Ernst Fettner


Ernst Fettner (*29. Mai 1921 in Wien) ist ein österreichischer Journalist (im Ruhestand) und Holocaust-Überlebender.  


(Inhaltsverzeichnis )

1.     Leben

1.1 Herkunft

1.2 Kindheit und Ausbildung

1.3 Verhaftungen  und Exil

1.4 Als „Gordon Highlander“ zur Befreiung Österreichs

1.5 Berufsleben als Journalist

1.6 Sportlich bis ins hohe Alter

2.     Ehrungen und Auszeichnungen

3.     Literatur + TV-Beiträge

4.     Weblinks + Einzelnachweise


1.     Leben

1.1  Herkunft

Ernst Fettner kam am 29. Mai 1921 als zweites Kind von Rosa Fettner (geb. Nener) und Sigmund (Isak Schaje) Fettner zur Welt. Beide Elternteile kamen mit ihren jüdischen Familien aus Galizien in die KuK-Hauptstadt Wien. Das erste einschneidende Kindheitserlebnis von Ernst Fettner war der Tod der Mutter. Sie verstarb 1926 während einer Grippeepidemie. Schon bald darauf heiratete sein Vater neuerlich. Zu seiner älteren Schwester Valerie (genannt Wali, geb. 1919), kamen aus der Ehe von Sigmund Fettner mit Rosa Katz Lily (1929), Karoline (1931) und Herbert (1932) drei weitere Geschwister.


1.2 Kindheit und Ausbildung

Die Familie lebte in extrem beengten Verhältnissen im 20. Wiener Gemeindebezirk, Teil der so genannten „Mazzesinsel“. Zeitweise wohnten bis zu 5 Erwachsene und vier Kinder in der Zimmer-Küche-Wohnung. Ernst Fettner wuchs aber überwiegend im jüdischen Waisenhaus für Buben in  Baden bei Wien auf. Längeren Heimaturlaub gab’s nur zur Osterzeit. Nach acht Jahren in dieser Einrichtung beendete er im Herbst 1935 notgedrungen seine schulische Laufbahn. Seinem häufig von Arbeitslosigkeit betroffenen Vater gelang es, ihm eine Lehrstelle in der Schneiderei Baruch Friedländer (1. Bezirk) zu besorgen. Nach zwei Jahren schloss er die Lehre als „Mieder und Wäschewarenerzeuger“ ab, ohne viel über Hilfsarbeiten hinaus gekommen zu sein. 1938 arbeitete er schließlich für die ebenfalls jüdische Schneiderei Pein (9. Bezirk) als Fahrradbote.  


1.3 Verfolgung und Exil

Nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich wurde Ernst Fettner im Sommer 1938 erstmals verhaftet. Schon zuvor musste er gemeinsam mit seinem Vater an einer erniedrigenden Gehsteig-Reibeaktion teilnehmen. Dramatisch war die zweite Verhaftung in der Reichskristallnacht, in der sich die Belegschaft in der Schneiderei Rein eingeschlossen hatte. Das Lokal wurde gestürmt und  Ernst Fettner und dessen Kollegen als „politischer Widerstand“ behandelt. Bis zum Weihnachtstag blieb er in Haft, anschließend forderte ihn die Gestapo auf,  das Land innerhalb eines Monats zu verlassen. Die Frist dafür konnte später auf zwei Monate verlängert werden, so dass er Österreich noch knapp rechtzeitig verlassen konnte. Besonders erschwerend erwies sich, dass Ernst ebenso wie sein Vater Siegmund die österreichische Staatsbürgerschaft nie erhalten hatte und bis dahin „staatenlos“ war.


Es dauerte noch bis zum 29. März 1939, ehe der noch 17-Jährige in sein Tagebuch notieren konnte: „Dover in Sicht“. Über London kam er als fast sklavisch gehaltener „Landwirtschaftshelfer“ in den Norden Schottlands. Mühsam lernte er autodidaktisch Englisch bis er es beim Bauern nicht mehr aushielt, nach Glasgow fuhr –und innerhalb von zwei Tagen interniert wurde. Er galt als „feindlicher Ausländer“ – trotz der gleichermaßen politischen und rassistischen Verfolgung, die zur Emigration in letzter Sekunde führte  - und kam über mehrere Stationen ins „Aufnahmelager“ Isle of Man. Erst dort wurde er bei Vorträgen und durch erfahrenere Kollegen politisiert. Nach sechs Monaten folgte die Rückkehr in die Landwirtschaft, diesmal in den Midlands. Dank der in der Internierung gewonnen Kontakte wurde er bei „Young Austria“ aktiv und bildete in Glasgow eine der wichtigsten Stanorte der Vereinigung der Österreicher im britischen Exil. Nach einigen weiteren Berufen wurde er ins Civil Service aufgenommen – und zählte damit zu den ersten Österreichern in britischer Uniform.  Als wichtiger Heimathafen entwickelte sich „Young Austria“. Je länger die Emigration dauerte, desto klarer wurde aber, dass die jungen Emigranten als dem „Free Austria Movement“ einen Beitrag zur Befreiung Österreichs von Nazi-Deutschland leisten wollten.  


1.4 Als „Gordon Highlander“ zur Befreiung Österreichs

1943 war es soweit. Die Emigranten, nicht wenige von Ihnen bereits Kommunisten, wurden nun in der alliiert gegen Deutschland  kämpfenden British Army akzeptiert. Aufgrund seiner Stationierung in Schottland wurde Ernst Fettner zum „Gordon Highlander“, wenn auch ohne Kilt und Dudelsack. Militärisch war er bei der zweiten Welle der Landung in der Normandie im Juli 1944 dabei. Zu Kriegsende wurde er in einer kleinen Stadt in Deutschland stationiert. Erstmals ging es ihm besser als dem Durchschnitt der Bevölkerung, doch er wollte einen Beitrag zur einem antifaschistischen Nachkriegsösterreich leisten. 1946 kehrte er auf seinen Wunsch als Mitglied der britischen Armee  nach Österreich zurück und wurde in Klagenfurt stationiert.


Er blieb das einzige Familienmitglied, das nach Österreich zurückkehrte. Seine Tante Sally konnte mit ihrem Mann nach Shanghai und später Australien emigrieren. Seiner Schwester Wali gelang die Emigration nach Palästina, wo sie mithalf den Kibbuz Afikim aufzubauen, während Lily mit einem Kindertransport nach England gerettet werden konnte und später - verheiratet - nach Kanada emigrierte. Alle anderen Familienmitglieder überlebten den Naziterror nicht.


Siegmund und dessen Vater Abraham Fettner  wurden im September 1939 von der Gestapo verhaftet, und später ins KZ Buchenwald überstellt, wo Abraham starb. Siegmunds Leidensweg führte noch über Ravensbrück und Dachau ehe er 1942 in der Tötungsanstalt Hartheim bei Linz ermordet wurde. Großmutter Freide Katz kam über die das KZ Theresienstadt nach Treblinka. Auch sie überlebte die Tortur nicht. Rosa, Karoline und Herbert Fettner wurden im August nach Maly Trostinec deportiert und dort umgehend am ausgehobenen Massengrab erschossen.   An sie erinnern Stolpersteine in Wien-Brigittenau. 1


1.5 Berufsleben als Journalist

1946 kam Ernst Fettner nach Klagenfurt. 1949 heiratete er Hilde Oppenheimer, gesch. Kane, die er bei einem Treffen von „Young Austria“ in London kennengelernt hatte und zu ihm nach Klagenfurt kam. Ihre Familie waren bürgerliche Weinhändler in Mainz (D), die wegen ihrer jüdischen Herkunft nach Flucht nach Belgien bzw. Holland ebenfalls in KZs – Kosel und Auschwitz ermordet wurden. An Vater Wilhelm Gabriel, Mutter Anna und Schwester Rosemarie Oppenheimer erinnern Stopersteine am Schillerplatz 5 in Mainz. 2


Ernst und Hilde Fettner lebten in Pritschitz, Bez. Klagenfurt. 1950 kam in Klagenfurt Sohn Peter zur Welt. Politisch trat Ernst Fettner der Freien Österreichischen Jugend (FÖJ) bei. Bald darauf rüstete er bei der Army ab und begann für die Kärntner Ausgabe der Parteizeitung der KPÖ „Volkswille“ zu schreiben. Seine journalistische Karriere startete eigentlich bereits mit der Gestaltung der Wandzeitung von „Young Austria“ in Glasgow.

Während eines Einsatzes in Belgien nutzte er einen Kurzurlaub, um eine österreichische Gruppe von Widerstandskämpfern in Brüssel zu treffen. Darüber berichtete Anfang 1945 in der Emigranten-Zeitung „Zeitspiegel“. Beruflich blieb Ernst Fettner vorerst den lokalen Themen in Kärnten verbunden. Bis er 1953 die Redaktion verlassen musste. Hintergrund war am Höhepunkt des Stalinismus das große Misstrauen gegenüber dem mit der britischen Armee ins Land gekommen Redakteur.


Für drei Jahre arbeitete er dann in Metallbetrieben, unter anderem als Dreher bei Steyr. Dort wurde er auch zum Betriebsrat gewählt. Die Gewerkschaftsfunktion war auch mit der Arbeit an einer Betriebszeitung verbunden. So blieb er dem Schreiben treu, bis er – in seine alte Heimat Wien zurückgekehrt – dort Redakteur beim kommunistischen Zentralorgan „Volksstimme“ wurde. Dieser blieb er bis zu deren Einstellung als Tageszeitung 1991 – und damit weit über das Pensionsalter hinaus - treu.


Ebenso seinen Gewerkschaftsfunktionen. Am Höhepunkt war er Ende der 1970er/Anfang 1980er-Jahre Vizepräsident der Journalistengewerkschaft. Keine Selbstverständlichkeit für einen „Volksstimme“-Redakteur.  2018 wurde er für 70 Jahre ÖGB-Mitgliedschaft geehrt.


Von Fettners Einsatz in der Journalistengewerkschaft profitieren bis heute zahlreiche Kollegen. Schon seit der Rückkehr nach Wien hatte sich die eigene wirtschaftliche Situation zum Positiven verändert. Dazu trug auch die Gemeindewohnung in Lainz bei. Im Stil erinnerte sie als Reihenhaus an britische Emigrationszeiten. 1956 kam in wien der zweite Sohn Fred zur Welt.


Das Wirtschaftswunder blühte – und so konnte  in den 1960er-Jahren ein TV-Gerät und das erste Auto – natürlich ein Moskwitsch – angeschafft werden. Das Auto machte mobil und es folgten erste Familienreisen. Große Flugreisen blieben eher selten – und galten dann überwiegend Verwandtenbesuchen in Israel und Kanada.  Beruflich war es in erster Linie Niederösterreich, über das er in dieser Zeit unzählige Reportagen verfasste.  

1968 berichtete er, einen Ferienaufenthalt von Fred in der CSSR nutzend, exklusiv und ungeschminkt vom „Prager Frühling“ und dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen. Innerhalb der KPÖ setzten sich in späterer Folge die Befürworter des Einmarsches durch, Ernst Fettner entschied sich aber, bei der Volksstimme zu bleiben.


Ebenfalls 1968 verstarb Hilde. 1969 heiratete Ernst Fettner seine Arbeitskollegin Herta – genannt „Gisi“, geb. Felbermayer, die ihn bis 2019 durch’s Leben begleitete.  In der „Volksstimme“ kam er ins Innenresort, wo er über viele Jahre zum „Journalisten-Tross“ von Bundeskanzler Bruno Kreisky zählte, dessen Regierungsjahre er kritisch begleitete. Zum Ende der beruflichen Karriere wurde Ernst Fettner noch Motorjournalist.  In den letzten Jahren wurde zunehmend als „Zeitzeuge“ vom Autor zum Objekt journalistischer Recherchen. Wobei die Recherchierenden auf seinen großen Schatz an Aufzeichnungen, Fotos ebenso wie seine humorvollen Erzählungen zurückgreifen können.


1.6 Sportlich bis ins hohe Alter

Als Motorjournalist konnte er mit kleinen beruflichen Reisen in späteren Jahren die angenehmen Seiten des Jobs genießen. Hinzu kam der Sport. Schon immer schätzte er die sportlichen Betätigung. Ob im Waisenhaus oder dem Fußball-Team auf der „Isle of Man“, wo er auch als Langstreckenläufer zum Einsatz kam. Von der Emigration in Großbritannien blieben auch nicht nur die Frühstücksgewohnheiten Tee mit Milch und Porridge,  sondern wohl auch die Überzeugung, dass wahrer Sport mit Wettkampf und bevorzugt Erfolg zu tun hat.

Mit Herta, einer ehemaligen Nationalteam-Handballerin, konnte er das vor allem am Tennisplatz beim Ober-St.-Veiter Tennisklub ausleben. Beide blieben bis ins hohe Alter am Tennisplatz aktiv. Dazwischen hatte Fettner dank „Media-Golf“ spät aber doch zusätzlich den Golfsport entdeckt. Als Mitglied des GC Wienerberg dreht er noch mit 99 Jahren seine Runden – und gilt als ältester aktiver Golfspieler Österreichs.


2. Ehrungen und Auszeichnungen

  • 1971 erhielt er 25 Jahre nach dem Ende seines Einsatzes für die British Army drei Medaillen, darunter die Tapferkeitsmedaille.
  • 1980 wurde ihm vom Bundespräsidenten das „Ehrenzeiche für die Verdienste um die Befreiung Österreichs“ verliehen.
  • 2007 erhielt er das „Goldene Verdienstzeichen“ des Landes Wien.  (Foto)
  • Ernst Fettner ist u.a. Ehrenmitglied des Vereins „Kunstplatzl“, Förderer des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes und karitativer Organisationen.


3. Literatur + TV-Beiträge

Sonja Frank (Hg). „Young Austria“ Österreicher:innen im britischen Exil 1938 – 1947 für ein freies, demokratisches und unabhängiges Österreich. Verlag des ÖGB 2012   - 3

Sabine Schweitzer:  „Seitdem du weg bist, hat sich alles zum Schlechten geändert“  – Das Schicksal der Familien Fettner und Katz. Aus Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.) Deportation und Vernichtung – Maly Trostinec, Wien 2019 – Jahrbuch 2019    - 4

Benedikt Narodoslawsky: „Erinnerungen eines Propagandisten“,  Falter 06/17 vom 7.2.2017   5

Jana Waldhör,  „Zeitspiegel – Eine Stimme des österreichischen Exils 1939 bis 1946“, New Academic Press (2020)      6, 7

Maria Bianca Fanta, Dissertation an der  Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest: “Die Arbeiter der Feder - Journalistinnen und Journalisten der kommunistischen Parteizeitung „Österreichische Volksstimme“ und die Zäsuren ihrer Lebensgeschichten (1945–1956)  - 8

Greenboard: Ernst Fettner im Golfclub Wienerwald (2020) – 9

Noah Ché Felipe Limmeroth:  „Allein in die Fremde. Kindertransporte aus Österreich im Nationalsozialismus“. Vorwissenschaftliche Arbeit, AHS Rahlgasse, Wien (2019)

Fernsehfilm “Des Glück is a Vogerl” – Folge 3 (Erstausstrahlung 9.10.2020   - 10  


4. Weblinks und Einzelnachweise

1 Stolpersteine Wien-Brigittenau – Fam. Fettner:https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Erinnerungsstein_für_Rosa,_Isak_Schaje,_Karoline_und_Herbert_Fettner.JPG

2 Stolpersteine Mainz – Fam. Oppenheimer:

https://www.mainz.de/medien/internet/downloads/Stolpersteine-nach-Opfernamen-Stand-Juli-2020.pdf)

3 Sonja Frank: „Young Austria“ Video des Interviews 4.3.2020 von  Sonja Frank mit Ernst Fettner und Friedrich Hirl über Kindertransporte ins Britische Exil. https://www.youtube.com/watch?v=NzwwXP2A05Y

4 Sabine Schweitzer:  „Seitdem du weg bist, hat sich alles zum Schlechten geändert“  – Das Schicksal der Familien Fettner und Katz. https://www.doew.at/cms/download/20bq/jb2019_schweitzer_fettner.pdf

5 Benedikt Narodoslawsky: „Erinnerungen eines Propagandisten“,  Falter 06/17

https://www.falter.at/zeitung/20170207/erinnerungen-eines-propagandisten

6 Jana Waldhör,  „Zeitspiegel – Eine Stimme des österreichischen Exils 1939 bis 1946“

https://www.newacademicpress.at/gesamtverzeichnis/unkategorisiert/zeitspiegel/

7 Präsentation Literaturhaus Wien

https://www.facebook.com/LiteraturhausWien/posts/2866666390058024

8 Maria Bianca Fanta, Dissertation

https://www.andrassyuni.eu/uploads/landing/592-dissertationfanta1.pdf

9 Greenboard: Ernst Fettner im Golfclub Wienerwald (2020)

https://www.greenboard.at/ernst-fettner-im-golfclub-wienerwald/

10 “Des Glück is a Vogerl” – Folge 3  https://www.w24.at/Sendungen-A-Z/Das-Glueck-is-a-Vogerl/Alle-Folgen


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