Benutzer:Bibhistor/CLA Italien Produktionsrate

CLA, Italien, Produktionsrate Bearbeiten

 
CLA Statistik der Produktion: Nach Herkunft

Für die Zeit von 390 AD bis 790 AD wurden nach dem CLA aus Italien etwa 440 Codices überliefert. Für diese 400 Jahre macht das durchschnittlich 1,1 pro Jahr. Das besondere ist, dass diese überlieferten Bücher nach Entstehungszeit geordnet nahe an einer Geraden liegen. Was man hier durchsieht ist wahrscheinlich die Produktionsrate von Italien.

Warum? Wenn während der Zeit von ca. 400 bis 800 Produktionsstops oder relevante Bestandsverluste aufgetreten wären, so würde diese Verteilung keine Gerade bilden. Sie sähe dann eher aus wie die Kurve für Frankreich. Man kann nun sogar über die mathematische Statistik berechnen wie gross der Verlustfaktor maximal war um noch die lineare Verteilung sichtbar zu lassen. Diese Berechnung ist noch nicht erfolgt.

Aber eine Diskussion mit einem Mathematiker erbrachte, dass der verlorene Teil geringer sein muss als der vorhandene. Es sind dann für Italien im CLA mehr Bücher vorhanden als verloren sind. Dies wurde als Verlustfaktor kleiner als 1 bezeichnet. Ein Verlustfaktor von etwa 0,5 wäre danach möglich. Es wären dann von 390 AD bis 790 AD etwa 220 Bücher verloren, 440 erhalten und nur 660 produziert worden.

Einen minimalen Wert für den Verlustfaktor kann man aus diesen Daten nicht sinnvoll errechnen, denn er könnte sogar 0 betragen. Ein Wert von 0 würde bedeuten, dass kein Verlust eingetreten wäre, der CLA also alle damals in Italien produzierten noch gefunden hätte. Aufgrund anderer Hinweise, vor allem dem fehlen bestimmter Autographen, halte ich das für ausgeschlossen.

Dass, zumindest für Italien, weniger verloren ging als heute vorhanden ist, erscheint mir mit dem Forschungsstand zur Überlieferungsgeschichte vereinbar. Es gibt keine Quellen oder Berechnungen, die für Italien einen höheren Verlust fordern würden.

Eine Produktionsrate von 1,1 oder 1,5 Büchern pro Jahr bedeutet auch für ein Skriptorium im MA eine geringe Aktivität. Allerdings würde die Grössenordnung passen wenn die Produktion per Dekret eingeschränkt war. Wenn etwa ein Teil der Kirchenführung in Rom jedes Buch zur Begutachtung und Genehmigung lesen müsste. Eine Begutachtung hätte weniger formalen Charakter (Rechtschreibung, Grammatik) sondern wäre vornehmlich dem Inhalt, der Vermeidung von Häresie, gewidmet gewesen. Beim Bildungsstand der Zeit keine einfache Aufgabe. Wegen den anderen Verpflichtungen dort könnte Zeitmangel bei dieser Prüfung zur Produktionsbeschränkung geführt haben. Hinweise auf solche Prüfungen sollten dann aber noch in historischen Quellen zu finden sein.

Einwände Bearbeiten

  • (1) Könnte nicht die Produktionslinie Italiens eine ganz andere Form gehabt haben, und die Verluste haben sie erst zur geraden Linie gemacht?

Das ist einfach sehr unwahrscheinlich. Eine konstante Produktionsrate (was zu dieser geraden Linie führt) bedeutet, dass über 400 Jahre eine Anzahl Fachleute (Pergamenter, Schreiber, Buchbinder) tradiert wurden und ihrer Arbeit auch konstant nachgingen. Unter Annahme (1) hätte dann die Erhöhung der Produktionsrate proportional der erst in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten kommenden Bestandsverluste verlaufen müssen. Das erscheint hinreichend unwahrscheinlich.

  • (2) Könnte nicht irgendwann nach 800 der gesamte Bestand um den Faktor 100 reduziert worden sein? Dann wäre die gerade Linie noch immer sichtbar, aber der Verlustfaktor um 100.

Aber wie sollte dieser Verlust geschehen? Es kann kein altersbedingter Verlust sein. Denn dann wären die um 400-600 AD deutlich mehr betroffen. Es müsste also jemand die Bestände durchsehen, nach Alter ordnen und für jedes Jahrzehnt welche herausnehmen. Die Ordnung nach Alter war aber eine sehr aufwendige Paläographische Arbeit des 20. Jh., im Mittelalter hätte das keiner gekonnt. Ausserdem hat das MA den Ruf nach 800 die vorhandenen Texte gepflegt zu haben, es fanden kaum Titelverluste statt. Damit ist (2) auch hinreichend unwahrscheinlich.

  • (3) Könnte hier eine bestimmte Produktionsline in der Überlieferung bevorzugt worden sein? Hat man Bücher mit bestimmten anderen Merkmalen gezielt vernichtet?

Das wäre möglich. Es gibt einen Hinweis, wonach Bücher mit bestimmten Schrifttypen gezielt vernichtet wurden. Damit wäre ein Produktionsort der diese Schriftart nicht verwendete in der Überlieferung deutlich bevorzugt. Der CLA würde dann vor allem die Produktion dieses Ortes zeigen, oder genauer dieser Mannschaft, dieser "handwerklichen" Tradierungslinie. Denn diese Personen können in 400 Jahren auch mehrfach den Ort gewechselt haben. Jedoch kommt man so nicht auf einen viel höheren Verlustfaktor. Denn es ist schwer glaubhaft, dass das Vielfache des heute vorhandenen in einem Büchersturm im 6. oder 7. Jh. gezielt vernichtet wurde. Dies hätte in Quellen dieser Zeit erwähnt werden müssen. Allerdings gab es in den letzten Jahren Erkenntnisse, die mein Vertrauen in Quellen von Spätantike und Früh-MA deutlich erschüttert haben. Wobei es weniger die Quellen sind als vielmehr ihre Darstellung im modernen Schrifttum.

  • (4) Sind die im CLA nochgewiesenen Bücher auch wirklich erhalten?

Nur zum Teil. Beim CLA gilt ein Codex als vorhanden wenn auch nur der Teil einer Seite vorhanden ist. In den meisten Fällen ist es natürlich deutlich mehr. Aber nur ein geringer Teil ist wirklich komplett. Ausserdem sind in den CLA Daten hier auch die Palimpseste enthalten. Wer ein sehr strenges Kriterium für "Erhalten" anlegt, der kann über 80% des CLA für verloren erklären. Dies wäre für die historische Forschung aber unsinnig. Denn viele dieser Beschädigungen (nicht die Palimpseste) traten erst im Hoch-MA so um 1200 auf. Für die Überlieferungsgeschichte ist es aber entscheidend zu wissen was den Leuten etwa um 800 vorlag. Zu dieser Zeit war der Bestand des CLA sicher besser erhalten als heute.

Lieber bibhistor ich bin Ihnen fur die graphik besonders dankbar. Ich bin leider kein Mathematiker, bin jedoch sicher, dass nach Bozzolo und Ornato die Palaeographie mit Statistik weiter gehen muss. Aber gerade fur die CLA Epoche ist dies besonders schwierig. Mit allen guten Wunschen