen

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  • Die Trauerspiele des Sophokles, übersetzt von Friedrich Hölderlin, Band 2: Antigone. Frankfurt: Friedrich Wilmans 1804.
  • E. Staiger: Antigone in „Tragödien“. Zürich 1944.
  • Antigone, übersetzt von Friedrich Hölderlin, bearbeitet von Martin Walser und Edgar Selge, Frankfurt: Insel 1989. (enthält einen nicht markierten, eingesetzten zweiten Prolog)

Bearbeitungen

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  • Jean Anouilh, Antigone, Paris: La Table Ronde 1946.
  • Bertolt Brecht, Die Antigone des Sophokles. Materialien zur ‚Antigone’, Frankfurt: Suhrkamp 1965

Einzelnachweise

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  1. “Antigone“ Vers 547
  2. Carter, D.M. (2007): „The Politics of Greek Tragedy“. Bristol Phoenix Press. Exeter. S. 114.
  3. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 240
  4. Joachim Latacz: „Einführung in die griechische Tragödie“ Vandenhoeck Ruprecht. Göttingen. 1993. S.212.
  5. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 235
  6. Schadewaldt, Wolfgang (1991): Die griechische Tragödie. Suhrkamp. Frankfurt am Main. S. 234
  7. “Antigone“ Vers 223-224
  8. Joachim Latacz: „Einführung in die griechische Tragödie“Vandenhoeck Ruprecht. Göttingen. 1993. S.203.

Quellen/Bibliografie

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  • Gustav Adolf Seecck: „Die griechische Tragödie“. Reclam. Stuttgart. 2000.
  • Joachim Latacz: „Einführung in die griechische Tragödie“Vandenhoeck Ruprecht. Göttingen. 1993.
  • Carter, D.M. (2007): „The Politics of Greek Tragedy“. Bristol Phoenix Press. Exeter.
  • Schadewaldt, Wolfgang (1991): „Die griechische Tragödie“. Suhrkamp. Frankfurt am Main.