Benutzer:Matthead/Vereinnahmung von Copernicus

Quellensammlung zur Kontroverse um Kopernikus' Nationalität: Bearbeiten

  • Metze, Gudula (2004): Die Entwicklung der Copernicus-Porträts vom 16. Jahrhundert bis zum 18. Jahrhundert. Dissertation, LMU München: Faculty of History and the Arts [1]

Seite 5-6: Von bemerkenswerter Objektivität und Sachlichkeit geprägt ist Zinners Katalog nicht zuletzt in politischer Hinsicht, hatte sich doch die Forschung zu den Copernicus-Bildnissen in einigen Fällen in den Dienst nationalistischer Agitation gestellt. Diese Entwicklung setzte bereits um 1800 ein. Nach dem völligen Verlust der polnischen Eigenstaatlichkeit im Jahr 1795 hatten zahlreiche Polen Copernicus als kulturelle Identifikationsfigur entdeckt. Dies rief den Widerspruch deutscher Copernicus-Verehrer auf den Plan, welche die deutsche Nationalit ät des Astronomen für eine unumstößliche Wahrheit hielten. Zunehmend wurden die Porträts als „Argumente“ in dem Streit herangezogen, ob Deutsche oder Polen Copernicus als ihren Landsmann betrachten dürften. Insofern dokumentiert die Geschichte der Erforschung der Copernicus-Porträts auch ein konfliktträchtiges Kapitel der deutsch-polnischen Nachbarschaft. Bereits Hipler trat dem „müssigen Streite um Physiognomie und Nationalität“ entschieden entgegen und beklagte die jüngsten Auswüchse, so etwa die Vereinnahmung von Copernicus’ angeblich spitzigem Kinn als unfehlbares Merkmal germanischen Blutes.13 Nachdrücklich betonte der ermländische Geistliche, wie stark Copernicus’ Heimatland von der Koexistenz verschiedener Völker geprägt war – und dieser Umstand, so Hipler weiter, „ist ihm gewiß keine Schande.“14 Die von Hipler angesprochene Kontroverse verschärfte sich, nachdem Copernicus ’ Heimat als Folge des Ersten Weltkrieges wiederum polnisches Staatsgebiet geworden war. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland und vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde in der Copernicus-Literatur mehrfach die Grenze zur Polemik überschritten. Der bereits erwähnte Artikel von Friedrich Schwarz etwa erschien 1943 ein zweites Mal in leicht veränderter Form.15 Ebenso wie bei einem im selben Jahr veröffentlichten Aufsatz von Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg ist die Aufbereitung der Forschungsergebnisse hier trotz der prinzipiell wissenschaftlichen Herangehensweise nicht frei von deutschnationaler Propaganda.16 Vereinzelt geriet Copernicus’ Konterfei gänzlich in den Bann völkischen Forschereifers. Die 1936 im ehemaligen Kronprinzenpalais in Berlin er- öffnete Ausstellung Große Deutsche in Bildnissen ihrer Zeit etwa wurde von Eilert Pastor mit dem Ziel einer „rassischen Bestandsaufnahme auch für Deutschlands große Männer“ dazu genutzt, unter anderem das dort ausgestellte Copernicus-Bildnis anhand von „Rassekundlichen Bestimmungstafeln für Augen-, Haar- und Hautfarben und für die Iriszeichnung“ zu beurteilen.17 Zweifellos waren derart nationalistische Auswüchse mit dafür verantwortlich, daß nach dem Zweiten Weltkrieg in beiden Teilen Deutschlands für geraume Zeit kaum neue Publikationen zur Copernicus-Ikonographie zu verzeichnen waren. Erst anläß- lich des 500. Geburtstags des Astronomen im Jahr 1973 ging man erneut in Gedenkschriften und Ausstellungen auf dieses Thema ein. Zu nennen ist in erster Linie Kurt Forstreuters Aufsatz zu den ältesten Copernicus-Bildern und -Biographien, eine Arbeit, die im wesentlichen einen Überblick zu den bisherigen Forschungsergebnissen gab.18 Neue, wenngleich problematische Thesen enthielt wiederum der 1981 von Erich Sommerfeld veröffentlichte Aufsatz, worin Copernicus mehrere Selbstbildnisse zugeschrieben wurden.19 1993 bot eine Copernicus-Ausstellung in Schweinfurt den Anlaß für einen Katalogbeitrag von Georg Drescher, der sich eingehend dem im dortigen Stadtarchiv aufbewahrten Copernicus-Porträt widmet und gleichzeitig eine Überschau zu den wesentlichen Aspekten der Copernicus-Ikonographie in ihrer Gesamtheit bietet.20 Hervorzuheben ist schließlich die 1993 publizierte Monographie von Günther Oestmann über die astronomische Uhr des Straßburger Münsters, da Oestmann anhand einer fundierten Analyse der Entstehung und Funktionsweise dieser Uhrenanlage auch Stimmers dort angebrachtes Copernicus-Porträt in seinen wissenschaftsgeschichtlichen Kontext setzte.21

  • Stefan Kirschner, Andreas Kühne: "Die Rezeption von Copernicus im Spiegel seiner Biographen"; in: Form, Zahl, Ordnung. Studien zur Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Ivo Schneider zum 65. Geburtstag; hrsg. v. Rudolf Seising, Menso Folkerts, Ulf Hashagen; Stuttgart (Steiner) 2004 (Boethius, Bd. 48), S. 467-479 [4]
  • Kazimierz Lucyan Ignacy Römer (anonym als R***): Beiträge zur Beantwortung der Frage nach der Nationalität des Nicolaus Copernicus, Priebatsch's Buchhandlung, Breslau 1872 [5] www.archive.org PDF</ref>
  • Andreas Kühne: The reception of Copernicus as reflected in biographies, Abstract zur 2nd International Conference of the European Society for the History of Science, Krakau, 2006