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Helene Wastl (* 03.05. 1896 in Wien, Österreich, + 16. oder 17. 7. 1948 in Philadelphia, USA) war eine österreichische Medizinerin und zählt zu den Pionierinnen der medizinischen Wissenschaften, die sich als eine der ersten Frauen das Studium der Medizin, eine wissenschaftliche Karriere und internationale Mobilität erschlossen hat.

Kindheit Helene Wastl wird am 3. Mai 1896 in Wien geboren. Über ihren Vater, Peter Wastl, ist bekannt, dass er Ingenieur der k. k. Staatsbahnen und später Oberstaatsbahnrat war. 1904 zieht die ursprünglich aus Kärnten stammende Familie Wastl nach Innsbruck um. Helene besucht im Anschluss an die Volksschule von 1907 bis 1911 das Mädchen-Lyzeum der »Frauen Ursulinen« in Innsbruck. Ab 1912 oder 1913 ist sie Privatistin am k. k. Staatsgymnasium in Innsbruck. 1913 stirbt ihr Vater. Am 6. Juni 1916 besteht sie die Matura (= Abitur) mit Auszeichnung, und mit dem Wintersemester 1916/1917 beginnt sie – als eine von insgesamt elf jungen Frauen – an der medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck Medizin zu studieren. Das Kolleggeld wird ihr von der Universität anfangs zur Hälfte, später sogar gänzlich erlassen; dass sie Halbwaise war, wird als Ursache dafür angenommen.

Medizinstudium als eine von elf Frauen Bereits ab dem dritten Semester erlangt sie eine Anstellung als "Demonstrator" am Institut für Physiologie unter Ernst Theodor Brücke (1880-1941). Auch die letzten beiden Studiensemester, 1921/22, ist sie als Hilfsassistentin an diesem Institut beschäftigt. Gemeinsam mit Brücke entstand Wastls erste wissenschaftliche Arbeit. Der angesehene Physiologe war 1916 nach Innsbruck berufen worden und machte das physiologische Institut zu einer international renommierten Forschungsstätte. Wie bereits im Gymnasium zeigt Helene Wastl auch an der Universität außergewöhnliche Leistungen: Alle drei medizinischen Rigorosen legt sie mit dem Hauptkalkül "ausgezeichnet" ab. Am 11. Februar 1922 wird sie als zweite Inländerin an der medizinischen Fakultät Innsbruck zum Dr.med. promoviert. Vor Helene Wastl hatten in Innsbruck nur fünf Frauen in Medizin promoviert: bis 1918 vier Ausländerinnen, die erste Wilhelmine Schönthaler aus Njmwegen in Holland, wobei es sich genau genommen um die Nostrifikation eines ausländischen Doktorgrades handelte. Nach der Promotion wechselt Wastl ans Institut für Physiologie der medizinischen Fakultät Wien und ist ab April 1922 Außerordentliche Assistentin bei dem Physiologen Arnold Durig (1872-1961), der sie als eine außergewöhnlich fähige Wissenschaftlerin schätzt. Durig überträgt ihr die Vorlesungen in »Physiologie für Turnlehrer«. Durch ein Stipendium forscht Helene Wastl 1924 und 1925 am physiologischen Institut der Universität Cambridge (England) bei den Professoren Langley und Barcroft.

Erste habilitierte Medizinerin Am 24. April 1928 beantragt Helene Wastl die Verleihung der Lehrbefugnis (Venia Legendi) für Physiologie. Sie legt dafür ihre Habilitationsschrift »Über die Wirkung des Adrenalins und einiger anderer Inkrete auf die Kontraktionen des Warmblütler-Skelettmuskels« sowie mehr als vierzig weitere wissenschaftliche Abhandlungen vor (z.B. über physikalische und chemische Eigenschaften des Blutes, über Ernährungsfragen und das Thema Reizphysiologie). Bezeichnend für die ungewöhnliche Situation, dass eine Frau um die Lehrbefugnis ersucht, ist der (im Vergleich zu männlichen Wissenschaftlern) lange Entscheidungszeitraum: Erst am 22. Januar 1930 wird über das Gesuch entschieden. Durig würdigt Wastls Arbeit und ihre pädagogischen Fähigkeiten, während Koreferent Roland Grassberger (1867-1956), Vorstand des hygienischen Instituts, zwar die Gründlichkeit der Arbeit lobt, aber die Form der Darstellung (»nicht streng kritisch« – also wohl zu populärwissenschaftlich formuliert) kritisiert. Das Professorenkollegium beschließt mit 21 Ja- und drei Neinstimmen die Verleihung der Lehrbefugnis. Am 4. Februar 1930 bestätigt das Unterrichtsministerium die Entscheidung – damit ist Wastl die erste habilitierte Medizinerin in der Geschichte der Universität Wien.

Internationale wissenschatliche Stationen 1930 folgt eine weitere Studienreise nach England, und im Sommersemester 1931 bereist Wastl im Auftrag der Hygiene-Sektion des Völkerbundes verschiedene europäische Länder und führt Volksernährungsstudien durch. Von September 1931 an lehrt Wastl in den USA: Sie leitet den Lehrstuhl für Physiologie am Women's Medical College of Pennsylvania (Philadelphia). Der Vertrag ist ursprünglich auf ein Jahr befristet, wird aber immer wieder um ein Jahr verlängert. 1932 kündigt Helene Wastl wegen ihrer Tätigkeit in Amerika die Assistentenstelle am Wiener physiologischen Institut und lässt sich von ihrer Vorlesungspflicht als Privatdozentin bis 1936 freistellen. Im Juli 1932 hält sich Wastl noch einmal in Wien auf: Am 9. Juli heiratet sie ihren langjährigen Kollegen, den Physiologen Franz Lippay (1897-1965), behält jedoch weiterhin ihren Mädchennamen. Helene Wastl reist anschließend zurück in die USA, ihr Ehemann Franz Lippay, von dem sie 1935 wieder geschieden wird, emigriert 1938 von Wien nach Australien. Ab Januar 1934, nach einem Reitunfall, ist Helene Wastl ab Januar 1934 für längere Zeit arbeitsunfähig, und da eine vollständige Gesundung unsicher scheint, wird ihr Lehrauftrag am College nicht verlängert. Sie geht an das Department of Physiology and Biochemistry an der Cornell University (Ithaca, NY) und forscht dort als »Resident Doctor«. Jedoch wird der Vertrag 1935/36 nicht verlängert. Da anschließend auf ihrem Meldenachweis Saratow (Sowjetunion) als Aufenthaltsort angegeben ist, wird vermutet, dass sie am dortigen Medizinischen Institut tätig gewesen sein könnte. Ab 1938 ist Helene Wastl am Hahnemann Medical College (Philadelphia) als »Research Associate« in Pharmakologie, später in Anatomie angestellt und veröffentlicht eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, einige gemeinsam mit dem Professor für Homöopathie Garth Boericke.

Ausbürgerung und Lebensende 1943 wird sie aus Österreich ausgebürgert, 1944 erkennt ihr die Universität Wien wegen dieser Ausbürgerung Doktortitel und Lehrbefugnis ab. In den 1940er Jahren verliert sich Wastls Spur in den USA. Laut dem Österreichisches Biographischen Lexikon verstarb Helene Wastl am 16. oder 17. 7. 1948 in Philadelphia, USA.

Rezeption und Aufarbeitung Im Zuge verschiedenster Aufarbeitungsinitiativen – sowohl über den Zugang von Frauen an Universitäten als auch über die Vertreibung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während der NS-Zeit – konnten viele Stationen über das Leben sowie das Schaffen von Helene Wastl in der Medizin erörtert und rekonstruiert werden. Jedoch ist diese Rekonstruktion noch nicht abgeschlossen. So wird derzeit auch versucht, die letzten Lebensjahre Helene Wastls zu erhellen.

Für die Universität Wien ist der Umgang mit seiner ersten habilitierten Medizinerin kein Ruhmesblatt: Erst 1960, als die Cornell University beantragte, Helene Wastl Doktortitel und Habilitation wieder zu verleihen, beschäftigte sich die Universität mit ihrem Schicksal – mit dem Ergebnis, dass eine Wiederverleihung auf Grund ihres Todes nicht mehr erfolgen könne.

In Würdigung der Leistungen Helene Wastls wurde an der Medizinischen Universität Innsbruck ein Frauen-Mentoring-Programm nach ihr. Das Das Helene Wastl Medizin Mentoring-Programm ist ein medizinspezifisches Mentoring-Programm mit Fokus auf Ärztinnen und Nachwuchs-Wissenschafterinnen in Übergangs- und Entscheidungssituationen ihres Karriereverlaufs bzw. bei der Karriereplanung.