Benutzer:Modalanalytiker/ Skizze zur Blindleistung

Wirk- und Blindleistung bzw. bei einem ohmsch-kapazitiven Verbraucher mit [Anm. 1]

Die Blindleistung (auch Verschiebungsblindleistung, Einheit Var[Anm. 2], Formelzeichen ) ist ein Kennwert für die im Wechselstromkreis mit sinusförmiger[1] Stromstärke und Spannung zwischen Erzeuger und Verbraucher pendelnde Energie. Sie trägt nicht zum Energietransport bei.

Bei Spulen oder Kondensatoren spiegelt sich die zeitliche Änderung der gespeicherten magnetischen bzw. elektrischen Feldenergie in der an deren Klemmen messbaren elektrischen Leistung momentanwertgleich wider. In jeder Periode (z. B. 20 ms im 50 Hz-Netz) ist der Zweipol zweimal Verbraucher und zweimal Erzeuger elektrischer Leistung. Im zeitlichen Mittel wird dabei keine Energie übertragen. Widerstände setzen dagegen keine Blindleistung um, da deren Feldenergie unbedeutend ist.

In den folgenden Gleichungen wird der Zeitverlauf von Spannung und Stromstärke sinusförmig und gleichfrequent mit der Kreisfrequenz vorausgesetzt. Die Effektivwerte sind mit bzw. und der Phasenverschiebungswinkel mit bezeichnet[Anm. 3]. In den Herleitungen werden die sinusförmigen Verläufe von Stromstärke und Spannung allein durch ihre Bezeichungen und notiert. Bei Bedarf kann der Leser die Terme für seine bevorzugte Fassung eines Sinus- und/oder Kosinusansatzes samt Phasenverschiebung expandieren.

Herleitung mit Serienmodell Bearbeiten

Zur Definition der Blindleistung hinführend lässt sich die Momentanleistung   eines Zweipols bei Sinusvorgängen gemäß

 

in zwei Summanden orthogonal zerlegen (siehe Grafik c).   und   sind vorläufig unbestimmte reelle Koeffizienten, können also positiv oder negativ sein. Die Hilfsgröße   ist bis auf eine gegenüber   voreilende Verschiebung um   mit   identisch (siehe Graphik a). Sie verläuft in Phase mit der Spannung an einer Induktivität mit der Stromstärke   . Bei Bedarf kann sie durch   ausgedrückt werden.

Die Mittelwerte der Ansatzfunktionen sind durch

 

und

 

gegeben (siehe Graphik b).

Der Ansatz separiert die Momentanleistung eines Zweipols unabhängig von seinem tatsächlichen Aufbau wie eine vom Strom   durchflossene Ersatz-Serienschaltung aus Widerstand und Induktivität.

Der Widerstand setzt den Leistungsanteil proportional   um (linker Term). Dieser bildet die Wirkleistung  .

Die Induktivität setzt den Leistungsanteil proportional   um (rechter Term). Dieser bildet die Blindleistung  . Die Hilfsgröße   vertritt im Produkt   die Spannung an der Induktivität.

Ideale Bauelemente Bearbeiten

Der Ansatz wird zunächst für einfache Grenzfälle mit nur einem idealen Baulement erprobt, Verbraucherzählpfeilsysten voraugesetzt.

  • Ohmscher Widerstand Wegen   gilt  . Damit erhält man   und durch Vergleich mit dem Ansatz   und  .
  • Quelle, die einen ohmschen Widerstand speist Wegen   gilt  . Damit erhält man   und durch Vergleich mit dem Ansatz   und  .
  • Spule; ebenso Quelle, die einen Kondensator speist Wegen   gilt  . Damit erhält man   und durch Vergleich mit dem Ansatz   und  .
  • Kondensator; ebenso Quelle, die eine Spule speist Wegen   gilt  . Damit erhält man   und durch Vergleich mit dem Ansatz   und  .

Linearer Zweipol, zweipoliges Netzwerk Bearbeiten

Bildet man den Mittelwert auf beiden Seiten der Zerlegungsgleichung, ergibt sich mit den Mittelwerten ihrer zwei Ansatzfunktionen der erste Koeffizient der Zerlegungsgleichung, die Wirkleistung

 

in derselben Form, wie sie auch für den allgemeineren Fall mit Strömen und Spannungen gleicher Periode   gilt.

Bei Vorgabe eines konkreten Ansatzes für die Sinusgrößen mit  ,   und   folgt der Mittelwert

 

durch Integration.

Um den Koeffizienten   aus der Zerlegungsgleichung zu gewinnen, wird sie auf beiden Seiten mit   multipliziert. Aus

 

folgt in analoger Weise wie bei der Wirkleistung der Mittelwert

 ,

wobei diese Gleichungskette voraussetzungsgemäß nur für sinusförmige Größen zutrifft.

Herleitung mit Parallelmodell Bearbeiten

Die zweite Möglichkeit zur Zerlegung der Momentanleistung

 

verwendet - alternativ zu dem bisher beschriebenen Weg per Serienschaltungs-Ersatzmodell - ein Parallelschaltungs-Modell. Die Schlüsselvariable ist dabei die dem resistiven und reaktiven Element gemeinsame Spannung  . Die Hilfsgröße   ist bis auf eine gegenüber   nacheilende Verschiebung um   mit   identisch, so dass   proportional zur momntanen Stromstärke einer Induktivität an der Spannung   verläuft. Die weitere Herleitung nach dem Muster oben liefert das zu erwartende Ergebnis

 .

Verbale Definition Bearbeiten

Die Blindleistung eines Zweipols bei Sinusvorgängen ist gleich dem Mittelwert einer fiktiven Momentanleistung, bei der entweder die Stromstärke voreilend oder die Spannung nacheilend um   verschoben ist.

Vorzeichen und Wertebereiche Bearbeiten

 
Vorzeichen von Wirk- und Verschie­bungs­blindleistung in den vier Qua­dran­ten des Phasen­verschiebungs­winkels  

Die oben angegebenen Formeln sind wie folgt zu interpretieren: Induktivitäten beziehen Blindleistung (wirken induktiv), Kondensatoren liefern Blindleistung (wirken kapazitiv). Ohmsche Widerstände beziehen Wirkleistung (wirken motorisch). Quellen liefern (oder beziehen[Anm. 4]) Wirkleistung (wirken generatorisch bzw. motorisch) und liefern oder beziehen Blindleistung (wirken kapazitiv bzw. induktiv) - je nach Aufbau des Sromkreises. Der Leistungs-Lieferung eines Zweipols steht im angeschlossenen Zweipol ein Leistungs-Bezug gleichen Betrags gegenüber. Man kann die Blindleistung wie die Wirkleistung deshalb als Übergabegröße bezeichnen.

Für einen im Verbraucher­zählpfeil­system angesetzten Zweipol bedeutet ein positiver Wert von   oder   Bezug, ein negativer Wert Lieferung der Leistung. Im  - -Diagramm rechts sind einfache Stromkreise in jeweils den Quadranten eingetragen, in den ihr Phasenverschiebungswinkel   fällt. Alle möglichen Belastungsfälle sind damit erfasst.[2][3][4] In allen vier  - -Quadranten sind die durch ihre Strichstärke hervorgehobenen Zweipole im Verbraucher­zählpfeil­system notiert. In der rechten Halbebene wirken sie hinsichtlich ihrer Wirkleistung motorisch ( ), in der linken generatorisch ( ). Hinsichtlich ihrer Blindleistung wirken sie in der oberen Halbebene induktiv ( ), in der unteren kapazitiv ( ).

Energierückfluss pro Leistungsperiode Bearbeiten

 
EnergieRückfluss pro Leistungs­periode

Die Momentanleistung eines mit Wirk- und Blindleistung belasteten Zweipols hat in jeder   dauernden Leistungsperiode einen Abschnitt mit positven und einen weiteren mit negativen Werten (siehe Graphik a). Der Zeitabschnitt mit negativer Leistung vermindert die zu einem Verbraucher übertragene Energie.[Anm. 5] Dasselbe bewirkt der Zeitabschnitt mit positiver Leistung bei einem Erzeuger.

Die Dauer des Rückfluss-Abschnittes beträgt   bei Verbrauchern ( ) und   bei Erzeugern ( ).

Im Bereich   (motorische Quadranten I und IV, rechte Halbebene) enthält der Rückfluss-Abschnitt die Energie

 [Anm. 6]

Für die generatorischen Quadranten II und III (linke Halbebene) folgen die Integrationsgrenzen aus der Bedingung  . Der Faktor   beziffert den Energiebetrag, der bei reiner Wirkleistung mit   und   während einer Leistungsperiode transportiert wird.   fungiert als Normierungsgröße für die in der Graphik abgebildete (relative) Rückfluss-Energie

 .

Sie hat in allen vier Quadranten den Höchstbetrag  , der bei reiner Blindleistung anfällt.

Gesamtblindleistung Bearbeiten

Für nicht sinusförmige periodische Verläufe von Spannung und Stromstärke, für die kein Phasenverschiebungswinkel   definiert werden kann, ist die Gesamtblindleistung mit der Scheinleistung   durch

 

definiert. Sie kann anders als die Verschiebungsblindleistung nicht negativ werden. Für sinusförmige Vorgänge ergibt diese Definition wegen   die Gesamblindleistung  . Sie ist gleich dem Betrag der Verschiebungsblindleistung.

Hinweise Bearbeiten

  • Die angegebenen Leistungsgleichungen gelten im Verbraucher- und Erzeugerzählpfeilsystem und für alle möglichen Ansatzformen von   und   mit der Sinus- oder Kosinusfunktion.
  • Die Gleichwertform weist auf die Möglichkeit hin, die Verschiebungsblindleistung (wie die Wirkleistung) mit mittelwertbildenden Messgeräten zu messen.
  • Wenn keine Verwechslung mit der Gesamtblindleistung möglich ist, wird die Verschiebungsblindleistung kurz mit Blindleistung bezeichnet.
  • Namensvariationen der Blindleistung durch Hinzufügung von "induktiv", "kapazitiv", "übererregt", "untererregt" o. Ähnl. sind normwidrig und führen zu Missverständnissen.
  • Für den Richtungssinn gilt: Spulen nehmen Blindleistung auf, Kondensatoren geben sie ab.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Die Grafik bildet eine Periode der Spannung und der Stromstärke ab, d. h. den  -Bereich  . Die  -Achse ist nicht mit Werten beschriftet. Diese würden das Missverständnis förden, das Bild gelte nur für einen speziellen Sinus- oder Kosinusansatz mit bestimmten Nullphasenwinkeln. Es gilt für alle diese Fälle.
  2. Var, Einheitenzeichen var: Besondere Bezeichnung für das Voltampere im Fall der Gesamtblindleistung und der Verschiebungsblindleistung, also 1 var = 1 VA
  3. Der Phasenverschiebungswinkel   ist positiv, wenn der Zeitpunkt   des Stromstärkemaximums nach  , dem Zeitpunkt des Spannungmaximums eintritt.
  4. Ein aktiver Zweipol - im einfachsten Modell eine ideale Spannungs- oder Stromquelle - kann Wirkleistung ebenso wie Blindleistung von einem anderen aktiven Zweipol beziehen. Das geschieht z. Bsp. bei Kopplung von Teilnetzen der Energieversorgung.
  5. In diesem Abschnitt wird das Verbraucherzählpfeilsystem benutzt
  6. Die Integrationsgrenzen für einen Sinus- oder Kosinusansatz folgen je Quadrant aus der unten am Integralzeichen angegebenen Bedingung.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. DKE-IEV-Woerterbuch Nr. 101-14-34: Sinusförmige Größe
  2. Beckhoff: Vorzeichen bei Leistungsmessung. Abgerufen am 29. Juli 2020.
  3. Energie-Portal: Vierquadrantenzähler. Abgerufen am 4. August 2020.
  4. VDEW: Elektronische Lastgangzähler, Abschn. 3.5 und 4. Abgerufen am 14. August 2020.

Literatur Bearbeiten

  • Becker, Sauter: Theorie der Elektrizität 1 , Teubner, 21. Aufl. 1973, Abschn. 6.4
  • Haase, Garbe, Gerth: Grundlagen der Elektrotechnik, Schöneworth, 4. Aufl. 2018, Abschn. 10.5
  • Oeding, Oswald: Elektrische Kraftwerke und Netze, Springer, 8. Aufl. 2016, Abschn. 2.3