Die „Untere Mühle“

Bearbeiten

Nun ist es endlich soweit: Am 1. Juli 1988 wird die "Historische Heimbachmühle" in Betzweiler wieder eröffnet, den Einheimischen allen unter dem Namen "Untere Mühle" bekannt. Ein sehr altes, unter Denkmalschutz stehendes Gebäude ist mit sachkundiger Hand und zähem Fleiß erneuert worden, Der jetzige Besitzer, Herr Klaus Körber schuf damit ein Schmuckstück unseres Ortes. Wer selbst schon gebaut oder renoviert hat kann ermessen, welch gewaltige Arbeit geleistet werden mußte, um den gegenwärtigen, schon sehr imposanten Zustand des Hauses zu erreichen. Viel ist noch zu tun; möge es ebenso gelingen. Man möchte wünschen, daß viele Gäste aus nah und fern dieses idyllisch gelegene Gasthaus aufsuchen und frohe Stunden dort verbringen werden.

Die „Untere Mühle“, so wird das Anwesen wohl aus Gewohnheit auch jetzt noch öfter genannt werden, ist ein sehr altes Gebäude. Vom früheren Schultheiß Jäckle stammt die nicht näher belegte Kunde, die Mühle sei um das Jahr 1250 entstanden. Damals seien in Betzweiler nur insgesamt 3 Gehöfte gewesen. Das heutige Gasthaus "Zur Sonne“ war einmal vor dessen Ausbau Schafstall der „Unteren Mühle“. Sie scheint zu einer nicht mehr bestimmbaren Zeit abgebrannt zu sein. Bei Abrissarbeiten gefundene verkohlte Balken lassen diesen Schluß zu.

Viele Müllerfamilien wohnten und arbeiteten nacheinander in den stattlichen, auf mächtigen Mauern ruhenden Haus, das bis Anfang unseres Jahrhunderts durch Eisengitter an allen Fenstern gesichert war. Eine Familie Mutschler hat allein 300 Jahre hier gewirtschaftet. Dann setzte eine raschere Besitzerfolge ein. Ein Müllergeschlecht hieß Wöhr, das kurze Zeit die Mühle betrieb. Nachkommen dürften heute noch in der Gemeinde wohnen. Von den Wöhr's wird erzählt, daß sie den schönsten Garten des Ortes hatten.

Es heißt, alle Besitzer seien bei Übernahme der Mühle reich gewesen, seien aber letzten Endes bankrottgegangen. Elitäres Denken und großzügige Lebensführung könnten das Ihre dazu beigetragen haben. Von den Müllersfrauen wird berichtet, sie hätten nicht genügend mitgearbeitet. Das ist schwer verständlich wenn man bedenkt, daß neben dem Mühlenbetrieb auch noch eine stattliche Landwirtschaft zu versorgen war. Zu dem Besitz gehörten in der Anfangszeit 300 Morgen Feld und Wald, bei der endgültigen Stilllegung und dem Verkauf 1968 waren es noch 20 Morgen. Manch ein Müller schien, als ihm das Wasser bis zum Halse stand, in der Auswanderung die einzige Rettung gesehen zu haben (Mutschler). Wir heute mit unserem gesicherten Auskommen können nur schwer verstehen, wie anfällig jedes Unternehmen war, wie jeder auf sich allein gestellt und wie gering die Verdienstmöglichkeit war. Jede Unregelmäßigkeit konnte an den Rand des Ruins führen.

Interessant sind an dieser Stelle vielleicht einige Preise für Waren und Dienstleistungen aus vergangenen Tagen:

  • 1905: 1 Pfund Brotmehl = 12 Pfennige
  • 1933: 1 Pfund Brotmehl = 16 Pfennige
  • 1907: 100 Eier = 6,50 Mark.
  • 1932: 1 Kuh = 140 Mark
  • 1932: Ein Fuhrknecht der Mühle erhielt als Wochenlohn = 10 Mark, manchmal auch nur = 8 Mark
  • 1932: Mahllohn für ein Simmeri Getreide ( 1 Simmeri = Getreidemaß-15 kg) = 30 Pfennige
  • 1927: Das Nähen einer Hose mit Zutaten wie Futter, Knöpfe, Zwirn, Schnalle = 5,05 Mark

Doch waren die Preise, verglichen mit den Löhnen durchaus nicht niedrig. Sparen mußte auch der Begüterte, wollte er seinen Besitz erhalten. Die Tagelöhner jedoch nagten buchstäblich am Hungertuch.

Der letzte Müller auf der „Unteren Mühle“ war Wilhelm Mäder, genannt der „Mühle—Wilhelm“. Wilhelm Mäder stammte von der „Oberen Mühle“ in Betzweiler. Er heiratete 1927 die Witwe Margarete Haug, geb. Lutz und kam durch diese Heirat in den Mitbesitz der „Unteren Mühle“. Der erste Mann der Margarete Haug kam 1924 bei der Arbeit in der Mühle ums Leben. Ein Kleidungsstück verfing sich in der laufenden Transmission und riß den Mann mit sich, so daß er sich tödliche Verletzungen zuzog. 3 Jahre lang führte die Frau den Betrieb allein weiter. Sie stellte einen Müller namens Noll ein und kümmerte sich selbst hauptsächlich um die Landwirtschaft mit dem umfangreichen Viehbestand. Aus ihrer ersten Ehe stammte ein Sohn, aus der Ehe mit Wilhelm Mäder gingen zwei Kinder hervor, ein Sohn und eine Tochter. Diese Tochter lebt heute in Alpirsbach, Die Söhne fielen beide im 2. Weltkrieg innerhalb kurzer Zeit. Die harten Schicksalsschläge scheinen die Frau gebrochen zu haben. Die Ehe zerbrach unter tragischen Umständen.

1945 kam Klara Sannwald in die Mühle und unterstützte den kränkelnden Müller in seinem Betrieb. Sie verrichtete schwerste Männerarbeit, denn die Mahlanlage war ja in keiner Weise automatisiert. Die Getreidesäcke mußten noch von Hand bewegt und aufgeschüttet werden. 1948 heirateten Wilhelm Mäder und Klara Sannwald. Im gleichen Jahr wurde die Mühleneinrichtung modernisiert, so daß doch die kräfteraubendsten Arbeiten entfielen. Ein einfacher Handaufzug, ein Plansichter und eine Förderanlage für Getreide wurden eingebaut. Die rührige Müllerin stellte zusätzlich auch Hafermehl her für Suppe und Brei, das damals von den Ärzten für Magenkranke empfohlen wurde. Überhaupt arbeitete sich die Frau in alle Sparten des Geschäftes ein und mußte auch die technischen Anlagen Instandsetzen und betriebsbereit halten können. So mußte zum Beispiel die Mahlfläche des Mühlsteins von Zeit zu Zeit geschärft mittels eines speziellen Hammers mit Rillen versehen werden, Wilhelm Mäder kümmerte sich um den Betrieb, so gut er konnte, doch aufgrund seines schweren Leidens kannte er keine anstrengenden Arbeiten mehr verrichten.

Die „Untere Mühle“ war eine Kundenmühle, ausschließlich von Wasserkraft getrieben. Sie hatte auch ihre eigene Stromversorgung. Die Bauern der Umgebung brachten das für den eigenen Verbrauch bestimmte Getreide zum Mahlen. In eigener Regie wurde kaum gemahlen. Anfang der 50er Jahre ging das Geschäft deutlich zurück. Mit Beginn der Wohlstandswelle gab es für Hafermehl kaum noch Absatzmöglichkeiten. Auch die Bauern blieben mehr und mehr aus. Sie bevorzugten Mühlen, wo sie ihr Getreide sofort in Mehl eintauschen konnten. Eine erneut notwendige Modernisierung, etwa die Umstellung von Stein- auf Walzmühle scheiterte. Einerseits war ja kein Erbe da, der die Mühle hatte weiterführen können. Andererseits fehlte das Geld, denn zu dieser Zeit waren für den Betrieb drückende Lastenausgleichszahlungen zu entrichten. Land mußte verkauft werden, um die Ablösesumme aufbringen zu können.

1952 stellte die Mühle den Betrieb ganz ein. Um leben zu können, richtete das Ehepaar Mäder 1964 eine kleine „Bäckerei mit Kolonialwarenhandlung“ ein. Zuerst benutzte man den gemauerten Backofen im inzwischen abgerissenen Nebengebäude am Fußweg zur Sommerhalde. Später wurde ein Backofen im Hauptgebäude installiert. Frau Mäder mußte viele Kontrollen von amtlicher Seite über sich ergehen lassen, weil sie das Bäckerhandwerk nicht erlernt hatte, doch nahmen die Kontrolleure immer gern von ihrem guten Brot mit. Bäckerei und Laden bestanden bis 1968. In diesem Jahr wurde der gesamte Besitz an die Gemeinde Betzweiler verkauft. Das Ehepaar Mäder zog in das neu erbaute Haus an der Sommerhalde. Wilhelm Mäder konnte sich aber nicht mehr lange seines schönen Heims erfreuen. Schon im Januar 1969 erlag er seinem Leiden im Alter von 78 Jahren.

1978 erwarb der jetzige Besitzer Klaus Körber das Mühlengebäude und machte sich an die gründliche Renovierung. Dem traditionsreichen Haus mit seinen Bewohnern und Gästen sollen unsere Glückwünsche gelten.

Betzweiler am 15.06.1988 Hilde Huber[1]Betzweiler (Diskussion)


Heutige Nutzung

Bearbeiten

Im Jahr 2015 hat die "Historische Heimbachmühle" in Betzweiler eine zweigeteilte Nutzung. Zum einen werden Zimmer und Wohnungen vermietet. Näheres dazu ist auf www.heimbachmuehle.de zu finden.

Seit dem 1. Juli 2015 ist das Restaurant nach längerem Leerstand auch wieder geöffnet, und zwar als Griechisches Restaurant El Greco. Mehr dazu finden Sie auf www.heimbachmuehle-elgreco.de

Die "Obere Mühle"

Bearbeiten

Es gibt in Betzweiler außerdem auch noch eine "Obere Mühle". In dieser ist im Jahr 2015 ein "Treffpunkt für Menschen zum Erleben und für das Leben" von Karl Heinz Mäder zu finden. Mehr darüber finden Sie auf http://www.obere-muehle-betzweiler.de/

Die "Mittlere Mühle"

Bearbeiten

Wer hätte es gedacht, es gibt bzw. gab in Betzweiler auch noch eine "Mittlere Mühle". Diese ehemalige Ölmühle ist heute allerdings zu einem reinen Wohnhaus umgebaut.

  1. Hilde Huber, Betzweiler