Andreas Stiborius

deutscher Astronom und Mathematiker

Andreas Stiborius (Boius) eigentlich Andreas Stöberl (* um 1464 in Pleiskirchen bei Altötting[1]; † 3. September 1515 in Wien[2]) war ein deutsch-österreichischer Astronom, Mathematiker und Theologe.

Stiborius studierte ab 1479 in Ingolstadt, wo er 1484 Magister wurde. Ab 1497 wirkte er in Wien,[3] wo er Prior des Herzogskollegs war. Er gehörte zur von Conrad Celtis begründeten Donaugesellschaft, einem Kreis humanistischer Gelehrter. 1502 erhielt er, neben Johannes Stabius, einen der beiden am Collegium poetarum et mathematicorum neu eingerichteten mathematischen Lehrstühle.[4]

Mit Georg Tannstetter war er in die Bemühungen um eine Kalenderreform involviert. Sie verfassten gemeinsam ein Gutachten, das Maximilians I. – auf Wunsch von Papst Leo X. – von der Universität Wien anforderte. In diesem Ende 1514 fertiggestellten und bald darauf gedruckten Gutachten schlugen sie vor, in je 134 Tagen einen Schalttag auszulassen.[5] Für eine Edition astronomischer Tabellen (Tabulae Eclypsium ..., Wien 1514)[6] schrieb Stiborius zwei Vorreden. Der Herausgeber war jedoch Georg Tannstetter, nicht – wie in der Fachliteratur wiederholt irrtümlich angegeben – Stiborius.[7] Tannstetter widmet im Jahr 1514 seinem – damals noch lebenden – Lehrer einen langen Abschnitt in seiner Darstellung der Wiener Mathematiker und Astronomen Viri Mathematici.[8] Zuerst nennt Tannstetter die Titel von 16 von Stiborius verfassten wissenschaftlichen Werken – eine bemerkenswerte Anzahl vor allem angesichts dessen, dass von Stiborius nur wenige gedruckte Bücher erhalten sind. Danach führt er alle im Besitz von Stiborius befindlichen – wohl teilweise handschriftlichen – Bücher an und gibt damit einen Eindruck von einer damaligen Gelehrtenbibliothek. Die Bücher werden thematisch aufgelistet: Mehr als 20 Bücher über Astronomie, je ca. 10 über Perspektive, Geometrie und Arithmetik, und je ca. 5 über Metaphysik und Magie.

Stiborius wurde 1503 Domherr in St. Stephan. Bis zu seinem Tod 1515 war er Pfarrer in Stockerau (bei Wien), wo er auch begraben wurde.

Der Mondkrater Stiborius ist nach ihm benannt.

  • (Herausgeber:) Robert Grosseteste: Libellus Linconiensis de physicis lineis, angulis et figuris. Nürnberg 1503 zum Digitalisat
  • Super requisitione S. Leonis P. X. et D. Maximiliani Imp. … de romani Calendarii correctione consilium. Wien, wahrscheinlich 1515
  • „Wiener Artistenregister“ 1497 bis 1555, Archiv der Universität Wien, Wien 2007, PDF

Literatur

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  • Joseph Aschbach: Geschichte der Wiener Universität, Bd. 2: Die Wiener Universität und die Humanisten im Zeitalter des Kaisers Maximilian I. Wien 1877, S. 374–376.
  • Helmuth Grössing: Stiborius, Andreas. In: Killy Literaturlexikon, 1993, Bd. 11, S. 196.
  • Siegmund GüntherStiborius, Andreas. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 162 f.
  • Anton Maria Kobolt: Bairisches Gelehrtenlexikon. Landshut 1795, S. 669 ff.
  • Christoph Schöner: Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert, Ludovico Maximilianea. Forschungen; Vol. 13, Berlin : Duncker und Humblot, 1994. ISBN 3-428-08118-8.

Einzelnachweise

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  1. Bauch, Gustav: Die Anfänge des Humanismus in Ingolstadt, Verlag R. Oldenbourg, München und Leipzig, 1901, S. 106f.; gibt als Quelle für Stöberls Geburtsort das Universitätsarchiv München, O I, Fasc. 2, Jahr 1484.
  2. Die Rheinische Nationen-Matrikel sagt: „Mag. Andreas Stiborius Canon. Vienn. et plebanus in Stockerau, famigeratus Mathematicus, profundus theologus, vir multigenae eruditionis, obiit Viennae 3. die Sept. anno 1515 et sepultus in Stockerau.“ Zitiert nach Aschbach: Geschichte der Wiener Universität, Bd. 2, 1877, S. 376.
  3. Nach Boehm: Stiborius, Andreas. In: Walther Killy: Deutsche Biographische Enzyklopädie. Bd. 9, 1998, war Stiborius aber schon von 1489 bis 1496 Leiter der sogenannten Lilienburse, einer Wiener Stipendienstiftung für Scholaren aus Württemberg und Schwaben.
  4. Das ist dem von Tannstetter verfassten Geschichtsbericht zu entnehmen: „Viri Mathematici“.
  5. Siehe Franz Graf-Stuhlhofer: Humanismus zwischen Hof und Universität. Georg Tannstetter (Collimitius) und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des frühen 16. Jahrhunderts. Wien 1996, S. 125–128.
  6. Die Finsternistabellen von Georg von Peuerbach sowie die Tabellen „primi mobilis“ von Regiomontanus.
  7. Begründung für die Zuschreibung an Tannstetter bei Graf-Stuhlhofer: Humanismus zwischen Hof und Universität. 1996, S. 91–93 und Abb. 14.
  8. Lateinisches Original und deutsche Übersetzung bei Graf-Stuhlhofer: Humanismus zwischen Hof und Universität. 1996, S. 156–171, über Stiborius S. 166–168.