Wikipedia:GLAM/PKC Freudental 2024/Dokumentation/Familie Kusiel

Familie Kusiel war eine deutsche jüdische Familie, die in Ludwigsburg Pferdehandel betrieb und dort von 1905 bis 1933 lebte. Die Mutter wurde im Holocaust ermordet, der Vater starb 1940 an einem Herzleiden. Alle drei Kinder überlebten den Zweiten Weltkrieg.

Das Leben der Familie Kusiel in Ludwigsburg Bearbeiten

 
Fassade des Hauses der Familie Kusiel
 
Haus der Familie Kusiel in der Seestraße 49
 
Stolperstein für Fanny Kusiel in der Seestraße 49 in Ludwigsburg

Die jüdische Familie Kusiel wohnte von 1934 bis 1936 in Ludwigsburg in der Schlageterstraße 13, heute Seestraße 43. Fanny (geb. Gutmann) und Salomon Kusiel hatten drei Kinder. Alice (* 20. September 1893) Peppi (* 8. August 1899) und Siegfried (* 3. März 1901) Kusiel. Alle Kinder wurden in Hochberg am Neckar geboren.[1]

Bevor die Familie Kusiel nach Ludwigsburg zog, wohnte sie in Hochberg am Neckar im alten Rathaus.[2] Wegen seiner Arbeit musste Salomon Kusiel zeitweise mit einer Kutsche zwischen den beiden Orten pendeln. Sie zogen 1905 nach Ludwigsburg. Grund für den Umzug war die Arbeit von Salomon Kusiel und die Möglichkeit einer höheren Schulbildung für die Kinder des Paars. Für Fanny Kusiel und Salomon Kusiel wurden in der Seestraße 49 Stolpersteine verlegt, die an das jüdische Leben in Ludwigsburg erinnern sollen.[3]

Salomon Kusiel betrieb den Pferdehandel[4] seiner Eltern weiter. Seit 1905 war er Inhaber einer Textilwaren-, Pferde- und Futtermittelhandlung in Ludwigsburg. Am 1. Oktober 1933 musste Salomon Kusiel seine Geschäfte aufgeben, weil er unter dem Hitlerregime nichts mehr mit dem Handel verdiente. Im Januar 1939 verließ das Ehepaar von Ludwigsburg aus Deutschland und zog zu seinem Sohn Siegfried in die Niederlande. Die Kinder der Kusiels hatten Deutschland schon zuvor verlassen. Sie wohnten in den Niederlanden und emigrierten später in die USA.[5]

Familienmitglieder der Familie Kusiel Bearbeiten

 
Stolperstein für Salomon Kusiel in der Seestraße 49 in Ludwigsburg

Salomon Kusiel Bearbeiten

Salomon Kusiel, geboren am 22. Juni 1866 in Hochberg im Kreis Waiblingen, Sohn von Simon und Jette (geb. Liebermann) Kusiel. Er starb 20. Juni 1940 in Schiebroek, Rotterdam, an einem Herzleiden. Ein Beleg dafür, dass Salomon Kusiel an einem Herzleiden starb und nicht in einem KZ ermordet wurde, ist sein Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Schiebroeker.[6]

Fanny Kusiel Bearbeiten

Fanny Kusiel, geboren am 5. Januar 1869 in Ichenhausen in Bayern, Tochter von Ephraim und Peppi (geb. Neuburger) Gutmann. Ihre Tochter Alice beschrieb sie als eine kluge, wundervolle und bestens erzogene Frau. In Edam (Holland) wurde Fanny Kusiel wegen ihrer jüdischen Abstammung deportiert. Anschließend wurde sie am 22. April 1943 im KZ Vught inhaftiert. Von dort wurde sie am 9. Mai 1943 in das Konzentrationslager Westerbork gebracht. Am 11. Mai 1943 wurde sie ins Vernichtungslager Sobibor (Polen) deportiert. Sie gilt als gestorben am 14. Mai 1943 in Sobibor. Die Ermordung bestätigt das niederländische Rote Kreuz.[7]

Alice Ottenheimer Bearbeiten

Alice Ottenheimer (geb. Kusiel) überlebte den Nationalsozialismus, indem sie in die USA emigrierte. Im höheren Alter schrieb sie 1971 in New York den Bericht „My first 12 years“, einen Tagebucheintrag aus der Perspektive ihres zwölfjährigen Ichs.

Das folgende Zitat verdeutlicht die kindliche Perspektive in der Alice Ottenheimer ihren Tagebucheintrag geschrieben hatte.

„Two years after my sister was born, we were surprised with a baby brother. I still believed the stork story. Because his hair was blonde and ours was dark. I found the explanation - - - he must come from a different storknest..“

Alice Ottenheimer: My First 12 Years[8]

Sie beschreibt das ländliche Leben ihrer Familie in Hochberg am Neckar: Die Familie baute ihr Obst und Gemüse selber an. Ihre Großeltern väterlicherseits lebten auch in Hochberg, an sie hat Alice viele Erinnerungen. Mit ihrer Familie und in der Schule nahm sie an christlichen Feiertagen teil, obwohl sie jüdisch war. Sie bekam einmal monatlich von einem Kantor jüdischen Religionsunterricht, in dem sie jüdische Gebete übersetzte und die hebräische Sprache lernte. Ihr zweiter Religionslehrer vermittelte Alice den Glaubensansatz, dass man durch Religion ein guter und anständiger Mensch wird, der keinen bösen Willen hat. In ihrem späteren Leben übte sie nie Bräuche der jüdischen Religion aus. Ihre Mutter, Fanny Kusiel, übte die jüdische Religion aus, griff aber nie in die Glaubensansätze von Alice ein. Fanny Kusiel war zwar religiös, führte aber nur Teile der jüdischen Religion aus, die sie als logisch empfand.[9]

Peppi Kauffmann Bearbeiten

Peppi Kauffmann (geb. Kusiel) konnte im Holocaust untertauchen und emigrierte später in die USA.

Siegfried Kusiel Bearbeiten

Siegfried Kusiel wanderte in den frühen 1930er Jahren in die Niederlande aus. Er musste den Judenstern vom 2. Mai bis 8. November 1942 tragen. Am 11. April wurde Siegfried nach Amsterdam verschleppt, wo er vier Tage inhaftiert und durch die SS misshandelt wurde. Von dort wurde er in das KZ Westerbork deportiert. Durch die Hilfe von Herr Wilts und De Hartog wurde er freigelassen, flüchtete in die Stadt Zeist und zog zwei Monate später nach Utrecht, wo er unter falschem Namen bis Kriegsende lebte.[10] 1959 beantragte Siegfried Kusiel bei der Wiedergutmachungszentrale in Stuttgart einen Entschädigungsbetrag, für das Leiden seiner Eltern Fanny und Salomon, und erhielt dafür 1800 DM.[11]

  1. StArchIB EL 350 I Bü 37651 Landesamt für die Wiedergutmachung
  2. Jewish Places | Entdecken Sie Orte jüdischen Lebens in Ihrer Nähe. Abgerufen am 7. März 2024.
  3. Britta Slusar: Hermann Wildermuth aus Hochberg hat alten Kaufvertrag in der Schublade. In: LKZ.de (Ludwigsburger Kreiszeitung). 12. März 2024, abgerufen am 13. März 2024.
  4. StArchIB EL 350 I/2 Bü 37652 Landesamt für die Wiedergutmachung
  5. Stolperschein-Broschüre – Stolpersteine Ludwigsburg. Abgerufen am 7. März 2024.
  6. Fanny und Salomon Kusiel – Stolpersteine Ludwigsburg. Abgerufen am 6. März 2024.
  7. StArchIB EL 350 I/48 Bü 37651 Landesamt für die Wiedergutmachung
  8. Alice Ottenheimer: My first 12 years / By Alice Ottenheimer. In: Leo Baeck Institute Archives. 1971, abgerufen am 7. März 2024 (englisch).
  9. Alice Ottenheimer: My first 12 years / By Alice Ottenheimer. In: Leo Baeck Institute Archives. 1971, abgerufen am 7. März 2024 (englisch).
  10. StArchIB EL 350 I/ 34 Bü 37651 Landesamt für die Wiedergutmachung
  11. StArchIB EL 350 I/ 37 Bü 37651 Landesamt für die Wiedergutmachung

Kategorie:Individuelle Familie Kategorie:Judentum in Ludwigsburg Kategorie:Geschichte (Ludwigsburg) Kategorie:Opfer des Holocaust