2006: Euphorie - 2013: Kritische Distanz

Wenn man zum ersten Mal von einer Idee hört, läuft man schnell Gefahr, ihrem allzu plakativen Reiz zu erliegen. So ist es mir 2006 gegangen, als ich erstmalig mit Wikipedia in Kontakt gekommen war. Ich schreibe gerne, gebe gerne mein beischeidenes Wissen preis und sah in diesem Konzept eine Chance etwas beizutragen, mitzuarbeiten an einer Idee, die mir in meiner damaligen Naivität auf den ersten Blick revolutionär erschien.

Doch schnell lernte ich auch die Schattenseiten kennen. Denn in dem Drang, mich nicht gleich ausgiebig zu blamieren, wollte ich zunächst die Gepflogenheiten in der Autorenzunft bei Wikipedia erkunden. Was ich dabei entdeckte, was sich mir in den zahlreichen Diskussionen hinter den Artikeln zeigte, brachte mich schnell wieder herunter vom Turm der Euphorie. Grabenkämpfe, Neiddebatten, Besserwisserei und eine Vielzahl weiterer negativer Eigenschaften einer jeden Gesellschaft fanden sich im Vergrößerungsglas der Artikeldiskussionen überaus deutlich wieder. Zwischen den Zeilen entdeckte ich die Pro-Schreiber, die zwar viel zum Inhalt von Wikipedia beitrugen, ihr Wissen aber mit den Waffen der Überheblichkeit massiv verteidigten - ganz nach dem Motto "Wer viel schreibt, hat was zu sagen, wer nicht, hat zu kuschen.". Ich entdeckte eine Vielzahl von Gelegenheitsschreibern, die sich oft in Gebiete zurückzogen, wo sich die Pros nicht so auskannten - was sie aber dennoch nicht davon abhielt, immer wieder mal klugscheißend vorbeizuschauen und kleinkarierte Besserwisserei zum Besten zu geben. Und es gab und gibt unzählige, wie mich. Menschen, die, getrieben oder vielleicht auch geblendet von der Idee hinter Wikipedia, versuchen, hin und wieder eine sinnvolle Korrektur anzubringen und im Bewusstsein ihrer Durchschnittlichkeit nur selten einen Artikel zu schreiben - und die dann den Pros mit ihrem unverrückbaren Wissen, wie ein Artikel in Wikipedia auszusehen hat, zum Opfer fallen. Das Ergebnis: Sie geben auf! Warum sollte man sich bemühen, seine Zeit opfern, wenn alles dann doch von selbst ernannten Sittenwächtern wieder rückgängig gemacht wird?

Den Ärger, der sich zumindest bei mir dann unweigerlich einstellt, habe ich dann schnell gelernt zu vermeiden, indem ich die aktive Mitarbeit schon bald wieder eingestellt habe. Damit ersparte ich mir den Frust der Desillusion. Heute betrachte ich Wikipedia nur noch als das, was die meisten darin sehen: Ein umfangreiches Nachschlagewerk. Von den Geburtswehen hinter den vielen Artikeln möchte ich überhaupt nichts wissen, weshalb ich auch nur ganz selten mal in die Diskussionen schaue.

Ich hatte mal die Idee mitarbeiten zu wollen, doch die selbsternannte Wikipedia-Elite hat das erfolgreich verhindert.

Sollen sie doch schreiben und streiten. Mir ist es egal. Ich bedanke mich bei allen, die mir im Alltag mit ihrem bei Wikipedia niedergeschriebenen Wissen eine Hilfe sind. Doch über diesen Dank hinaus ist von mir nichts weiter zu erwarten - nicht mehr.