Hermann Forneck (* 1950) ist ein deutscher Erziehungswissenschaftler und Hochschullehrer.

Werdegang

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Forneck studierte von 1977-1980 Erziehungswissenschaft an den Universitäten Bonn und Köln und promovierte im Jahre 1981 an der Universität Köln mit der Arbeit «Alltagsbewusstsein und Erwachsenenbildung: zur Relevanz von Alltagstheorien». (sh. Forneck 1987) Von 1977-1980 war er Studienleiter am Gustav-Stresemann-Institut und am Institut für angewandte Kommunikationsforschung in der ausserschulischen Bildung (IKAB) in Bonn. Ab 1983-1991 arbeitete er als Erziehungswissenschaftler in der Sekundarlehrerausbildung an der Universität Zürich und habilitierte im Jahre 1992 an der Universität Zürich mit der Schrift «Moderne und Bildung: modernitätstheoretische Studie zur sozialwissenschaftlichen Reformulierung allgemeiner Bildung». Von 1992 bis 1994 war er Privatdozent an der Universität Zürich. Im Sommersemester 1994 wurde Forneck zum Assistenzprofessor im Bereich Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Universität Zürich berufen. Bereits nach einem Semester verliess er die Universität und übernahm eine Professur für Allgemeine Pädagogik mit Schwerpunkt in Erwachsenenpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg in Breisgau bis 1997. Nebenbei war er an der Universität Zürich von 1996-1997 als externer Lehrbeauftragter tätig. Von 1997-2006 hatte er eine Professur für Weiterbildung an der Justus-Liebig-Universität Giessen mit den Forschungsschwerpunkten Selbststeuerung des Lernens Erwachsener und Gouvernementalität der Weiterbildung inne. An der neu gegründeten Pädagogischen Hochschule FHNW übernahm er 2006 die Direktorenstelle. 2015 ging er in Pension.

Wissenschaftliche Entwicklung und Arbeitsfelder

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Rückgriff auf Husserl und ethnomethodologische Ansätze

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In der 1987 erschienen Arbeit (Forneck 1987) entwickelt Forneck einen Begriff von Alltagsbewußtsein, der sich vor allem von französischen, marxistisch orientierten Vorstellungen abhebt. Letztere sehen im Alltagsbewußtsein das eigentliche Widerstandspotential gegen kapitalistische Ideologie. Forneck hingegen definiert Alltagsbewußtsein im Rückgriff auf Husserl und eine ethnomethologische Sozialwissenschaft als das unmittelbare, utilitaristische Bewußtsein, welches funktional auf die Lebenswelt bezogen ist. Er analysiert exemplarisch am Lehreralltagsbewußtsein die systematische Realitätsverfehlung eines auf unmittelbare Funktionalität ausgerichteten Bewußtseins. Mit Hilfe solcher sozialwissenschaftlichen Analysen des Alltagsbewußtseins sollen erwachsenenpädagogische Maßnahmen inhaltlich legitimiert und konzipiert werden.

Habermas und Digitalisierung

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In der 1992 erschienen Studie (Forneck 1992a) ‘Moderne und Bildung’ entwickelt Forneck im Anschluss an Habermas Hauptwerk ‘Kommunikatives Handeln’ einen mehrdimensionalen Bildungsbegriff. Dieser dient ihm in der im selben Jahr erschienen Monografie ‘Bildung im informationstechnischen Zeitalter’ (Forneck 1992b) als Folie für die Untersuchung der fachdidaktischen Entwicklung der informatischen Bildung. Von nun an lassen sich vier Arbeitsschwerpunkte Fornecks ausmachen:

Professionalisierung
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Die Arbeiten zur Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern werden fortgeführt und münden in eine umfangreiche Arbeitszeituntersuchung im Kanton Zürich. In ‘Die individualisierte Profession’ (Forneck 2003) stellen Forneck und Schriever die empirischen Ergebnisse der Zürcher Arbeitszeitstudie dar. Sie weisen dabei auf ein strukturelles Problem der Profession hin, ihre Individualisierung und deuten die Modernisierungsperspektiven an, die, ohne Einschränkungen der individualisierenden Professionsspielräume (individuelle Lehrtätigkeit, weitgehende Verfügung über Arbeitszeit und Ort) sich durch die neuen digitalen Medien für die Profession bieten.

Digitalisierung im Bildungsbereich
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Informatik und Digitalisierung bilden einen weiteren Arbeitsschwerpunkt. Forneck war Mitherausgeber der ‘Beiträge zur Didaktik der Informatik’, die ab 1990 erscheinen. Forneck ist der Auffassung, daß die Digitalisierung des Bildungswesens ein enormes Potential hat. Allerdings handelt es sich dabei um keine technologische, sondern eine bildungstheoretische Perspektive, die eng mit seinen Arbeiten für eine neue Lernkultur und Selbstlernarchitekturen verbunden ist.

Lernkultur
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Forneck vertritt die These, daß die herrschende Lernkultur im deutschen Bildungswesen durch eine tief verankerte Auffassung von der Lehrperson als dem zentralen Medium der Vermittlung geprägt ist. Im Zentrum dieses Verständnisses stehe die Auffassung, die Lehrperson vermittle personal den Stoff an eine Jahrgangsklasse in einer physischen Präsenzsituation und steuere Lernprozesse durch den Einsatz didaktischer Methoden. Forneck kritisiert, daß ein wesentlicher Teil der Arbeitszeit von Lehrpersonen durch Vermittlungsaufgaben aufgebraucht werde und in der Folge für die pädagogische Arbeit an wesentlichen Erfolgsfaktoren für gelingende Bildungsverläufe wie individuelle Motivation, Selbstwirksamkeit und Problemlösefähigkeiten keine ausreichenden Ressourcen mehr vorhanden seien. Auf dem Hintergrund dieser Analyse fordert er, die personale Vermittlung durch apersonale Medien zu ersetzen – und hier spielen für Forneck die neuen Medien eine zentrale Rolle (Forneck 2005) und eine hoch entwickelte Lernentwicklungsarbeit durch Lehrpersonen zu etablieren. Der Bildungsalltag soll dadurch pädagogisiert werden. Für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie der Bildungsinstitutionen müsse zuerst die Lernkultur erneuert werden, damit diese nachhaltig erfolgreich sein könne (Forneck 2019). An diesen jüngsten Aussagen wird deutlich, wie die drei Arbeitsbereiche von Forneck zusammengeführt werden. Das wird auch beim vierten Arbeitsbereich deutlich.

Poststrukturalismus und Bildung
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In ‚Moderne und Bildung‘ von 1993 ist eine umfangreiche Beschäftigung mit dem französischen Poststrukturalismus enthalten. Poststrukturalistisch inspirierte Arbeiten zur Erziehungswissenschaft (z.B. Forneck 2005) nehmen in der Folge einen breiten Raum ein. Insbesondere in ‚Selbstlernarchitekturen – Lernen und Selbstsorge I‘ (Forneck 2006) entwickelt Forneck eine Anleitung für eine neue Lernkultur und stellt ein methodisches know how für die Entwicklung von Selbstlernarchitekturen dar. Der Untertitel suggeriert dabei, daß es sich um ein umfangreicheres Arbeitsprojekt gehandelt haben könnte. Dieses ist nie publiziert worden. Im Jahr 2006 ändert sich der Arbeitsschwerpunkt Fornecks radikal.

Strategische Hochschulentwicklung

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Forneck wird Direktor der aus vier Vorgängerinstitutionen neu gegründeten Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz. Von nun an stehen Fragen der strategischen Hochschulentwicklung und Hochschulmanagment im Zentrum. Mit Kolleginnen und Kollegen veröffentlich er einen strategischen Orientierungsrahmen (Forneck 2009), der einen «Denk- und Entscheidungshorizont für die strategische Ausrichtung der Pädagogischen Hochschule und die Konzipierung der Studiengänge ...» enthält, «indem er selber Mass nimmt an der wissenschaftlichen Fachdiskussion zum Thema der Professionalisierung von Lehrpersonen ...» (Forneck 2009, S. 11) Er führt eine neue Hochschulstruktur ein, stellt höhere Anforderungen an das Personal und die Studierenden (Fahrländer 2012), baut die Forschung an der Hochschule aus, richtet Professuren für Professionsentwicklung ein, erhöht die Studierendenzahlen und am Ende seiner Amtszeit verzahnt er die Hochschule im Bereich der berufspraktischen Professionalisierung mit Kooperationsschulen in der gesamten Nordwestschweiz. (Forneck 2015) Anfang 2015 wird mit der Universität Basel gemeinsam das Institut für Bildungswissenschaften gegründet, mit dem erstmals in der Schweiz Professorinnen und Professoren der Pädagogischen Hochschule der Nordwestschweiz das Promotionsrecht bekommen. Ein solcher Kurs bleibt nicht unumstritten (Fahrländer 2012 und 2015).

Veröffentlichungen

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  • Fahrländer, H. (2012). Anforderungen an künftige Lehrer sollen steigen. Luzerner Zeitung. Zugriff am 19.5. 2019 unter https://www.luzernerzeitung.ch/schweiz/anforderungen-an-kunftige-lehrer-sollen-steigen-ld.1916355
  • Fahrländer, H. (2015). PH-Direktor Forneck: «Vielleicht habe ich einige etwas überfordert». Aargauer Zeitung. Zugriff am 10.04.2018 unter https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/ph-direktor-forneck-vielleicht-habe-ich-einige-etwas-ueberfordert-129320116
  • Forneck, H.-J. (1987). Alltagsbewußtsein und Erwachsenenbildung. Zur legitimatorischen und didaktischen Konkretisierung einer alltagsweltlich-orientierten Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn. Klinkhardt
  • Forneck, H.-J. (1990). Cyranek, Günter (Hrsg.) ; Forneck, Hermann-Josef (Hrsg.) ; Meier, Markus (Hrsg.): Beiträge zur Didaktik der Informatik. (Beiträge zur Didaktik der Informatik) Frankfurt a.M.. Diesterweg – Sauerländer.
  • Forneck, H.-J.(1992a). Moderne und Bildung: modernitätstheoretische Studie zur sozialwissenschaftlichen Reformulierung allgemeiner Bildung. Studien zur Philosophie und Theorie der Bildung 19. Weinheim. Deutscher Studien-Verlag.
  • Forneck, H.-J. (1992b) Bildung im informationstechnischen Zeitalter: Untersuchung der fachdidaktischen Entwicklung der informatischen Bildung. Aarau, Frankfurt a.M., Salzburg. Sauerländer.
  • Forneck, H.-J. (2003) Forneck, H.-J., Schriever, F., Hrsg. Die individualisierte Profession. Belastungen im Lehrberuf. Bern. hep.
  • Forneck, H.-J. (2005) Forneck, H.-J., Klingovsky, U., Kossack, P. Hrsg. Selbstlernumgebungen. Zur Didaktik des selbstsorgenden Lernens und ihrer Praxis. Baltmannsweiler. Schneider Hohengehren.
  • Forneck, H.-J. (2006) Selbstlernarchitekturen. Lernen und Selbstsorge I. Baltmannsweiler. Schneider Hohengehren.
  • Forneck, H.-J. (2009) Forneck, H.-J., Düggeli, A., Künzli, C., Linneweber-Lammerskitten, H., Messner, H., Metz, P., Hrsg. Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern. Orientierungsrahmen für die Pädagogische Hochschule FHNW. Bern. hep.
  • Forneck, H.-J. (2015). Auf dem Weg zu einer bildungswissenschaftlichen Hochschule. Pädagogische Hochschule nw. Neun Jahre strategische Hochschulentwicklung 2006 – 2015. mss Eigenverlag.
  • Forneck, H.-J. (2019). Modernisierung und Digitalisierung der Schule. Zugriff am 20.12.2019 unter www.hermann-forneck.de/Schule/