leaky gut (engl. durchlässiger Darm) bedeutet, dass die Barrierefunktion der Schleimhaut des Dünndarms gestört ist. In Folge dessen können Bakterien und Toxine aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen und systemische Entzündung fördern. Des Weiteren treten Störungen bei der Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen und Spurenelementen auf, und vom Darmepithel sezernierte Enzyme, wie z. B. die für den Abbau von Histamin wichtige Diaminooxidase oder die Laktase, werden vermindert gebildet. Pathognomisch für ein leaky gut sind entweder eine erhöhte Durchlässigkeit der in der Darmschleimhaut befindlichen tight junctions oder eine strukturelle bzw. funktionelle Schädigung der Darmepithelien selbst.[1][2]

Labormarker I-FABP und Zonulin

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Abb. 1  I-FABP wird aus morphologisch und funktionell geschädigten Enterozyten frei und ins Blut abgegeben.

Intestinal-fatty acid binding protein (I-FABP) kommt im Zytoplasma von Darmepithelzellen vor. Es vermittelt die Aufnahme von Fettsäuren. I-FABP ist zu 100 % für den Darm spezifisch. Wird das Darmepithel geschädigt, wird I-FABP in die Zirkulation freigesetzt und ist im Serum messbar. Zahlreiche Studien zeigen, dass der I-FABP-Serumspiegel ein valider Biomarker zur Darmpermeabilität bei Zöliakie, Weizensensitivität, entzündlichen Darmerkrankungen aber auch Depression sowie nach extremsportlicher Belastung ist und zur klinischen Besserung nach Therapie korreliert.

Ein alternativer Blutmarker für leaky gut ist das Zonulin welches zur Prä-Haptoglobinfamilie gehört. Bakterien triggern im Darmepithel die Zonulin-Freisetzung, weshalb hohe Zonulinspiegel als Marker für entzündlich bedingtes leaky gut gelten. Allerdings kann bei zunehmender Entzündung und damit einhergehend schwerer Schädigung des Darmepithels die Freisetzung an Zonulin reduziert sein und deshalb ein inflammationsgetriggerter Zonulinanstieg ausbleiben. Das könnte dafür verantwortlich sein, dass sich für Zonulin hinsichtlich der Korrelation zu gastrointestinalen Beschwerden in verschiedenen Studien widersprüchliche Ergebnisse zeigten.

Wie Abb. 1 zeigt, werden I-FABP und Zonulin unterschiedlich reguliert. Zonulin wird von Dünndarmepithelzellen sezerniert. Voraussetzung dafür sind: 1. ein inflammatorisches Signal (Entzündung) und 2. eine Mindestmenge an intakten Darmepithelzellen, die noch Zonulin produzieren können. I-FABP liegt hingegen immer in ausreichender Menge präformiert in den Mikrovilli der Darmepithelzellen. Es ist nicht inflammatorisch kontrolliert, sondern tritt bei jeder strukturellen Schädigung des Darmepithels ins Blut über.

Ein auffälliger Marker ist ausreichend für die Diagnosestellung.[3]



Mögliche Ursachen

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Abgesehen von entzündlichen Darmerkrankungen ist die Pathogenese der Darmpermeabilitätsstörung oft unklar. Bakterielle Fehlbesiedlungen des Darmes sind häufig assoziiert, wahrscheinlich aber eher Folge, als Ursache. Der Serummarker Zonulin wurde als bei der Erforschung von neuen Methoden zur Diagnostik Zöliakie entdeckt. Somit kann Leaky gut auch durch eine Glutenunverträgichkeit ausgelöst werden. Zahlreiche weitere Umstände können ein leaky gut begünstigen, z. B. Infektionen, intestinale Exposition mit toxischen Metallen, Medikamente (NSAIR, Antibiotika u. a.), scharf gewürzte Speisen sowie Alkoholkonsum. Auch die zu starke Hygiene, z.B. durch Desinfektionsmittel, wird als Ursache genannt. [4]Nahrungsmittelunverträglichkeiten können gleichzeitig Ursache und Folge eines leaky gut sein.

Eine gestörte Darmbarriere ist für Darmerkrankungen, aber auch andere systemisch entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Migräne, Autismus, ADHS, Depression, Multiple Sklerose oder chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) beschrieben. [5]

1. Verstärkung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten

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Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind oft sekundär die Folge von chronischen Entzündungsprozessen im Darm. Das Darmepithel ist Syntheseort von Enzymen wie Diaminooxidase und Laktase, weshalb entzündlich bedingte morphologische Veränderungen der Darmschleimhaut auch zu einer verminderten Synthese dieser Enzyme führen. Die Bestimmung von I-FABP und Zonulin dient nicht nur zur Diagnosestellung eines leaky gut, sondern erlaubt auch die Kontrolle des Therapieverlaufes bei sekundärem DAO-Mangel (Histaminintoleranz) bzw. sekundärer Laktoseintoleranz.

2. Resorptionsstörungen

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Bei einer gestörten Darmbarriere können Nahrungsmittelbestandteile, Vitamine und Spurenelemente oft nicht adäquat resorbiert werden. Die Folge sind Mangelerscheinungen. Essentielle Spurenelemente wie Zink, Selen, Kupfer, Magnesium, Mangan, Kobalt oder Chrom spielen als Kofaktoren zahlreicher Enzyme eine wichtige Rolle. Bereits eine latente Unterversorgung kann u. a. mit einer verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit oder einer erhöhten Infektanfälligkeit einhergehen. Zusätzlich beeinflussen einige Mineralstoffe direkt die Darmbarriere. Zink interagiert direkt mit den tight junctions. Bei Patienten mit erhöhten I-FABP- oder Zonulinwerten ist daher eine ausreichende Mineralstoffversorgung von großer Bedeutung. Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollte sich diese an der Vollblutmineralstoffanalyse orientieren.[6]

3. Gesteigerte Aufnahme toxischer Metalle

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Sowohl durch Freisetzung aus metallischem Zahnersatz als auch über die Nahrung gelangen toxische Metalle wie z. B. Quecksilber, Silber, Zinn, Blei, Arsen oder Aluminium in den Darm. Im Normalfall werden sie zum großen Teil wieder ausgeschieden. Bei leaky gut kommt es dagegen zur verstärkten Aufnahme in den Organismus und somit zur toxischen Belastung.[7]

Forschung

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Eine gestörte Darmbarriere ist für Darmerkrankungen, aber auch andere systemisch entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Migräne, Autismus, ADHS, Depression, Multiple Sklerose oder chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS) beschrieben. Hier gibt es in letzter Zeit viele Forschungsarbeiten zu der Frage, wie der Zusammenhang zu autoimmunen Erkrankungen ist um nach neuen Behandlungsmethoden zu suchen.[8][9]

  1. IMD Berlin, akreditiertes deutsches LAbor: Serummarker zum Nachweis einer gestörten Darmbarriere. In: IMD Berlin. IMD Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam GbR, 1. Januar 2022, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  2. Prof. Michael Camilleri, Mayo Clinic, Rochester, USA: Leaky gut: mechanisms, measurement and clinical implications in humans. In: PubMed. British Society of Gastroenterology, 1. Januar 2019, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  3. IMD Berlin, akreditiertes deutsches Labor: Informationen zur Laboruntersuchung von Zonulin und I-FABP. In: IMD Berlin. IMD Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam GbR, 1. Januar 2022, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  4. Prof. Alessio Fasano, Harward: All disease begins in the (leaky) gut. In: PubMed. National Library of Medicine, 31. Januar 2020, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  5. Yusuke Kinashi (Keio University, Tokyo), Koji Hase (Keio University, Tokyo): Partners in Leaky Gut Syndrome: Intestinal Dysbiosis and Autoimmunity. In: PubMed. National Library of Medicine, PubMed Central, 21. April 2021, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  6. Prof. Alessio Fasano, Harward: All disease begins in the (leaky) gut. In: PubMed. National Library of Medicine, 31. Januar 2020, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  7. IMD Berlin, akreditiertes deutsches Labor: Serummarker zum Nachweis einer gestörten Darmbarriere. In: IMD Berlin. IMD Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam GbR, 1. Januar 2022, abgerufen am 21. Dezember 2022.
  8. Professor Alessio Fasano, Harward: Forschungsartikel zum Zusammenhang von Leaky Gut und Autoimmunerkrankungen. In: PubMed. PubMed Central, National Library of Medicine, 31. Januar 2020, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).
  9. National Library of Medicine, USA: Leaky gut - Search. In: PubMed. National Library of Medicine, 21. Dezember 2022, abgerufen am 21. Dezember 2022 (englisch).