Die Leitidee des Constructive Alignments besteht in der Ausrichtung der Lehr-Lern-Aktivitäten und der Leistungsüberprüfung an den Zielen von Lehr-Lern-Einheiten. In der Konsequenz sollten Lehrende oder Gestaltende von Lehr-Lern-Umgebungen ihre Planungsaktivitäten daher an der Passung von Lernzielen, Lehr-Lern-Aktivitäten und dem Assessment orientieren. Diese Passung ist für alle Lehr-Lern-Umgebungen formalen Lernens bedeutsam.

Entwicklung Bearbeiten

 
Constructive Alignment in Anlehnung an Biggs (1996)

Alan Cohen prägte 1987 mit seinem Aufsatz "Instructional Alignment: "Searching for a Magic Bullet[1]" einen Begriff, der die erforderliche Passung zwischen curricularen Inhalten und dem Assessment betont. Der australische Psychologe John Biggs knüpfte 1996[2] mit der Idee des Constructive Alignments an Cohen an. Biggs führt in dieser Idee die Lernendenzentrierung des Konstruktivismus sowie den Fokus von Instruktionsdesignern auf (Lern-)Ziele und deren Erreichung in einem Kurs durch Lernende zusammen. Er betont dabei die erforderliche Ausrichtung der Lehr-Lern-Aktivitäten und des Assessments an den Lernzielen.

Der Fokus auf Lernende und auf Lernprozesse (statt auf Lehrende und Lerninhalte), der sich paradigmatisch als "Shift from Teaching to Learning"[3] (auch: Primat der Konstruktion statt Primat der Instruktion[4]) beschreiben lässt, findet sich auch in den Intentionen der Bologna-Reform.

Weiterentwicklung Bearbeiten

In zu Biggs vergleichbarer Weise formulieren James W. Pellegrino 2010[5] und 2014[6] sowie Frank Achtenhagen im Jahr 2012[7] die Triade von Curriculum, Instruktion und Assessment und die Notwendigkeit der Abstimmung ihrer Bestandteile in Bezug auf die Gestaltung von Lehr-Lern-Einheiten und des Assessments.

Unter dem Schlagwort „assessment drives learning[8]“ wurde Biggs Konzept vor allem im Bereich der Hochschuldidaktik weltweit rezipiert. Die Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen und insbesondere die Entwicklung anschließender Prüfungen (als Assessment) können nicht losgelöst von Lernzielen und Inhalten konzipiert werden[9].

Vorgehensweise Bearbeiten

Constructive Alignment erfolgt in drei Schritten, wobei jeweils eine grundsätzliche Frage zu beantworten ist:

  • Welche Lernziele bzw. intendierten Lernergebnisse werden in der Lehre erwartet?
  • Mit welchen Aufgaben (und durch welche Prüfungsformen) lassen sich diese Lernergebnisse feststellen?
  • Welche Lehr- und Lernmethoden bzw. welche Lernaktivitäten können eingesetzt werden, um diese Lernergebnisse zu erreichen?[10]

Zunächst ist mittels der Lernziele bzw. Lernergebnisse zu klären, was die Lernenden am Ende einer Unterrichtseinheit bzw. Lehrveranstaltung (auch: zum Abschluss eines Schuljahres oder Studiengangs) können sollen. Es werden also Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Einstellungen oder Haltungen bezeichnet, die Lernende aufgrund der Teilnahme an einem Lehr-/Lernprozess erworben und verfügbar haben sollten. Bei einer strikt lernergebnisgeleiteten Planung der Lehrprozesse im Sinne des Constructive Alignment wird also vom Ende des Lernprozesses her geplant wird. Im Unterschied zu einer stärker stofforientierten Planung lassen sich die Lehrenden sich nicht primär von ihren Unterlagen, Lehrbüchern usw. leiten, sondern von den beabsichtigten Lernzielen bzw. Lernergebnissen.[11]

DIes ist ein Planungsbeispiel aus der Thermodynamik:

  • Lernergebnis bestimmen: „Nach Abschluss der Lehrveranstaltung sind die Lernenden in der Lage, den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf energietechnische Systeme anzuwenden.“
  • Mögliche Prüfungsaufgabe formulieren: „Erläutern Sie den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik am Beispiel des Dieselmotors.“
  • Den Modus der Lehre ausrichten: Hier wird festgelegt, auf welche Weise und mit welchen Beispielen erklärt wird und mit welchen Methoden welche Lernhandlungen initiiert und begleitet werden.[11]

Kritik Bearbeiten

Obgleich der Ansatz des Constructive Alignments von seinen Protagonisten als lernendenzentriert bezeichnet wird,[12] wird diese Annahme nicht überall geteilt. Anlass für Kritik bietet insbesondere der postulierte “Übergang von der Lehre in individueller Verantwortung hin zur Lehre in der Verantwortung der Institution, die sich um Prüfungspraxis und Unterrichtsdesign auf der Basis wissenschaftlicher Lehr-/Lernforschung kümmert.”[12] Indem sich Lehrende vermeintlich darauf beschränken, Curricula abzuarbeiten und Prüfungen abzunehmen, werden sie aus der Verantwortung für den Lehr-/Lernprozess und damit auch aus der eigentlichen Orientierung an den Lernenden zunehmend entlassen.[13] Ein weiterer Kritikpunkt betrifft “die immense Bedeutung der Ergebnisorientierung für die Hochschullehre, den festen Glauben daran, dass jedes Ergebnis messbar ist, und die darin mitschwingende Prämisse, dass nur messbare Ergebnisse überhaupt eine Rolle spielen”.[13]


  1. S. Alan Cohen: Instructional Alignment: Searching for a Magic Bullet. In: Educational Researcher. Band 16, Nr. 8, November 1987, ISSN 0013-189X, S. 16–20, doi:10.3102/0013189X016008016 (sagepub.com [abgerufen am 13. April 2023]).
  2. John Biggs: Enhancing teaching through constructive alignment. In: Higher Education. Band 32, Nr. 3, 1. Oktober 1996, ISSN 1573-174X, S. 347–364, doi:10.1007/BF00138871 (springer.com [abgerufen am 13. April 2023]).
  3. Johannes Wildt, Beatrix Wildt: Lernprozessorientiertes Prüfen im "Constructive Alignment". Ein Beitrag zur Förderung der Qualität von Hochschulbildung durch eine Weiterentwicklung des Prüfungssystems. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten. [Teil] H. Prüfungen und Leistungskontrollen. Weiterentwicklung des Prüfungssystems in der Konsequenz des Bologna-Prozesses. Raabe, Berlin 2011, S. H 6.1, 46 S. (fachportal-paedagogik.de [abgerufen am 13. April 2023]).
  4. Gabi Reinmann, Heinz Mandl: Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In: Andreas Krapp, Bernd Weidenmann (Hrsg.): Pädagogische Psychologie. 5. Auflage. BeltzPVU, Weinheim 2006, S. 614–658.
  5. The Design of an Assessment System for the Race to the Top: A Learning Sciences Perspective on Issues of Growth and Measurement. Abgerufen am 13. April 2023.
  6. James W. Pellegrino: The Design of an Assessment System for the Race to the Top: A Learning Sciences Perspective on Issues of Growth and Measurement. 2009, abgerufen am 11. April 2023 (englisch).
  7. Frank Achtenhagen: The curriculum-instruction-assessment triad. In: Empirical Research in Vocational Education and Training. Band 4, Nr. 1, August 2012, ISSN 1877-6345, S. 5–25, doi:10.1007/BF03546504 (springeropen.com [abgerufen am 13. April 2023]).
  8. Jill Thistlethwaite: More thoughts on 'assessment drives learning'. In: Medical Education. Band 40, Nr. 11, November 2006, ISSN 0308-0110, S. 1149–1150, doi:10.1111/j.1365-2929.2006.02638.x (wiley.com [abgerufen am 13. April 2023]).
  9. Johannes Wildt, Beatrix Wildt: Lernprozessorientiertes Prüfen im "Constructive Alignment". Ein Beitrag zur Förderung der Qualität von Hochschulbildung durch eine Weiterentwicklung des Prüfungssystems. In: Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten. [Teil] H. Prüfungen und Leistungskontrollen. Weiterentwicklung des Prüfungssystems in der Konsequenz des Bologna-Prozesses. Raabe, Berlin 2011, S. H 6.1, 46 S. (fachportal-paedagogik.de [abgerufen am 13. April 2023]).
  10. Angelika Wöntner: Constructive Alignment. In: eduCocktail - Plattform für digitale Wissensvermittlung. Donau-Universität Krems, abgerufen am 31. Mai 2023.
  11. a b Martin Lehner: Didaktik. UTB (Haupt), Bern, ISBN 978-3-8252-5208-3, S. 106 f.
  12. a b John Biggs: Constructive alignment in university teaching. In: HERDSA Review of Higher Education, Vol. 1, www.herdsa.org.au. HERDSA, 2014, abgerufen am 2. Juni 2023.
  13. a b Gabi Reinmann: Shift from Teaching to Learning und Constructive Alignment - Zwei hochschuldidaktische Pprinzipien auf dem Prüfstand. In: Impact free - Journal für Bildungswissenschaftler. Gabi Reinmann, 2018, abgerufen am 2. Juni 2023.