Die Südfassade der Emmerichskirche

Die Emmerichskirche (ungarisch Szent Imre templom) ist ein römisch-katholischer Sakralbau in der ungarischen Gemeinde Rönök im Kreis Szentgotthárd im Komitat Vas. Sie war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges grenzübergreifende Pfarrkirche für mehrere Dörfer der Umgebung, sowie ein Pilgerziel für die lokalen ethnischen Gruppen des ehemaligen Deutschwestungarn. Durch ihre Lage direkt am Grenzstreifen zwischen Ungarnn und Österreich war ihr Besuch ab 1949 behördlich verboten. Das leer geräumte und im Laufe der Zeit verfallende Gebäude entwickelte sich in den angrenzenden Regionen zu einem Symbol für die Teilung Europas durch den Eisernen Vorhang.

Lage und Umgebung Bearbeiten

Das Kirchengebäude liegt etwa 6,5 km nordöstlich der ungarischen Kreisstadt Szentgotthárd und rund 6 km südöstlich des österreichischen Bezirksvorortes Güssing. Die nächstgelegenen ungarischen Orte sind Rönök – dessen Ortsgebiet ungefähr 1 km südöstlich der Kirche beginnt – und das ca. 2 km südwestlich liegende Jakabháza. Auf österreichischer Seite sind es die Orte Tschanigraben und Inzenhof – je ca. 2,5 km weiter nordwestlich – sowie das rund 2,5 km im Nordosten liegende Großmürbisch. Die Staatsgrenze zwischen Ungarn und Österreich verläuft in Ost-West-Richtung etwa 15 m nördlich der Kirche.

Die Emmerichskirche steht auf einer großen Waldlichtung auf etwa 253 m Seehöhe, ungefähr 50 m oberhalb des Raabtales, in einer zum Güssinger Hügelland gehörenden Hügelkette, die am Nordufer der Raab parallel zu dieser verläuft. Die Hügelkette gehört zu den letzten Erhebungen des südöstlichen Alpenvorlandes, direkt am Übergang in die Pannonische Tiefebene.

Geschichte Bearbeiten

Baugeschichte Bearbeiten

Bis ins späte 19. Jahrhundert stand an der Stelle der heutigen Emmerichskirche ein Vorgängerbau aus der Zeit des Hochmittelalters. Einer Legende zufolge soll diese vermutlich erste Kirche auf dem Gemeindegebiet von Rönök deshalb errichtet worden sein, weil Prinz Emmerich von Ungarn – der heilig gesprochene Sohn von König Stephan I. – gerne in den Wäldern der Umgebung gejagt haben soll. Dieser Sakralbau diente bereits jahrhundertelang als Pfarrkirche für die heute in Ungarn liegenden Orte Felsőrönök (deutsch Oberradling) und Alsórönök (deutsch Unterradling), Jakabháza (deutsch Jakobshof) und Rábafüzes (deutsch Raabfidisch), sowie die heute in Österreich liegenden Dörfer Inzenhof (ungarisch Borosgödör) und Tschanigraben (ungarisch Sándorhegy).

Bei einem Sturm am letzten Sonntag des Jahres 1898 wurde die mittelalterliche Kirche so stark beschädigt, dass sie abgerissen werden musste. Die Grundsteinlegung für den Bau der neuen Emmerichskirche erfolgte am 9. November 1902. Der Bau wurde nach Plänen des Architekten Sándor Baumgarten errichtetm, wobei die Steinmetzarbeiten von italienischen Meistern ausgeführt wurden. Die drei Glocken der Kirche wurden in der Werkstatt von Antal Novotny im damaligen Temesváron gegossen. Konsekriert wurde die Emmerichskirche am Pfingstsonntag des Jahres 1904.

Lage im Grenzgebiet Bearbeiten

 
Die direkt an der Kirche verlaufende Staatsgrenze

Den Grenzziehungen des Vertrages von Trianon folgend, mussten die Dörfer Inzenhof und Tschanigraben zusammen mit einem Großteil des mehrheitlich deutschsprachigen Deutschwestungarn an Österreich abgetreten werden. Die Staatsgrenze zum Nachbarland verläuft daher seit 1921 nur einige Meter nördlich der Emmerichskirche. Die ab diesem Zeitpunkt in Österreich liegenden Dörfer blieben aber dennoch Teil der Pfarre Radling, und der Besuch der Pfarrkirche zum Hl. Emmerich war deren Gläubigen bis durch den Zweiten Weltkrieg hindurch uneingeschränkt möglich. Die Kirche wurde auch weiterhin von den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen der Region – den deutschsprachigen Österreichern, den Ungarn, den Burgenlandkroaten und und den Slowenen – als Wallfahrtsort genutzt.

Obwohl es bereits 1945 zu ersten Zugangsbeschränkungen kam, war es den den Gläubigen beider Nationen anfangs noch möglich die Kirche zu besuchen. Erst im Zuge der Errichtung von ersten Grenzsicherungsanlagen in den ungarischen Grenzgemeinden in der Umgebung im Jahr 1948 kam es zu einem vollständigen Zutrittsverbot. Die Häuser rund um die Kirche wurden abgerissen, entlang der Grenze Stacheldrahtzäune hochgezogen, und bis 1949 eine zwei Kilometer breite Sperrzone eingerichtet. Die Gläubigen der Pfarre Rönök waren somit von ihrer Pfarrkirche abgeschnitten. Nur dem Pfarrer János Kőmíves erteilte man die Erlaubnis weiterhin im Pfarrhof neben der Kirche zu leben. Nachdem er am 9. Dezember 1951 über die Grenze nach Österreich floh, wurde die Inneneinrichtung der Kirche abtransportiert und das Gebäude sich selbst überlassen. Lediglich der Kirchturm wurde weiterhin genutzt – als Aussichtspunkt für die an der Grenze stationierten Wachposten.

Öffnung der Grenze Bearbeiten

Auf Betreiben des Diözesanbischofs Stephan László aus der österreichischen Diözese Eisenstadt und seines Kollegen István Konkoly aus der ungarsichen Diözese Szombathely wurden bereits im Jahr 1987 Pläne in deren Bistümern ausgearbeitet die Kirche wieder zu rekonstruieren, und sie zu einer "internationalen Begegnungsstätte" im geteilten Europa zu machen. Das Kirchengebäude war zu diesem Zeitpunkt bereits stark beschädigt, da Anfang der 1980er-Jahre das Dach des Langhauses eingestürzt war, und das Kircheninnere mehrere Jahre hindurch vollständig der Witterung ausgesetzt war. Den Plänen folgend sollte die Kirche im Rahmen eines binationalen Abkommens verwaltet und in Stand gehalten werden, und auch wieder Pilgern und Besuchern aus beiden Staaten zugänglich gemacht werden. Es war geplant die Stacheldrahtanlagen in der Nähe der Kirche zu versetzen, um die Passierbarkeit der Grenze zu erleichtern, gleichzeitig aber deren ausreichende Kontrolle durch Grenzbeamte weiter gewährleisten zu können. Für das Sammeln von Spenden zur geplanten Rekonstrunktion der Kirche wurde 1989 auf österreichischer Seite der Verein "Rettet die St. Emmerichskirche als internationale Begegnungsstätte" gegründet.

 
Der zerstörte Innenraum der Kirche in den 1980ern

Durch den Fall des Eisernen Vorhanges im selben Jahr wurde die Umsetzung der Vorhaben beschleunigt, und von beiden Republiken wurde am 12. Jänner 1990 ein Nutzungsvertrag unterzeichnet. Der Stacheldraht im Bereich der Kirche wurde daraufhin entfernt, und man begann mit einer zwei Jahre dauernden Rekonstruktion des Sakralbaus. Am Pfingstmontag des Jahres 1990 kam es zu einem sogenannten "Friedensgottesdienst" beim Zöllnerkreuz bei der Kirche, den rund 4.000 Gläubige aus Österreich und Ungarn besuchten. Bei seinem Pastoralbesuch in Ungarn am 19. August 1991 wurde das spätere Turmkreuz der Emmerichskirche von Papst Johannes Paul II. gesegnet. Am 20. September 1992 kam es zur Eröffnung der Kirche im Rahmen eines Gottesdienstes, bei der das Gebäude durch die beiden Bischöfe László und Konkoly erneut konsekriert wurde. Dem auf Deutsch, Ungarisch, Kroatisch und Slowenisch abgehaltenten Gottesdienst wohnten rund 5.000 Gläubige bei. Der Eisenstädter Bischof László, der Ortspfarrer Rilli, sowie Elfriede Jaindl vom Verein St. Emmerich erhielten vom ungarischen Bischof Konkoly je einen Kirchenschlüssel überreicht – als symbolisches Zeichen des "immerwährenden Benützungsrechtes" der Kirche.

Architektur und Ausstattung Bearbeiten

Beim Kirchenbau handelt es sich um eine neugotische Saalkirche mit geostetem Langhaus und einem Querschiff in Nord-Süd-Richtung. Das 35 m lange Hauptschiff und das Querschiff mit 15 m Breite verfügen über polygonale Abschlüsse, und bilden zusammen die Form eines Lateinischen Kreuzes. Der südwestlichen Ecke des Langhauses ist ein viergeschoßiger achteckiger Kirchturm auf quadratischer Basis vorgebaut. An diesen schließt im Norden ein über die gesamte Höhe der Westfassade reichender Vorbau an. Unter einem großen Fachwerksfenster beherrbergt er das Hauptportal der Kirche. Weitere Seitenportale sind an den Apsiden des Querschiffes vorhanden. Die Fassade des Gebäudes verfügt an allen Seiten über mehrfach abgetreppte Strebepfeilder und große rundbogige Kirchenfenster.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten