Weltmeisterschaft im Fischer-Random-Schach 2019

erste offiziell ausgerichtete Fischer-Random-Schachweltmeisterschafft

Die Weltmeisterschaft im Fischer-Random-Schach 2019 (offizieller Titel: 2019 FIDE World Fischer Random Chess Championship, kurz: WFRCC) war die erste offiziell vom Weltschachverband FIDE ausgerichtete Weltmeisterschaft in dieser Disziplin.[1] Im Finale besiegte der US-Amerikaner Wesley So den inoffiziellen Titelverteidiger und Weltmeister im klassischen Schach Magnus Carlsen deutlich mit 13,5:2,5 Punkten und ist damit der erste offizielle Weltmeister im Fischer Random Schach. Die Bronzemedaille gewann Jan Nepomnjaschtschi aus Russland.

Der Wettbewerb startete am 28. April 2019 mit den ersten Qualifikationsturnieren, die online ausgetragen wurden und allen interessierten Teilnehmern offen standen. Nach mehreren Ausscheidungsrunden wurde vom 27. Oktober bis 2. November 2019 eine Endrunde im Stile eines Final Four im Henie-Onstad Kunstsenter in Bærum in Norwegen ausgetragen. Im Laufe des gesamten Wettbewerbs fanden verschiedene Zeitbegrenzungen Anwendungen, wobei Spiele mit längerer Bedenkzeit stärker gewichtet wurden.[2]

Verlauf Bearbeiten

Die Weltmeisterschaft gliederte sich in mehrere Stufen mit unterschiedlichen Bedenkzeitregelungen, Organisationsformen und Zugangsvoraussetzungen.

Erste Qualifikationsrunde Bearbeiten

Die erste Qualifikationsphase stand allen interessierten Schachspielern ohne Titel offen und wurde online über das Schachportal chess.com ausgetragen. In 32 Gruppen wurden 9 Runden Schweizer System mit einer Bedenkzeit von 10 Minuten für die ganze Partie plus 2 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug gespielt. Aus jeder Gruppe qualifizierten sich fünf Spieler, insgesamt also 160 Spieler, für die zweite Qualifikationsrunde.

Zweite Qualifikationsrunde Bearbeiten

In der zweiten Qualifikationsrunde waren die 160 Qualifikanten aus der ersten Qualifikationsrunde sowie alle FIDE-Titelträger spielberechtigt. Es wurden 8 Runden Schweizer System gespielt, ebenfalls mit einer Bedenkzeit von 10 Minuten plus 2 Sekunden Inkrement. Aus den 12 Gruppen qualifizierten sich die jeweils sieben besten Spieler (insgesamt 84) für die dritte Qualifikationsrunde.

Dritte Qualifikationsrunde Bearbeiten

Die 84 Qualifikanten aus der zweiten Qualifikationsrunde wurden in 6 Gruppen zu je 14 Spielern aufgeteilt. Jede Gruppe wurde durch zwei eingeladene Schachspieler komplettiert. Der Austragungsmodus unterschied sich wesentlich von den beiden vorangegangenen Qualifikationsrunden. Die 16 Teilnehmer jeder Gruppe wurden per Setzliste gepaart. Anschließend fand ein K.O.-Turnier statt. In jeder Runde trugen die beiden Spieler der Paarung ein „Minimatch“ aus, bestehend aus zwei Partien mit vertauschten Farben. Im Falle von Gleichstand wurde zunächst ein weiteres Minimatch mit verkürzter Bedenkzeit als Tiebreak gespielt, falls immer noch Gleichstand herrschte ein drittes, nochmals verkürztes Minimatch. War auch nach drei Minimatches noch keine Entscheidung gefallen, wurde die Paarung durch eine Armageddon-Partie entschieden.

Während es in den ersten beiden Qualifikationsrunden mehr oder weniger große Überraschungen gab, setzten sich in der Dritten Qualifikationsrunde ausnahmslos Spieler durch, die auch im klassischen Schach vordere Plätze in der Weltrangliste belegten. Trotzdem blieben auch einige namhafte Spieler auf der Strecke, beispielsweise Duda, Karjakin, Grischtschuk und Dominguez. Folgende 6 Spieler qualifizierten sich für das Viertelfinale:

Name Verband Elo-Zahl
Jan Nepomnjaschtschi Russland  Russland 2775
Alireza Firouzja Iran  Iran 2685
Santosh Vidit Indien  Indien 2703
Peter Swidler Russland  Russland 2737
Wladimir Fedossejew Russland  Russland 2681
Wesley So Vereinigte Staaten  Vereinigte Staaten 2763

Ebenfalls durch Freiplätze qualifiziert waren der Vizeweltmeister im klassischen Schach Fabiano Caruana und der Verlierer der inoffiziellen Fischer-Random WM 2018 Hikaru Nakamura (beide USA).

Viertelfinale Bearbeiten

Das Viertelfinale wurde vom 4. bis 6. Oktober gespielt. Am ersten Tag fanden Matches zwischen jeweils zwei Spielern statt. Die vier Verlierer traten am zweiten Tag in einer Art Hoffnungslauf paarweise gegeneinander an. Die Gewinner des ersten Tages und die Gewinner des zweiten Tages spielten am dritten Tag paarweise gegeneinander, so dass am Ende drei Spieler feststanden, die fürs Halbfinale qualifiziert sind: Fabiano Caruana, Wesley So und Jan Nepomnjaschtschi. Jedes Match des Viertelfinals bestand aus 2 „langsamen“ Schnellschachpartien (45 min für 40 Züge + 15 min für den Rest, ohne Inkrement), zwei „schnellen“ Schnellschachpartien (15 min + 2 s Inkrement) und 2 Blitzschachpartien (3 min + 2 s Inkrement). Die Partien wurden unterschiedlich gewichtet: 3 Punkte für die langsamen Schnellpartien, 2 Punkte für die schnellen Schnellpartien und 1 Punkt für die Blitzpartien. Nur einmal stand es nach den 6 Partien unentschieden, und zwar im Match zwischen Alireza Firouzja und Jan Nepomnjaschtschi am ersten Tag. In der anschließenden Armageddon-Partie konnte sich Jan Nepomnjaschtschi durchsetzen.[3][4]

Tag 1 Bearbeiten

Russland  Peter Swidler 5 7 Vereinigte Staaten  Fabiano Caruana
Vereinigte Staaten  Wesley So 3 9 Vereinigte Staaten  Hikaru Nakamura
Russland  Wladimir Fedossejew 8 4 Indien  Santosh Gujrathi Vidit
Iran  Alireza Firouzja 6 7 Russland  Jan Nepomnjaschtschi

Tag 2 (Hoffnungslauf) Bearbeiten

Indien  Santosh Gujrathi Vidit Iran  Alireza Firouzja
Vereinigte Staaten  Wesley So Russland  Peter Swidler

Tag 3 Bearbeiten

Russland  Wladimir Fedossejew 5 7 Vereinigte Staaten  Wesley So
Vereinigte Staaten  Hikaru Nakamura Vereinigte Staaten  Fabiano Caruana
Russland  Jan Nepomnjaschtschi Iran  Alireza Firouzja

Die Matches zwischen Caruana und Nakamura sowie zwischen Nepomnjaschtschi und Firouzja wurden abgebrochen, nachdem der jeweilige Sieger durch das Erreichen von 6½ Punkten feststand. Auch das Match zwischen So und Fedossejew war bereits nach der dritten Partie mit 6½:1½ zugunsten von So entschieden. Trotzdem entschlossen sich die beiden Kontrahenten, auch die restlichen drei Partien auszuspielen, obwohl sie für die Halbfinalqualifikation bedeutungslos geworden waren.[5]

Halbfinale und Finale Bearbeiten

Das Halbfinale und das Finale fanden vom 27. Oktober bis zum 2. November statt. Im Halbfinale trafen die drei Qualifikanten aus dem Viertelfinale auf den amtierenden Weltmeister im klassischen Schach und den inoffiziellen Weltmeister im Fischer-Random-Schach Magnus Carlsen.

Zeitplan Bearbeiten

Datum Event Modus
27. Oktober Halbfinale, Partien 1 und 2 45 min für 40 Züge + 15 min für den Rest, 3 Punkte für einen Sieg
28. Oktober Halbfinale, Partien 3 und 4
29. Oktober Halbfinale, Partien 5 bis 8 15 min + 2 s Inkrement, 2 Punkte für einen Sieg
Halbfinale, Partien 9 bis 12 3 min + 2 s Inkrement, 1 Punkt für einen Sieg
Halbfinale, Tiebreak (falls erforderlich) 4 min für Weiß, 5 min für Schwarz, Weiß muss gewinnen
30. Oktober Ruhetag
31. Oktober Finale / Spiel um Platz 3, Partien 1 und 2 45 min für 40 Züge + 15 min für den Rest, 3 Punkte für einen Sieg
1. November Finale / Spiel um Platz 3, Partien 3 und 4
2. November Finale / Spiel um Platz 3, Partien 5 bis 8 15 min + 2 s Inkrement, 2 Punkte für einen Sieg
Finale / Spiel um Platz 3, Partien 9 bis 12 3 min + 2 s Inkrement, 1 Punkt für einen Sieg
Finale / Spiel um Platz 3, Tiebreak (falls erforderlich) 4 min für Weiß, 5 min für Schwarz, Weiß muss gewinnen

Halbfinale Bearbeiten

In beiden Halbfinalbegegnungen kam es schon frühzeitig zu einer Vorentscheidung: Wesley So war bereits nach sieben Partien für seinen Gegner Jan Nepomnjaschtschi uneinholbar enteilt. Dasselbe gelang Magnus Carlsen eine Partie später, so dass die ursprünglich angesetzten und noch ausstehenden Partien nicht mehr ausgetragen wurden.

In Partie Nr. 5 zwischen Jan Nepomnjaschtschi und Wesley So kam es zu einem Kuriosum: In der Grundstellung stand der weiße König auf e1 und ein weißer Turm auf g1. Als Nepomnjaschtschi im neunten Zug kurz rochieren wollte, hob er den Turm an, um Platz für den König zu schaffen. Der Schiedsrichter wies den Russen darauf hin, dass das Berühren des Turms ihn zu einem Turmzug verpflichte. Für die Rochade hätte er zunächst den König anfassen sollen. Nepomnjaschtschi zog daraufhin 9. Tf1, reichte aber nach der Partie Protest ein, da er offensichtlich keine Absicht gehabt habe, den Turm zu ziehen. Außerdem sei es nahezu unmöglich, die Rochade regelkonform auszuführen, da das Feld g1 durch den Turm blockiert werde. Daraufhin wurde beschlossen, dass die Partie wiederholt werden müsse. In der Wiederholungspartie spielten beide Spieler anfangs exakt dieselben Züge. Diesmal führte Nepomnjaschtschi die Rochade demonstrativ regelgerecht aus. Die Wiederholungspartie endete ebenfalls remis. Wesley So hielt sich aus der Angelegenheit komplett heraus und akzeptierte auch die Wiederholung der Partie klaglos.[6]

Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 TB Summe
Schnellschach, lang Schnellschach, kurz Blitz Armageddon
3 Punkte pro Partie 2 Punkte pro Partie 1 Punkt pro Partie 1 Punkt pro Partie
Norwegen  Magnus Carlsen 0 3 3 1 2 0 2 12½
Vereinigte Staaten  Fabiano Caruana 3 0 0 1 0 2 0
Russland  Jan Nepomnjaschtschi 0 0 1 0 1 5
Vereinigte Staaten  Wesley So 3 3 1 2 1 13
Startposition[7] 744 744 357 357 67 67 642 642

Finale Bearbeiten

Das Finale verlief äußerst einseitig. Carlsen konnte seiner Favoritenrolle nie gerecht werden, so dass So schon bald als Weltmeister im Chess960 feststand. Im anschließenden Interview äußerte sich Carlsen beschämt über die eigene Form, lobte aber auch Wesley Sos Leistung.[8]

Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 TB Summe
Schnellschach, lang Schnellschach, kurz Blitz Armageddon
3 Punkte pro Partie 2 Punkte pro Partie 1 Punkt pro Partie 1 Punkt pro Partie
Vereinigte Staaten  Wesley So 3 3 3 1 2 13½
Norwegen  Magnus Carlsen 0 0 0 1 0
Startposition[7] 294 294 729 729 253 253

Match um Platz 3 Bearbeiten

Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 TB Summe
Schnellschach, lang Schnellschach, kurz Blitz Armageddon
3 Punkte pro Partie 2 Punkte pro Partie 1 Punkt pro Partie 1 Punkt pro Partie
Russland  Jan Nepomnjaschtschi 0 3 3 2 1 2 12½
Vereinigte Staaten  Fabiano Caruana 3 0 0 0 1 0
Startposition[7] 294 294 729 729 253 253 381

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. „The World Fischer Random Chess Championship is now officially recognized by FIDE“, online auf der Homepage der FIDE, abgerufen am 21. April 2019.
  2. „Regulations for the 2019 FIDE World Fischer Random Chess Championship“: PDF (englisch), abgerufen am 21. April 2019.
  3. Jonathan Tisdall: Second Chances In World Fischer Random Chess Quarterfinal, online auf chess.com (englisch), abgerufen am 7. Oktober 2019.
  4. Jonathan Tisdall: FIDE World Fischer Random Chess Championship Quarterfinals Kick Off, online auf chess.com (englisch), abgerufen am 7. Oktober 2019.
  5. Jonathan Tisdall: Caruana, So, Nepomniachtchi Headed To World Fischer Random Semifinals, online auf chess.com (englisch), abgerufen am 7. Oktober 2019.
  6. Jonathan Tisdall: Carlsen To Play So For Fischer Random World Championship, online bei chess.com, abgerufen am 30. Oktober 2019
  7. a b c Zur Bedeutung der Nummern siehe Zwei-Tabellen-Darstellung
  8. Jonathan Tisdall: Wesley So ist Schach960 Weltmeister, online bei chess.com, abgerufen am 4. November 2019