Benutzer:Fingalo/Verpfändung von Orkney und Shetland

Verpfändung von Orkney und Shetland [1]

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von islander


Die in Publikationen aller Art immer wieder als simple Tatsache behauptete Verpfändung beider Inselgruppen an das Königreich Schottland hat ihren Ursprung in einer Sachlage, die so gut wie nichts mit den Inselgruppen zu tun hat und weit in die Geschichte der schottisch-norwegischen Beziehungen zurückreicht. Drei Aspekte sind dabei besonders hervorzheben:

  • Der regierende dänische König Christian I. (in Personalunion König von Norwegen) war gegenüber Dritten hoch verschuldet, hatte selbst schon Provinzen seiner dänischen Kernlande wiederholt verpfändet, um vorübergehend den Staatshaushalt zu sanieren..
  • Schottland wäre de facto bankrott gewesen, wenn Christian I. die ausstehenden Zahlungen der Annuals of Norway im Nachgang zum Vertrag von Perth gegenüber dem schottischen Königreich hätte "fällig stellen" können.
  • Beide Seiten standen außen-, fiskal- und wirtschaftspolitisch unter einem gewissen Druck der Hanse, die durch die ständigen Streitereien zwischen Schottland und Dänemark/Norwegen ihre wirtschaftspolitischen Interessen im nordwestlichen Nordsee- und Atlantikraum gefährdet sah.

In dieser Situation verständigten sich die beiden streitenden Parteien auf ein "Schiedsgerichtsverfahren" unter der Leitung von König Karl VII. von Frankreich. Als sich die Parteien 1459 erstmals trafen, verliefen die Verhandlungen ohne Ergebnis. Beim erneuten Zusammentreffen mit Karl in Brügge 1460, teilten die Kontrahenten mit, dass sie bilateral übereingekommen waren, den Gesamtkomplex im Rahmen einer bereits verabredeten Eheschließung zwischen dem schottischen Thronfolger James (nachmals König James III.) und Margarete, der Tochter Cristians I. und der bei einem solchen Anlass üblichen Mitgift / Brautgeschenke zu lösen – ein Konfliktlösungsmodell, das wohl von Karl VII. selbst im Rahmen seiner vorangegangenen Sondierungen ins Gespräch gebracht worden war. Soweit bestand Konsenz.

Die schottische Seite überraschte dann aber mit einer Maximalforderung, deren Inhalt ganz wesentlich die unterschiedliche Interpretation der später tatsächlich geschlossenen Verträge bestimmen sollte. Die so für die Gegenseite völlig inakzeptable Forderung bezog sich im Einzelnen auf folgende Punkte:

  • Die Bestätigung der schottischen Oberhoheit über die Western Isles und Man gemäß dem Frieden von Perth aus 1296 bei
  • gleichzeitig erklärtem, rückwirkenden Verzicht auf alle austehenden Zahlungen der im Frieden von Perth vereinbarten Annuals of Norway.
  • Die bedingungslose Übergabe und Anerkennung der schottischen Oberhoheit über die Inselgruppen Orkney und Shetland.
  • Eine Mitgift in bar in Höhe von 100.000 Rhenische florin (nachstehend "Rf").

Allein die letzte Forderung hätte den Rahmen des zur damaligen Zeit Üblichen deutlich überschritten, was wohl allen am Verhandlungstisch klar war. Brügge wurde beendet mit der Verständigung auf ein Hochzeitsjahr, ein grobes Datum für den Vollzug der Eheschließung und die Festsetzung des Ortes, nämlich Schottland. Alles andere sollte bilateral weiter verhandelt werden.

Was danach im Einzelnen wie verhandelt wurde, ist aufgrund der Aktenlage unklar: Aus den schottischen Archiven verschwand in späteren Jahren praktisch alles, außer dem Katalog der Maximalforderungen; in Dänemark blieben immerhin die für den dänischen Hof gefertigte Originalausfertigung des Hochzeitsvertrages und ein Teil der Urkunden zur Verpfändung im Original, ein anderer Teil zumindest in Abschriften erhalten (heute im Reichsarchiv Kopenhagen). Die Masse der Protokollnotizen über die Verhandlungen bis zum Ehevertrag verschwand allerdings auch hier auf ähnlich wundersame Weise wie in Schottland. Alles, was nicht im Ehevertrag explizit angesprochen ist, kann aus heutiger Sicht nur noch aus dem konkludenten Verhalten der Vertragparteien geschlossen werden.

Faktum des Ehevertrages ist, dass nur noch über eine Mitgift in Höhe von insgesamt 60.000 Rf und die dazugehörigen Finanzierungsregelungen geredet wird. Es ist davon auszugehen, dass die Frage der Western Isles und der Fälligkeiten der Annuals of Norway im Sinne der schottischen Partei einvernehmlich geregelt wurde. Der Vertrag sagt darüber zwar nichts aus, die Frage der Annuals of Norway ist nach dem Hochzeitsvertrag von keiner der beiden Seiten jemals wieder offiziell thematisiert worden. Man kann dies als die dänisch / norwegische Streichmasse ansehen.

Im Gegenzug (schottische Streichmasse) findet sich keinerlei Hinweis mehr auf die Übertragung der vollen und uneingeschränkten Souveränität über Orkney und Shetland an die schottische Krone.

Hinsichtlich der bar zu zahlenden Mitgift, hatte sich Schottland auf eine für die Zeit alles in allem angemessene Zahlung von 60.000 Rf runterhandeln lassen – dies allerdings wohl nur im Bewusstsein, das der Brautvater Christian de facto zahlungsunfähig war. Die schottische Krone hatte wohl von Anfang an darauf gesetzt, dass Christian zu seiner bewährten Verpfändungspolitik wird greifen müssen, Christian seinerseits hatte bisher mit den getätigten Verpfändungen und ihrer meist kurzfristig erfolgten Auslösung nur positive Erfahrungen gemacht und bei diesem Vorgang die für die Zukunft hartnäckige Haltung seiner Vertragspartner ganz offensichtlich unterschätzt.

Je dichter das geplante Hochzeitsdatum kam, desto mehr erhöhten die Schotten den Druck. Als klar war, dass Christian die 60.000 Rf in bar nicht wird zahlen können, stellte er eine Barzahlung von 10.000 Rf in Aussicht und verpfändete 1468 für 50.000 Rf die Inselgruppe Orkney. [2]

Als sich danach abzeichnete, dass Christian unbeschadet der Hilfe durch die Hanse maximal 2.000 Rf in bar würde aufbringen können, erhöhten die Schotten den Druck, drohten sogar die Hochzeit und damit die Gesamtregelung im allerletzten Moment noch platzen zu lassen. Christian, der aufgrund seiner bisher positiven Erfahrungen wohl kurz- bis mittlerfristig eine reelle Chance sah, das Pfandgut auszulösen, reagierte prompt: Er "verpfändete" 1469 zum letztmöglichen Zeitpunkt Shetland zum Gegenwert von 8.000 Rf. [3]Ein interessantes Detail am Rande ist in diesem Zusammenhang die "immobilienwirtschaftliche" Bewertung der Ländereien in Orkney und Shetland, die im genau umgekehrten Verhältnis zu dem standen, was ein "ehrbarer hanseatischer Kaufmann" in Ansatz gebracht hätte. Orkney's corn wurde durch die Verpfändung weitaus höher bewertet, als Shetland's money, sprich die Bewertung seiner Fischgründe und der darauf basierenden Einkunftserwartungen allein aus dem Stockfischhandel vorbei am Bergener Stapel. Höchstwahrscheinlich war dies mit ein ausschlaggebender Grund für die ganz offensichtliche Zurückhaltung der Hansestädte.

Was aber wurde tatsächlich verpfändet? [4]Christian verpfändete All and sundris our lands of the islands of the Orkneys with all and sundris our rights … pertaining to us and our predecessors, Kings of Norway …

Die Formulierung ist eindeutig, und wie auch immerman sie analysiert und berwertet – auf der formal sprachlichen Ebene, vor dem Hintergrund geltenden Rechts in Dänemark/Norwegen oder im Abgleich mit nachfolgenden Rechtsakten auf der schottischen, heute britischen Seite – es wurden nicht die Inseln insgesamt verpfändet, wie die schottische Seite später immer wieder behauptete. Falsch ist aber auch die später von Dänemark/Norwegen wiederholt vorgebrachte Position, dass nur das Land im Besitz des Königshauses verpfändet worden sei. Verpfändet wurde alles Land im königlichen Besitz mitsamt den daran gebundenen Rechten, hier insbesondere zu nennen das Steuer- und Abgabenrecht. Königliches Land fand sich überwiegend auf den Inseln Stronsay, North Ronaldsay und Papa Westray, wo es einen Anteil von mehr als 50% der Inselflächen ausmachte; ferner auf Westray, Sanday und Shapinsay, während es auf The Mainland nur im Westen, in den Gemeinden von Firth (heute Finston, Evie und Rendall) sowie im Gebiet von Sandwick / Skail nur Streubeseitz gab. Im übrigen The Mainland, auf Eday, Rousay sowie allen südlich vorgelagerten Inseln gab es praktisch kein Königsland in nennenswertem Umfang.

Die Verpfändung war nicht terminiert. Christian I. setzte wohl auf die Möglichkeit einer kurzfristigen Auslösung, Schottland baute wohl auf die Zahlungunfähigkeit und hoffte, so seinen Anspruch auf dauerhafte Oberhoheit irgendwie durchsetzen zu können. Beide Seiten hatten also ganz offensichtliche Gründe, die Verpfändung nicht zu terminieren, hätte doch ein Fixtermin beiden im Wege stehen können. Tatsächlich stand in den Folgejahren die Auslösung des Pfandes wiederholt auf der Tagesordnung bilateraler und internationaler Verhandlung, doch Schottland setzte sich immer wieder mit seiner Verzögerungstaktik durch. Zuletzt stand die Frage 1814 im Rahmen der Verhandlungen zum Frieden von Kiel auf der Tagesordnung, doch nachdem sich die Regelungen zur Grönland- und Färöerfrage unerwartet lange hingezogen hatten, verständigte sich die Versammlung auf Nichtbefassung.

Verpfändet wurde explizit auch nicht die Oberhoheit der dänisch-norwegischen Krone, wie von den Schotten ursprünglich gefordert, wenngleich man aufgrund anderer Indizien davon ausgehen kann, dass stillschweigend wohl dahingehend Einverständnis bestand, dass sie schon aus ganz pragmatischen Gründen konkreten Verwaltungshandelns für die Dauer der Verpfändung in der schottischen Krone ruhen würde.

Zur sprachlichen Ebene ist anzumerken, dass die bis in jüngste Zeit in der britischen Diplomatensprache übliche Formulierung all and sundris eine Art einschränkender Bedingung beinhaltete. Sie konnte und kann darum nicht im schottischen Sinne interpretiert und übersetzt werden mit alles und insbesondere, sondern nur in der dänischen Variante mit alles, aber einzig unser Land und Rechte. Rechtlich muss man berücksichtigen, dass die explizit angesprochenen Vorbesitzer Kings of Norway praktisch nie ein wirkliches Durchgriffsrecht auf den Grundbesitz eines Udallers oder auf den Hausbesitz eines Jarls hatten.

Der schottischen Krone war dies wohl bekannt und sie handelte entsprechend. Sie kaufte das Norse Earldom Orkney 1470 auf, gliederte es aber nicht in die allgemeine Verwaltung des Königreichs ein, sondern ließ es durch das Privy Council des Königs verwalten. Ähnlich erging es wenig später den Shetlandinseln, die gleichfalls dem Privy Council unterstellt wurden.[5] Allerdings war die Eingliederung Shetlands weniger vollständig als die von Orkney. So erhielten die Shetländer wiederholt ihr Recht auf eigenständige Sprache und Kultur vom schottischen Parlament bis weit ins 16. Jh. hinein bestätigt, Grundbesitzprozesse der Shetländer wurden noch bis ins 18. Jh. hinein vor dem zuständigen Kammergericht in Bergen verhandelt, die Urteile nachrichtlich dem Privy Council übermittelt, dass sie dann als schottische Urteile bestätigte.

Als 1611 das schottische Privy Council das Old Norse Law abschaffte, geschah dies in einem Verwaltungsakt einer nachgeordneten Behörde, obwohl es nach dem üblichen Verständnis der Zeit eines normalen Gesetzgebungsverfahrens bedurft hätte. Diese Auffassung bestätigte indirekt auch die oberste britische Gerichtsbarkeit zumindest hinsichtlich eines Punktes und bis in die jüngste Zeit: der Nachwirkung des Grundbesitzrechtes in der Form des Udal Laws. Das britische Privy Council (heute Crown Properties) hat nach 1611 keinen relevanten Prozess gewonnen, in dem sich ein Orkadier oder ein Shetländer rechtens auf seine Grundbesitzrechte als freier Udaller berufen konnte. Spektakulär die Verurteilung der Krone zur Abführung der bereits von der Occidental Oil Company kassierten Nutzungsgebühren für die Überleitungsrechte der Flotta Pipeline in den 1970er-Jahren, eher kurios die Niederschlagung des Ermittlungsverfahrens im März 2005 gegen den Komponisten Sir Peter Maxwell Davies in genau dem Moment, als man begann, öffentlich die Jagdrechte eines Udallers zu diskutieren. Max sollte einen Schwan geschossen haben (was er bestritt, er wollte ihn tot gefunden haben). Als normaler britischer Bürger hätte er gegen ein königliches Privileg verstoßen, als freier Udaller auf der Insel Sanday nur von seinem zustehenden Jagdrecht Gebrauch gemacht.


Fußnoten

  1. Dies ist jetzt erst einmal die Geschichte nach Thomson, Crawford u.a. im Zusammenhang erklärt. I.M. ist es also rein " Story". Was ggf. (erheblich) zu kürzen, wie wohin zu verlinken oder weiter zu erläutern ist, sollte im Rahmen der Diskussion geklärt werden. Sorry, es ist länger geraten als gedacht, aber wenn man den Sachverhalt aufdröseln will, wie er jenseits des Tartan myth heute in der schottischen Geschichtsschreibung anerkannt ist, bedarf es selbst zu einer recht groben Darstellung einiger Details, wenn man nicht von vornherein dem Klischee verfallen will.
  2. Für den Moment und den nachfolgenden Absatz verbleiben wir erst einmal bei der heute in vielen "populärwissenschaftlichen" Darstellungen üblichen Formulierung.
  3. Die Verpfändung des Shetland-Besitzes erfolgte so kurzfristig, dass der Vorgang als solcher keinen Niederschlag mehr in dem schon ausgefertigten Hochzeitsvertrag finden konnte. Dort selbst ist nur vom Grundbesitz auf Orkney die Rede.
  4. Ich habe zwar relativ große Fotos der in Kopenhagen erhaltenen Originalausfertigung der Urkunde vorliegen, um aber Fehler durch meine Abschrift zu vermeiden, zitiere ich nachstehend den unbestrittenen Wortlaut nach Thomson.
  5. defaulted to the crown of Scotland on 20 February 1472 ... im Prinzip eine Annektion