Antonín Bennewitz

böhmischer Geiger, Dirigent und Violinpädagoge
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Antonín Bennewitz, auch Anton Bennewitz (* 26. März 1833 in Přívrat, Böhmen; † 29. Mai 1926 in Doksy, Tschechoslowakei) war ein böhmischer Geiger, Dirigent und Musikpädagoge, der in der Tradition jener Violinvirtuosen stand, die mit Giovanni Battista Viotti begann und sich später bis Jan Kubelík und Wolfgang Schneiderhan fortsetzte.[1]

Antonín Bennewitz (1920)

Leben und Wirken Bearbeiten

Zwar soll Bennewitz in die Geburtsmatrikel als Antonín Benevic eingetragen worden sein, doch findet sich sein Familienname auch in der tschechischen Literatur generell in der deutschen Form Bennewitz, denn väterlicherseits war er preußischer Herkunft.[2] Schon sein Berliner Großvater war in die Dienste der böhmischen Grafen Waldstein oder Wallenstein[3] getreten, und Bennewitz wurde als drittes Kind des Gräflich Waldsteinschen Forstverwalters im Forsthaus von Přívrat geboren, seine tschechische Mutter war die Tochter des Schlossdirektors Keppert auf Schloss Litomyšl.[3]

Nach dem Besuch des Piaristen-Gymnasiums in Leitomischl studierte er von 1846 bis 1852 am Prager Konservatorium Violine bei Moritz Mildner (1812–1865), war dann als Erster Geiger am Prager Ständetheater („Stavovské divadlo“), das durch die Uraufführung zweier Mozart-Opern in die Musikgeschichte eingegangen ist, und anschließend als Konzertmeister in Salzburg und in Stuttgart engagiert.[4] 1859 konzertierte er in Paris and Brüssel.[4] Auch sein Mitwirken an der verunglückten Uraufführung von Smetanas Klaviertrio in G, op. 153 im Dezember 1855 in Prag mit dem Cellisten Johann August Julius Goltermann[5] und mit Smetana selbst am Klavier fiel in diese Periode.[6] Mit Goltermann hatte er bereits ein Jahr zuvor in einer Matinee von Smetanas Musikschule mit der begabtesten Schülerin Smetanas, der elfjährigen Augusta Kolářova, ein Trio gebildet und Beethovens Klaviertrio G-Dur (op. 1 Nr. 2) gespielt.[7] Diesem Mädchen, einer Cousine von Smetanas Frau, war später unter dem Namen Auguste Auspitz-Kolár (1843–1878) eine brillante Karriere beschieden.[8]

1866 erhielt Bennewitz eine Professur für Violine am Prager Konservatorium. 1876 folgte er Mildner als Erste Geige in Friedrich Wilhelm Pixis’ Streichquartett nach, das später als Bennewitz Quartett sehr bekannt wurde. 1882 wurde ihm die Direktion des Prager Konservatoriums übertragen, die er, obwohl er sich bereits 1895 pensionieren lassen wollte,[3] bis 1901 innehatte und in welcher Funktion ihm später Antonín Dvořák nachfolgte. Unter der Leitung von Bennewitz erlebte sein Institut sein „goldenes Zeitalter“.[9] Selbst gemischter deutsch-tschechischer Herkunft, wirkte er im aufgeflammten Nationalitätenstreit als Mittler, schätzte seine tschechischen Studenten nicht geringer als jene deutscher Nationalität, sorgte durch die Einführung auch tschechischsprachigen Unterrichts für Chancengleichheit in den musiktheoretischen Fächern, hielt Ausschau nach musikalischen Begabungen auch unter der tschechischen Bevölkerung, kämpfte für die Bereitstellung öffentlicher Mittel für hochbegabte, aber wenig bemittelte Studenten.

 
Programm des Festkonzerts anlässlich der Einweihung des Prager Rudolfinums 1885.
Dirigat „A. Bennewitz“

In seine Direktionsperiode fiel die Eröffnung des Rudolfinums, was seinem Bestreben, auch tschechische Musiker zu fördern, sehr entgegenkam. Er brachte zahlreiche ihrer Werke auf die Programme der Konservatoriumskonzerte, dirigierte solche Werke auch gerne selbst[3] und war auch einer der Gründer des Prager Kammermusikvereins, dessen nationale Ideale Smetana zu seinem 1. Streichquartett in e-Moll „Aus meinem Leben“ anregten.[10]

Bennewitzs Schüler bewirkten den Weltruhm der Prager Violinschule. Dazu gehörten František Ondříček, der Dvořáks Violinkonzert zur Uraufführung brachte, und Karel Halíř, dem Sibelius die Uraufführung der revidierten Fassung seines Violinkonzerts anvertraute, der Komponist und Musikpädagoge Hans (Hanuš) Sitt,[11] Jiří Herold[12] (1875–1934), der Geiger Johann (Hans) Gerstner (1851–1939), drei Mitglieder des Böhmischen, bzw. später Tschechischen Streichquartetts[13] – die beiden Geiger Karl Hoffmann (1872–1936) and Josef Suk sowie als Bratschist der Komponist und Dirigent Oskar Nedbal – aber auch Otakar Ševčík ebenso wie Franz Lehár, der schon mit zwölf Jahren Schüler des Prager Konservatoriums mit dem Hauptfach Violine bei Antonín Bennewitz war,[14] dem jedoch Dvořák anriet, sich eher auf das Komponieren zu konzentrieren.

Im Februar 1895 dirigierte Bennewitz mit großem Erfolg die erste vollständige Aufführung von Josef Suks Streicherserenade in Es op. 6 mit dem Prager Konservatoriumsorchester, nachdem bereits zwei Sätze unter Suk selbst bereits 14 Monate zuvor zu hören gewesen waren.[15] Im Juni 1896 brachte Bennewitz ebenfalls mit dem Konservatoriumsorchester in halböffentlichen Konzerten Dvořáks "Symphonische Gedichte" Die Mittagshexe, Der Wassermann und Das Goldene Spinnrad zur Uraufführung.[16][17]

1901 ging Bennewitz nach 35 Jahren Tätigkeit am Prager Konservatorium in den Ruhestand. Das Sitzungsprotokoll der 7. Sitzung des böhmischen Landtags vom 26. Juni 1902 vermeldet unter Zahl 96: „Bericht des Landesausschusses über das Gesuch des Vorstandes des Vereines zur Förderung der Tonkunst in Böhmen um Gewährung einer besonderen Subvention zur Bedeckung der Pension für den Direktor des Prager Konservatoriums Anton Bennewitz“.[18]

Nach der Pensionierung zog sich der fast Siebzigjährige mit seiner Frau Emilie, geb. Miková, einer Opernsängerin, die einst die erste Milada in Smetanas Dalibor gewesen war, nach Nordböhmen zurück, wo er bis zum Lebensende blieb.[19]

Würdigung Bearbeiten

1998 wurde in Prag zu Ehren von Antonín Bennewitz ein neues Bennewitz Quartett gegründet mit Jiří Němeček und Štěpán Ježek, Violinen, Jiří Pinkas, Viola, und Štěpán Deležal, Violoncello,[20] die Musikschule in Česká Třebová wurde nach ihm benannt, an seinem 1875 abgebrannten, jedoch mittlerweile wieder errichteten Geburtshaus wurde 1959 eine Gedenktafel angebracht und im Ort im April 2008 feierlich ein Denkmal für den Konservatoriumsprofessor Bennewitz enthüllt.[3][21] Sein Name wird auch durch das 1999 ins Leben gerufene Internationale Musikfestival Antonín Bennewitz in Třebová[22] mit einem Konzert in seinem dörflichen Geburtsort lebendig erhalten.[3]

Literatur Bearbeiten

  • Stanley Sadie (Hrsg.): Grove’s Dictionary of Music and Musicians,(The New Grove). 2. Auflage. Macmillan, London 2001, ISBN 0-333-60800-3.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Antonín Bennewitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Minori Nakaune: Otakar Ševčík: The Enduring Legacy. (Memento vom 22. Juli 2011 im Internet Archive) (PDF; 73 kB, englisch)
  2. Auch die deutsche Form seines Vornamens wird mitunter selbst in tschechischen Quellen verwendet, vgl.: „Ve dvanácti letech pak Franz přišel na pražskou konzervatoř. Jeho učiteli nebyli nikdo menší než Anton Bennewitz a Josef Förster. Skladbu studoval soukromě u Zdeňka Fibicha a jeho vzorem byl Antonín Dvořák“ Městské divadlo Brno/Brünner Stadttheater (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)
  3. a b c d e f Přívrat, Ortschronik: „Antonín Josef Václav Bennewitz“ (tschechisch; Google-Translation)
  4. a b Gracián Černušák u. a. (Hrsg.): Československý hudební slovník. Band 1: A-L. Státní hudební vydavatelství, Prague 1963, S. 83.
  5. Goltermann wird meistens als Julius Goltermann, manchmal aber auch als August Goltermann (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 98 kB), oder wie von Wilhelm Josef von Wasielewski als Johann August Goltermann (Memento vom 13. Februar 2015 im Internet Archive) angeführt
  6. Sierra Chamber Society Program Notes (Memento vom 26. Februar 2009 im Internet Archive) (englisch)
  7. Altenberg Trio, 3. Absatz (Memento vom 17. November 2016 im Internet Archive), vom 21. Oktober 2008.
  8. MUGI Musik und Gender im Internet (Memento vom 27. Juni 2009 im Internet Archive)
  9. Prager Konservatorium, Homepage: Kurze Geschichte des Prager Konservatoriums
  10. M1 Robin Stowell: The Cambridge Companion to the String Quartet
  11. Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖLB) 1815–1950, (PDF; 63 kB) Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 12 Bände, Wien 2003–2009, ISBN 978-3-7001-3213-4 Band 12, Online-Edition
  12. ÖBL, S. 289. (PDF; 185 kB)
  13. Hanus Wihan. In: cellist.nl. Archiviert vom Original; abgerufen am 26. April 2022 (englisch).
  14. Lehár, Familie Anton. In: musiklexikon.ac.at. Institut für kunst-und musikhistorische Forschungen, 2002, abgerufen am 26. April 2022.
  15. Answers - Serenade for strings in e flat. In: answers.com. Abgerufen am 26. April 2022 (englisch).
  16. Chandos program notes. Archiviert vom Original; abgerufen am 8. März 2021 (englisch).
  17. Prager Symphonieorchester: Dvořák, Korngold, Janáček (Memento vom 25. September 2008 im Internet Archive)
  18. Der Traum des Königreichs Böhmen 1901–1907. Digitale tschechische und slowakische Parlamentsbibliothek, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 8. März 2021.@1@2Vorlage:Toter Link/www.psp.cz (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  19. Jitka Melšová: Ústecké Kalendárium (Memento vom 13. Februar 2015 im Internet Archive)
  20. Bennewitz Quartet: Repertoire Übersicht (Memento vom 13. Oktober 2012 im Internet Archive)
  21. Přívrat: Ein Denkmal für A. Bennewitz (Memento vom 1. Januar 2009 im Internet Archive)
  22. Hudební festival Antonína Bennewitze (Memento vom 17. Oktober 2009 im Internet Archive)