Amour Fou (1969)

Film von Jacques Rivette (1969)

Amour Fou (Originaltitel: L’Amour fou) ist ein französischer Spielfilm aus dem Jahre 1969 von Jacques Rivette. In den Hauptrollen spielen Bulle Ogier und Jean-Pierre Kalfon. Die deutsche Erstaufführung des Films fand am 16. Mai 1970 im WDR-Fernsehen statt.[1]

Film
Titel Amour Fou
Originaltitel L’Amour fou
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 1969
Länge 252 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Jacques Rivette
Drehbuch Jacques Rivette
Marilù Parolini
Produktion Georges de Beauregard
Musik Jean-Claude Eloy
Kamera Alain Levent (35 mm)
Étienne Becker (16 mm)
Schnitt Nicole Lubtchansky
Besetzung

Während der Proben zu Andromache von Racine kommt es zu Spannungen zwischen Hauptdarstellerin Claire und Regisseur Sébastien, die miteinander verheiratet sind. Der Film konzentriert sich auf einen langen Kreislauf der Selbstzerstörung in deren Beziehung. Dabei übertragen auch die anderen Schauspieler ihre Rollen aus Racines Stück in ihr tägliches Leben.

Handlung

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Die Handlung des Films spielt in einem Zeitraum von knapp drei Wochen. In einer Art Dokumentarfilm schildert er die täglichen Begebenheit bei den Proben, aber auch in den Pausen, bei privaten Gesprächen, in den Hotelzimmern oder der Freizeit. Manche Tage werden durch einen Zwischentitel identifiziert, in den meisten Fällen trennen nur ein paar Sekunden Schwarzfilm einen Tag vom darauffolgenden. Die erste Tagesangabe ist „lundi 14“ (also „Montag, der 14.“ – ohne Monat und Jahr), die letzte „vendredi 1“ (also „Freitag, der 1.“ – des Folgemonats). Dieser gesamte chronologische Ablauf bildet eine einzige lange Rückblende.[2] So beginnt der Film vor dem ersten Zwischentitel, mit drei kurzen Ausschnitten aus Szenen, die unmittelbar vor dem Schluss spielen: Die vom Premierenpublikum spärlich besetzten Reihen rund um die Bühne und die Schauspieler, in der Garderobe, in ihren Kostümen; Claire, am Fenster eines fahrenden Zuges; Sébastien, in der verwüsteten Wohnung, der Claires Stimme auf einer Tonbandaufnahme anhört.[3]

Hintergrund

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Die Dreharbeiten von Amour Fou fanden im Juli und August 1967 statt.[4] Drehort der Theaterproben war der Innenraum des Palais des Sports in Neuilly. Die Szenen in der Wohnung von Sébastien und Claire wurden in einem Appartement in der Pariser Rue de Turbigo gedreht.[5] Standfotograf des Films war Pierre Zucca.

Die Proben der Theatergruppe wurden von einem Fernsehteam aufgenommen, dessen Leiter und dessen Kameramann sich immer in unmittelbarer Nähe der Schauspieler auf der Bühne aufhalten. Einerseits werden sie, dadurch dass sie selbst bei ihrer Arbeit zu sehen sind, zu Darstellern des Films, andererseits sind Aufnahmen des Fernseh-Kameramanns, gedreht im 16-mm-Format, sowie auch Interviews des Fernseh-Regisseurs mit Schauspielern in den Film montiert.[6] Das TV-Team, das die Probenarbeiten mit 16-mm-Filmaufnahmen dokumentiert und dessen Regisseur von André S. Labarthe dargestellt wird, arbeitet für eine fiktive Fernsehreihe mit dem Namen „Théâtre de notre temps“ (Theater unserer Zeit). Tatsächlich hatte Labarthe – gemeinsam mit Janine Bazin – Mitte der 1960er Jahre die reale Fernsehreihe „Cinéastes de notre temps“ (Cinéasten unserer Zeit) ins Leben gerufen.[7]

Drei der Darsteller – Jean-Pierre Kalfon, Michèle Moretti und Bulle Ogier – kannten sich vor den Dreharbeiten bereits aus der Theatergruppe von Marc’O.[8]

Bei den 76. Internationalen Filmfestspielen von Cannes wurde die Reihe „Cannes Classics“ am 16. Mai 2023 mit einer im 4K-Format restaurierten Version von Rivettes Amour Fou eröffnet.[9][10]

Filmfiguren und ihre Rollen in Andromache

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Sébastien → Pyrrhus (und Regisseur)
Marta → Hermione
Célia → Andromache
Françoise → Cleone
Madly → Cephisa
Yves → Orest
Dennis → Pylades
Michel → Phoenix
(sowie Michèle → Regie-Assistentin)

Das Lexikon des internationalen Films schrieb: „In langen, oft ungeschnittenen Bildfolgen beobachtet die Kamera die Auseinandersetzungen des zerstrittenen Paares, die von Bildern einer Theaterprobe zu Racines 'Andromaque' unterbrochen und kommentiert werden. Aus dem Geflecht aus Fiktion und Wirklichkeit ergibt sich in diesem improvisierten Film ein sehr intimes, sehr intelligentes Journal über die Beziehungen zwischen Kunst und Leben.“[1]

Evangelischer Filmbeobachter nannte das Werk einen „Film über die Wechselbeziehung zwischen einem künstlerischen Entstehungsprozeß und dem gleichzeitigen Auseinanderfallen einer Ehe. Trotz einiger Schwächen ein differenziert-interessantes Seelen-Panorama.“[11]

viennale.at beurteilte den Film als: „komplex-verschachtelte Liebesgeschichte eines jungen Paares: Sébastien ist Theaterregisseur, seine Frau Claire Schauspielerin. Claire löst sich vom Ensemble, verliert sich im Ennui und wird eifersüchtig auf die Arbeit ihres Mannes. Zunehmende Verzweiflung und eskalierende Hassliebe münden in ein Schauspiel der Selbstzerstörung. Buchstäblich, denn die Auseinandersetzungen der beiden werden immer wieder kommentierend unterbrochen von Bildern einer Theaterprobe von Racines Andromaque – über die wiederum ein Team des französischen Fernsehens einen Dokumentarbericht dreht. Ein so intimes wie intellektuelles Journal über die Beziehungen zwischen Kunst und Leben.“[12]

Literatur

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  • Jan Paaz und Sabine Bubeck (Hrsg.): Jacques Rivette – Labyrinthe. Centre d’Information Cinématographique de Munich, Revue CICIM 33 vom Juni 1991. ISBN 3-920727-04-5; darin S. 48–54: Inhaltsbeschreibung, Auszüge aus einem Gespräch mit Rivette aus Le Monde vom 1. Oktober 1968, Abbildungen.
  • Maurice Bessy, Raymond Chirat, André Bernard: Histoire du cinéma français. Encyclopédie des films 1966–1970. (mit Fotos zu jedem Film) Éditions Pygmalion, Paris 1992, ISBN 2-85704-379-1, S. 179.
  • Gespräch von Jacques Aumont, Jean Louis Comolli, Jean Narboni, Sylvie Pierre mit Rivette; ursprünglich erschienen in Cahiers du cinéma vom September 1968; deutsche Übersetzung in: Das Kino des Jacques Rivette, Eine Retrospektive der VIENNALE und des Österreichischen Filmmuseums, Viennale, Wien 2002, ISBN 978-3-901770-10-4, S. 18–35.
  • Mary M. Wiles: Jacques Rivette (in der Reihe Contemporary Film Directors), University of Illinois Press, 2012, ISBN 978-0-252-07834-7, S. 41–53. – Online verfügbar auf der Website von Senses of Cinema vom Dezember 2011.
  • André S. Labarthe: Jacques Rivette et son temps; in: TRAFIC - Revue de cinéma, No. 108, P.O.L, Paris 2018, ISBN 978-2-8180-4666-1, S. 35–45.
  • Robert Fischer: Le Cinéma en jeu: L’Amour fou de Jacques Rivette revisité (französisch). Darin Interviews mit Pascal Bonitzer, Antoine de Baecque, Jean-Pierre Kalfon und Sylvie Pierre sowie Archivmaterial von Interviews mit Rivette. Bonus auf der von Potemkine (Paris, 2024) herausgegebenen DVD von L'Amour fou.[13]
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Einzelnachweise

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  1. a b Amour Fou. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 11. Januar 2023.
  2. „Man hätte einen Film machen können, der einfach dem Kalender folgt, vom ersten bis zum letzten Tag, doch wollte ich auch, dass er einen Kreis bildet, und am einfachsten war da der alte Trick der Rückblende.“ – Rivette, im September 1968 im Gespräch mit Mitarbeitern der Cahiers du cinéma (s. Literatur; dort S. 29).
  3. Mary Wiles schreibt, man könne den Sprung von Sébastiens nachdenklichem Gesicht (in der letzten Einstellung vor Einsetzen der Chronologie) auf Claires Probe einer Andromache-Szene (erste Einstellung in der Chronologie) als Erinnerung an das Geschehen der letzten Wochen aus Sébastiens Sicht verstehen. – Mary Wiles, Jacques Rivette (s. Literatur), S. 46.
  4. Hélène Frappat: Jacques Rivette, secret compris, Cahiers du Cinéma, Paris 2001, ISBN 2-86642-281-3, S. 238.
  5. Mary Wiles, Jacques Rivette (s. Literatur), S. 45 bzw. S. 52.
  6. Rivette, im September 1968 im Gespräch mit Mitarbeitern der Cahiers du cinéma: „etwa eine halbe Stunde (des vier Stunden langen Films) wurde auf 16mm gedreht“ (s. Literatur; dort S. 22).
  7. André S. Labarthe: Cinéastes, de notre temps. Capricci, Paris 2011, ISBN 978-2-918040-11-8.
  8. filmcomment.com vom September-Oktober 2008 über Marc'Os Film-Musical Les Ideoles aus 1968 (englisch; abgerufen am 14. Juli 2022).
  9. Kévin Corbel: L’Amour fou, film fleuve de Jacques Rivette (enthält auch ein Interview mit Jean-Pierre Kalfon); online verfügbar auf der Website festival-cannes.com (französisch; abgerufen am 19. Mai 2023).
  10. Mitteilung des Filmverleihs auf der Website von filmsdulosange.com (englisch; abgerufen am 19. Mai 2023).
  11. Evangelischer Filmbeobachter, Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 373/1969
  12. L’Amour fou bei viennale.at, abgerufen am 5. Mai 2023.
  13. Trailer des Films bei fictionfactory.de (abgerufen am 15. Juni 2024).