Seherinnen sind bei den germanischen Völkern und Kulturen in der Zeit von der Antike bis zum Hochmittelalter bezeugt. Hierbei unterliegt dem Begriff der „Seherin” eine weite Bedeutungsspanne als Bezeichnung für Priesterinnen, Zauberinnen, Wahrsagerinnen und Prophetinnen.



Dadurch, dass im Einzelfall eine exakte Zuweisung Unschärfen (quellenbedingt) unterliegen kann, gelten kategorisch zum Begriff der „Seherinen“ Frauen mit besonderen Gaben und Fähigkeiten zur Wahrsagung (Mantik)mit religiösen und öffentlichen Funktione


Eine präzise Definition von S. läßt sich kaum vornehmen, doch generell können S. als ein bestimmter Typus von Frauen bezeichnet werden, die in ihrem ges. Umfeld als Trägerinnen besonderer Weissagungsgaben wahrgenommen werden. Eine Kategorie „Seherinnen“ läßt sich allerdings schwer von Frauen mit vergleichbaren relig.-sozialen Funktionen abgrenzen.

Die Frauennamen, *Albruna(?), Velaeda und Ganna, sind als Berufsnamen von Seherinnen zwar religionsgeschichtliche Zeugnisse ersten Ranges, nicht aber Personennamen im eigentlichen Sinn; über das Verhältnis von Religion und Namengebung sagen sie nichts. - Reichert RGAE 5

Von den Kimbern und Teutonen berichtet Strabo (7,2), dass ihr Kriegszug (Kimbernkriege) 120 v. Chr. von bestimmten alten Frauen begleitet worden sei, die aus dem Blut von Gefangenen die Zukunft voraussagten.

Dio Cassius (Historia Romana 55, 1) berichtet vom Feldzug des Drusus in die niederdeutsche Tiefebene (9 v. Chr.), dass diesem der Durchzug bis zur Elbe durch eine körperlich große, oder vom Wesen her übermenschlich wirkende Frau warnend verwehrt wurde, so dass Drusus den Feldzug abbrach.[1]

Tacitus berichtet etwa um 100 n. Chr. in seiner Germania (Cap. 8), dass die Germanen glaubten, den Frauen liege an sich Heiliges und Seherisches inne.[2]

  • Albruna, aus dem handschriftlichen (Tacitus, Germ. 8,2) „Aurinia(m)“ so verbessert (Konjektur), ist „die mit dem Geheimwissen der Alben versehene“. Augenscheinlich hatte sie während der Feldzüge des Drusus und Tiberius einiges Ansehen und erscheint deshalb in den Berichten des Tacitus.[3][4]
  • Veleda, aus dem Stamme der Brukterer stammend, taucht in der Quellen mehrfach auf, und erlangt Berühmtheit, als sie in der Zeit des Bataveraufstandes (69/70 n. Chr.) den Untergang der römischen Truppen vorhersagt. Ihr Name könnte auch nur eine Standesbezeichnung (Seher, weise Frau) sein, entsprechend urkeltisch velet „Seher, Dichter“.[5]
  • Waluburg, eine vermutlich suebische Seherin die in Ägypten in Dienst der Militärverwaltung stand.[6]

Frühmittelalter

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Gregor von Tours VII c. 44 berichtet für das Jahr 585 von einer Frau mit prophetischen Auftreten unter den Franken göttliche Verehrung genoss und von diesen mit Geschenken "überhäuft" wurde. Deren Wirken konnte der zuständige Bischof von Verdun , Freminus, nur entgegensetzen, dass es sich um eine von Dämonen besessene Person handelt, jedoch wirkungslos in seinem Bemühen war den Kult auszutreiben.


und die in den fuldischen Annalen (MG.1 365) für das Jahr 847 bezeugte Thiota aus Alamannien.[7]

(Karl Hauck) IK 391 Gudme-B (Taf. 4 und Abb. 6) mit einer frontal wiedergegebenen Frauen-Gestalt mit vollen Brüsten196. In ihrer Rechten hält sie einen Stab, der auf ihre Rolle als Seherin hinweist. In ihrer Linken ist ein Handkreuz zu erkennen. Ungeachtet der religionsgeographischen Teilung Europas wird es synkretistisch als erfolgreiches Abwehrmittel gegen alle dämonischen und andere Lebensbedrohungen verwendet. Die Bild-Gestalt läßt sich als Balders Mutter Frigg identifizieren.RGA-E 5 S. 336.

Literarische Figuren

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Andere Seherinnen sind die in der Ursprungssage (Origo gentis) der Langobarden genannte Gambara

Eine literarisch-fiktionale Rezeption einer paganen Seherin findet sich in der Figur der Þórbjörg lítilvölva aus der altwestnordischen Sagaliteratur in der Eiríks saga rauða. In der Darstellung werden alte überkommene heidnische Inhalte reflektiert.

Literatur

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Quellen

  • Walter Baetke: Die Religion der Germanen in Quellenzeugnissen. 3.Auflage. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt am Main 1944.
  • Wilhelm Capelle: Das Alte Germanien. Eugen Diedrichs, Jena 1936.
  • Franz Rolf Schröder: Quellenbuch zur Germanischen Religionsgeschichte. Verlag De Gruyter, Berlin und Leipzig 1933.
  • P. Cornelius Tacitus: Libri qui supersunt Tom. II Fasc. 2. De origine et situ Germanorum liber. Alf Önnerfors (Bearbeiter und Herausgeber). B. G. Teubner, Stuttgart 1983. ISBN 3-519-01838-1.
  • Cornelius Tacitus: Germania. Tusculum Studienausgabe Lateinisch – Deutsch, Alfons Städele (Hrsg.). Artemis & Winkler, Düsseldorf 1998. ISBN 3-7608-1353-4.

Forschung

  • Dagmar Beate Baltrusch: Und was sagt Thusnelda? Zu Macht und Einfluß germanischer Frauen. In: Ernst Baltrusch, Morten Hegewisch, Michael Meyer, Uwe Puschner, Christian Wendt (Hrsg.): 2000 Jahre Varusschlacht. Geschichte - Archäologie - Legenden. de Gruyter, Berlin/Boston 2012, ISBN 978-3-11-028251-1, S. 71–94. (Topoi. Berlin Studies of the Ancient World, 7)
  • Reinhold Bruder: Die germanische Frau im Lichte der Runeninschriften und der antiken Historiographie. In: Stefan Sonderegger (Hrsg.): Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, Neue Folge Bd. 57 (181), Verlag De Gruyter, Berlin – New York 1974, ISBN 3-11-004152-9.
  • Ånders Hultgard: Seherinnen. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 28. Verlag De Gruyter, Berlin – New York 2005, ISBN 3-11-018207-6, S. 113–121.
  • Rudolf Much: Die Germania des Tacius. 3. Auflage. (Hrsg.) Wolfgang Lange unter Mitarbeit durch Herbert Jankuhn und Hans Fromm. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 1967.
  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Kröner Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36802-1, S. 367–369.
  • Jiří Starý: Induktive, intuitive und inspirierte Mantik in klassischen und altnordischen Quellen der germanischen Religion. In: Wilhelm Heizmann, Klaus Böldl, Heinrich Beck (Hrsg.) Analecta Septentrionalia – Beiträge zur nordgermanischen Kultur- und Literaturgeschichte (Festschrift für Kurt Schier), de Gruyter, Berlin/New York 2009, ISBN 978-3-11-021870-1, S. 607–645. (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde – Ergänzungsbände 65)
  • Sabine Tausend: Germanische Seherinnen In: Klaus Tausend: Im Inneren Germaniens – Beziehungen zwischen den germanischen Stämmen vom 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. In: Geographica Historica, Bd. 25. Verlag Franz Steiner, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-09416-0, S. 155–174.
  • Hans Volkmann: Germanische Seherinen in römischen Diensten. (= Kölner Universitätsreden; 32). Scherpe Verlag, Krefeld 1964.

Anmerkungen

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  1. Klaus-Peter Johne: Die Römer an der Elbe. Das Stromgebiet der Elbe im geographischen Weltbild und im politischen Bewusstsein der griechisch-römischen Antike. De Gruyter, Berlin u.a. 2014, ISBN 978-3-05-007739-0, S. 98–102 (online – kostenpflichtiger Zugang).
  2. Simek: S. 367 f.
  3. Much: S. 169 f.
  4. Simek: S. 11.
  5. Simek: S. 463.
  6. Simek: S. 485.
  7. Much: S. 170.