Überidentifikation (auch Überidentifizierung) ist eine als Protestform angewandte Kommunikationsstrategie und findet Anwendung in der Kunst und der Guerillakommunikation.

Der Begriff wird auch als Bezeichnung für eine übermäßige und daher potenziell schädliche Identifikation mit Personen, Arbeitsaufgaben, Organisationen oder spirituellen Ebenen benutzt.

Funktion und Folgen

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Überidentifikation als Kommunikationsstrategie zielt auf eine Verzerrung und Demaskierung gegnerischer Selbstinszenierungen und versucht damit, den Gegner symbolisch zu entwappnen. Dabei werden symbolische Formen, Argumentations- und Denklogiken des Gegners übernommen, mit denen man sich zum Anschein identifiziert, die aber durch eine geeignete Darstellung bis ins Absurde und Lächerliche übertrieben werden. Der damit regelmäßig einhergehende Identitätsdiebstahl wird zu einem geeigneten Zeitpunkt transparent gemacht, spätestens dann, wenn das angegriffene Opfer sich zu einer öffentlichen Richtigstellung genötigt sieht. Auf diese Weise werden für Beobachter die 'eigentlichen', von der angegriffenen Person jedoch verborgenen Handlungsmotive und Einstellungen nachvollziehbar gemacht.

Theoretische Fundierung

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Theoretisch wurde die Protestform der Überidentifikation vor allem im Kontext der Kommunikationsguerilla untersucht und begrifflich geprägt. In diesem Kontext bedeutet sie, "solche Aspekte des Gewohnten offen auszusprechen, die zwar allgemein bekannt, zugleich aber auch tabuisiert sind. Sie nimmt die Logik der herrschenden Denkmuster, Werte und Normen in all ihren Konsequenzen und Implikationen gerade dort ernst, wo diese Konsequenzen nicht ausgesprochen werden (dürfen) und unter den Tisch gekehrt werden."[1]

Theoretisch setzten sich etwa auch Judith Butler oder Slavoj Žižek"[2] mit Überidentifikation auseinander. So schreibt Butler:

"Wo die Einheitlichkeit des Subjekts erwartet wird, wo die Verhaltenskonformität des Subjekts befohlen wird, könnte die Ablehnung des Gesetzes in Form einer parodistischen Ausfüllung der Konformität erzeugt werden, die die Legitimität des Befehls subtil fragwürdig macht, eine Wiederholung, die das Gesetz in die Übertreibung hineinzieht, eine Neuformulierung des Gesetzes gegen die Autorität desjenigen, der es hervorbringt."[3]

Beispiele

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Überidentifikation findet systematisch Anwendung in gewaltfreien Protestaktionen, wie sie etwa durch die Yes Men bekannt wurden (siehe als prominentes Beispiel etwa den Fall Dow Chemicals). Im deutschsprachigen Raum sind Aktionen des Zentrums für politische Schönheit (etwa die "Kindertransporthilfe des Bundes"[4]) und einige Aktionen der Gruppe monochrom zu nennen. Ein Beispiel für Überidentifikation ist auch die Solidaritätserklärung der Punkband WIZO mit dem Schauspieler Manfred Krug, der aufgrund einer Anzeige wegen Körperverletzung in Zusammenhang mit einem Verkehrsdelikt vor Gericht stand. Beispiele für künstlerischen Einsatz finden sich bei der slowenischen Band Laibach oder dem Künstler Damien Hirst[5].

Siehe auch

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Literatur

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  • Hagen Schölzel: Guerillakommunikation: Genealogie einer politischen Konfliktform. Transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8394-2235-9.
  • Marc Amann (Hrsg.): go. stop. act!: Die Kunst des kreativen Strassenprotests; Geschichten - Aktionen - Ideen. 3. überarb. Auflage. Trotzdem, Grafenau u.a 2011, ISBN 978-3-931786-50-2 (229 S.).
  • Luther Blissett, Sonja Brünzels: Handbuch der Kommunikationsguerilla. 5. Auflage. Assoziation A, Berlin, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86241-410-9 (248 S.).

Einzelnachweise

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  1. Hagen Schölzel: Guerillakommunikation: Genealogie einer politischen Konfliktform. Transcript, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-8394-2235-9, S. 275 f.
  2. Slavoj Žižek: Why Laibach and NSK are not Fascists (1993). In: Inke Arns (Hg.): Irwinretroprinzip, 1983–2003. Frankfurt/Main 2003, S. 21.
  3. Judith Butler. Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. Berlin. 1995. S. 166.
  4. Zentrum für politische Schönheit: Kindertransporthilfe des Bundes. 2014, abgerufen am 3. Juli 2017.
  5. Kapitel Überidentifizierung mit dem Betrachter, in: Ulrich Blanché: Konsumkunst. Kultur und Kommerz bei Banksy und Damien Hirst. Bielefeld 2012, S. 285ff.