Wilhelm Koch (Fußballfunktionär)

deutscher Fußballfunktionär und Unternehmer

Wilhelm Koch (* 13. Februar 1900 in Hamburg; † 10. Dezember 1969 ebenda)[1] war ein deutscher Fußballfunktionär und Unternehmer.

Leben Bearbeiten

Koch war in seiner Jugend Mitglied des Hamburg St. Pauli Turnverein und spielte dort als Torwart Fußball. 1931 trat er das Amt des Vorsitzenden des FC St. Pauli an.[2] Beruflich handelte er mit Häuten und Fellen. Die jüdischen Vorbesitzer des Unternehmens, welches Koch gemeinsam mit einem Geschäftspartner unter der Firmenbezeichnung Koch & Scharff als Gesellschafter führte, flohen 1933 vor den Nationalsozialisten nach Schweden.[3] Bevor Koch 1933 die Unternehmensleitung übernahm, war er im selben Betrieb Prokurist.[4] Ein 1997 und 1998 vom Geschichtswissenschaftler Frank Bajohr erstelltes Gutachten über Koch, das der FC St. Pauli in Auftrag gegeben hatte, kam anhand der vorliegenden Quellen zur Erkenntnis,[3] dass Koch bei der Übernahme des Unternehmens 1933 nicht Nutznießer der Arisierungspolitik der Nationalsozialisten gewesen sei[5] und dass bei Koch keine Bereicherungsabsicht vorgelegen habe.[6] Koch trat zum 1. Mai 1937 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 4.058.424).[7] Seiner Einschätzung nach war Koch kein „politischer Zeitgenosse“[6] und „kein ideologisch überzeugter und parteipolitisch aktiver Nazi“.[8]

Zunächst bis Herbst 1945 war Koch Vereinsvorsitzender. 1947 wurde er im Rahmen der Entnazifizierung erst als Mitläufer, dann in die Kategorie „entlastet“ eingestuft. Ob Koch ab 1947 oder erst ab 1948 wieder als Vorsitzender des FC St. Pauli tätig war, ist nicht endgültig gesichert,[9] der Verein gibt 1947 an.[8]

Koch starb am 10. Dezember 1969 nach „kurzer schwerer Krankheit“. Er war bis zu seinem Ableben Vorsitzender des FC St. Pauli[10] und beim Unternehmen Koch & Scharff Seniorchef.[11] Laut Hamburger Abendblatt tat Koch während seiner Amtszeiten für den Verein „außergewöhnlich viel“. Er war ein „Verfechter der zweiten Bundesliga“,[10] welche fünf Jahre nach seinem Tod eingeführt wurde und an der der FC St. Pauli ab der ersten Saison 1974/75 teilnahm. Laut dem Buch FC St. Pauli - you'll never walk alone führte Koch dem Verein im Laufe seines Lebens aus seinem Privatvermögen einen sechsstelligen Geldbetrag zu.[4]

Bei der Mitgliederversammlung des FC St. Pauli im März 1970, auf der Ernst Schacht als Kochs Nachfolger Vereinsvorsitzender wurde, stimmten die Mitglieder mehrheitlich für die Benennung der Spielstätte am Heiligengeistfeld in „Wilhelm-Koch-Stadion am Millerntor“.[12]

 
Grabstätte auf dem Friedhof Ohlsdorf

1997 veröffentlichte René Martens in seinem Buch FC St. Pauli - you'll never walk alone, für dessen Erstellung er unter anderem Unterlagen des Staatsarchivs sowie des Handelsregisters gesichtet hatte, Einzelheiten über Kochs Leben und dessen Rolle während der NS-Zeit.[13] Darin wurde Koch vorgeworfen, dieser habe sein Vermögen „zu einem gewichtigen Teil den Nazis zu verdanken“.[4] Die Buchveröffentlichung führte zu einer öffentlichen und vereinsinternen Diskussion über Wilhelm Koch. Ein Mitglied des FC St. Pauli stellte den Antrag, das „Wilhelm-Koch-Stadion am Millerntor“ in „Stadion am Millerntor“ umzubenennen.[13] Auf der Mitgliederversammlung Ende Oktober 1997 wurde über den Antrag heftig gestritten, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Hans Apel erachtete die Auseinandersetzungen als „Grabenkämpfe“.[14] Zu einer Entscheidung kam es auf der Versammlung nicht. Daraufhin gab der Verein bei Frank Bajohr oben erwähntes Gutachten in Auftrag. Nach der Durchsicht der wissenschaftlichen Untersuchung Bajohrs schlussfolgerten Präsidium und Aufsichtsrat im Mai 1998, dass in dieser Angelegenheit „keinerlei Handlungsbedarf“ bestehe.[6] Auf einer Mitgliederversammlung Anfang November 1998 stimmte eine Mehrheit der anwesenden Mitglieder des FC St. Pauli (133 Ja-Stimmen, 72 Nein-Stimmen, 20 Enthaltungen) für die Umbenennung des Stadions. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses traten vier Aufsichtsratsmitglieder aus Protest gegen die Entscheidung zurück.[15]

Wilhelm Koch erhielt seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Ohlsdorf. Sie liegt nördlich von Kapelle 10 im Planquadrat S 28.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wilhelm Koch. Traueranzeige. In: Hamburger Abendblatt. 16. Dezember 1969, abgerufen am 2. April 2022.
  2. Datenbank der NS-Dabeigewesenen: Wilhelm Koch. In: hamburg.de. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  3. a b Clemens Gerlach: Ein Name sorgt für Ärger. In: Die Tageszeitung: taz. 29. Oktober 1997, ISSN 0931-9085, S. 19 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
  4. a b c Buch-Autor: Ex-Präsident Koch ein Nazi - wird das Stadion umbenannt? : Vergangenheit holt St. Pauli ein. In: Hamburger Morgenpost. 25. Oktober 1997, abgerufen am 10. Oktober 2020.
  5. Diskussion. In: Die Tageszeitung: taz. 6. Oktober 1998, ISSN 0931-9085, S. 22 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
  6. a b c Eberhard Spohd: Keinerlei Handlungsbedarf. In: Die Tageszeitung: taz. 4. Mai 1998, ISSN 0931-9085, S. 24 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2020]).
  7. Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/21591570
  8. a b St. Pauli Geschichte. In: FC St. Pauli. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  9. Michael Pahl: Fleischlegionäre, Entnazifizierung und ein vergessener Präsident. Der FC St. Pauli in der Nachkriegszeit. In: uebersteiger.com. Abgerufen am 10. Oktober 2020.
  10. a b Trauer um Koch. In: Hamburger Abendblatt. 12. Dezember 1969, abgerufen am 2. April 2022.
  11. Wilhelm Koch. Traueranzeigen. In: Hamburger Abendblatt. 16. Dezember 1969, abgerufen am 2. April 2022.
  12. Ernst Schach zum neuen Präsidenten gewählt. In: Hamburger Abendblatt. 17. März 1970, abgerufen am 2. April 2022.
  13. a b Der Schatten über dem FC St. Pauli. In: Hamburger Abendblatt. 31. Oktober 1997, abgerufen am 2. April 2022.
  14. Wiederwahl mit Denkzettel. In: Hamburger Abendblatt. 1. November 1997, abgerufen am 10. Oktober 2020.
  15. Führungslos in den Konkurs? In: Hamburger Abendblatt. 2. November 1998, abgerufen am 2. April 2022.