Ulrich Eller (* 9. Mai 1953 in Leverkusen) ist ein deutscher Künstler im Bereich installativer Klangkunst. Seine künstlerischen Arbeiten befassen sich seit 1978 mit raumbezogenen Klang- und Formschöpfungen.

Der Klangkünstler Ulrich Eller

Werdegang Bearbeiten

Nach dem Studium der Malerei bei Herbert Kaufmann an der HDK Berlin (1977 bis 1983) entstanden skulpturale Werke: Eller widmete sich Performances, begehbaren Installationen mit Klang sowie modifizierten Musikinstrumenten. 1994 erhielt er die Professur im Fach Plastik und Raum, grenzüberschreitende künstlerische Inszenierung an der FH Hannover. 2001 wurde er Professor für das Fach Klangskulptur/ Klanginstallation am Kurt-Schwitters Forum der FH Hannover. Von 2004 bis 2020 besetzte Eller die Professur für Klangskulptur und Klanginstallation an der HBK Braunschweig.[1] Ulrich Eller ist Mitglied im Deutschen Künstlerbund. Er lebt in Norderheistedt in Dithmarschen.[2]

Werke Bearbeiten

Ende der 70er Jahre befasste sich Eller mit elektronischen Schaltungen. Aus Elektroschrott erstellt, brachte er sie in Tischkonzerte ein. Im zeichnerischen, installativen und akustischen Werk Ellers fanden Auseinandersetzungen mit verschiedenen künstlerischen Positionen statt. Wichtige Bezüge entwickelte er zu Künstlern der New Yorker Kunstlandschaft, vor allem mit John Cage, Philip Corner, Earle Brown, Christian Wolff, Terry Fox und Takehisa Kosugi. Ebenso griff er Ansätze der europäischen Avantgarde – vertreten durch Paul Panhuysen, Martin Riches, John Driscoll auf.

Zeichnung Bearbeiten

Eller entwickelte als Meisterschüler Herbert Kaufmanns frühzeitig eine Handschrift, deren Verläufe wiederholt im Vergleich mit Arbeiten von Cy Twombly und John Cage interpretiert wurden. Diese Verweise bezogen sich auf abstrakte Zeichen und unendliche Linien in Ellers Arbeiten, die an eine durch Kunst gestaltete Zeit erinnerten: Als Kombination von Einschreibungen auf Oberflächen und Aufnahmen der Geräusche von Stiften auf feinem und groben Papier.[3]

Im doppelten (Auf-)Zeichnungsverfahren stellte Eller Relationen zwischen visuellen und akustischen Dimensionen der Zeichnungen her und verwendete dabei Töne als skulpturalen Stoff. Kreide, die über den Boden gezogen wurden, das Kratzen eines Gartenrechens: Solche Spuren erreichten in Ellers Zeichnungen eine Dramaturgie, die als Handschrift wirkte und in Erinnerung blieb. In seiner Anordnung ließ der Künstler akustisches Material und den Prozess seiner Herstellung direkt aufeinander verweisen, so dass er die Spur als Zeichnung (Kunst), Notation und erinnerte akustische Formung der Handschrift erhalten und ausweisen konnte. Das derartig erschlossene Material führte zu einer ganz neuen, eigenen Musik.[4] Über die Thematisierung akustischer Anteile modifiziert Eller unterschiedliches Material im Interesse einer Erweiterung der Wahrnehmung- leichtes Papier transformierte der Künstler dabei ebenso wie die Materialität schwerer Bodenplatten. In Ellers Skizzen, Notationen und Zeichnungen bildeten sich das Papier und andere Oberflächen als Membrane aus, deren Eigenschaften selbst Bestandteil des jeweiligen Werks sind.

Konzeptuelle Bespielung von Musikinstrumenten Bearbeiten

Eller: „Meine Arbeiten sind von der Art eines kompositorischen Spiels, nicht im Sinne von Tonlagen, Akkorden und Tempi, sondern als Dialog zwischen Material, Form und Klang.“[5] Der Weg Ellers führt vom traditionellen Spielen auf Musikinstrumenten, besonders der E-Gitarre, zu neuartigen Techniken der Tonerzeugung auf Gitarren. Der Künstler arbeitet hier z. B. mit Instrumenten, die auf einer schwingenden Holzbühne liegen und durch vorsichtige Laufbewegungen dazu angeregt werden, das Sustain zu verändern. Durch Steine werden zunächst Tonbereiche festgelegt, die sich aber im Prozess verändern.

Plastische Arbeiten – akustische Materialforschung und Transformationsprozesse Bearbeiten

Für Ulrich Eller bietet der Klang die geeignete Voraussetzung, um auf verborgene Eigenschaften von unterschiedlichem Material hinzuweisen. „Meine Arbeiten sehe ich als Entwurf für eine neue, unbekannte Wirklichkeit, die sich jedem offenbart, der gewillt ist sie zu bemerken.“[6] Die Geräusche, die bei Zeichnungen, Einschreibungen und dem Abtasten von Oberflächen entstehen, werden mit Mikrophonen aufgenommen und als eine akustische Einschreibung an den Orten erhalten. Auf diese Weise entsteht eine besondere Verbindung von körperlich/gestischen Berührungen, die Zeichen hinterlassen. Solche Spuren werden bei Eller mit ihren Geräuschanteilen fixiert. Was bleibt, sind zwei Erinnerungsstücke eines künstlerischen Prozesses, der nun eine bestimmte Zeit, nämlich die Zeit der Entstehung, konserviert.[7]

Performance Bearbeiten

 
Ellers mit Klanginstallation „Ballon“;
2017 im Teepavillon auf dem Hermannshof in Völksen

Hier zeigt sich Ellers Erfahrung als Musiker. Künstlerisch werden bestimmte Ereignisse in der Zeit so angeordnet, dass sich ein unverwechselbarer Ablauf ergibt, der einer Dramaturgie folgt. Das Publikum ist als Bezugsgröße wichtiger Bestandteil des Konzepts: „Meine Arbeit vor Publikum begann mit öffentlich gemachten Handlungsprozessen, die das Entstehen eines audio-viusellen Ereignisses in Form einer Installation demonstrierten. Daraus entwickelten sich Materialprozesse, in der Regel Steine zur Klangerzeugung, als Kontraste vor Publikum. Zunächst mit diversen E-Gitarren, danach mit Klavierrasten und dann auf eigens für diese Herstellung konzipierten Saiteninstrumenten mit elektrischer Verstärkung ohne Eigenresonanz. Mit diesem Instrumentarium und als Konzeption für ein Duo erfolgte eine Reihe von Konzerten mit Paul Haubrich. Die Konzerte lebten durch die Interpretation des benutzten Materials. So wurden die spezifischen Eigenschaften von ausgewählten Steinen, wie rund, oval, leicht, schwer, rau, glatt und deren Form zum Impuls für Bewegungen auf Saiten zur Klangerzeugung.“[8]

Environments Bearbeiten

 
„Hörstein“, 1995;
Schäferhof, Neuenkirchen (Lüneburger Heide)

Die formale Gestaltung vorgefundener Räume erlaubt es, bestimmte Akzente des architektonischen Gefüges durch ihre Relation zum Kunstobjekt hervorzuheben. Auf diese Weise lässt Eller Details in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, die immer in Relation zum Raum wirken. Größen-, Material- und Lichtverhältnisse ergänzen sich.[9]

Gestaltete Räume Bearbeiten

Mit seinen raumplastischen Arbeiten befragt Eller die Konstitution des architektonischen Raumes, indem der Raum selbst als Skulptur aufgefasst wird. Es sind oft extrem geringfügige Setzungen, die als künstlerische Verschiebungen die gesamte Situation neu gestalten. Dabei interessiert sich Eller für das Innen/Außenverhältnis akustischer Erscheinungen, die jene Trennungen mittels Wänden, Häuten, Schalen befragen und Durchlässigkeit und Resonanzverhältnis künstlerisch bearbeiten lassen.[10]

Ausstellungen, Tonträger (Auswahl) Bearbeiten

  • 1987 documenta 8, Kassel.
  • 1994 Die Stillen, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl.
  • 1996 Sonambiente, Festival für Hören und Sehen, Berlin.
  • 1999 Sub Raum, ZKM, Karlsruhe.
  • 1999 Das XX. Jahrhundert. Ein Jahrhundert Kunst in Deutschland, Neue Nationalgalerie, Berlin.
  • 2003 Conceptualisms in Musik, Kunst und Film, Akademie der Künste, Berlin.
  • 2006 Sonambiente, Klang Kunst Sound Art, Berlin.
  • Ulrich Eller, Paul Haubrich: CD Lapidar II, Berlin/ Köln 1993.

Weiterführende Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Ulrich Eller – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. HBK Braunschweig verabschiedet Prof. Ulrich Eller. In: HBK-Bs. HBK-Bs, abgerufen am 14. Februar 2021 (deutsch).
  2. kuenstlerbund.de: Mitglieder "E" / Eller, Ulrich (abgerufen am 27. Juli 2015)
  3. Thomas Millroth: Ulrich Eller, Zeichnungen: 1978-2007. in: Sonoric ecologies. Ostseebiennale der Klangkunst. Ausst.Kat. hrsg. v. Christoph Metzger, Saarbrücken 2008; S. 28 ISBN 978-3-89727-397-9 und FAZ, 21/3/2001; S. 34.
  4. Rezeption: Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn: Ulrich Eller. in: Klangräume. Ausst. Kat. hrsg. von der Stadtgalerie Saarbrücken, Saarbrücken 1988; S. 21ff. ISBN 3-925381-13-9.
  5. FAZ, 21/3/2001, S. 34.
  6. Pressetext zur Ausstellung: Ulrich Eller, Geräuschelager. Klangkunstforum, Berlin 2000.
  7. Zu Ellers Materialforschung in der Werkrezeption siehe (Auswahl): Marion Saxer: Klangkunst im Prozess medialer Ausdifferenzierung. in: Musik-Konzepte. Sonderband. Klangkunst. XI/2008, edition text+kritik, hrsg. von Ulrich Tadday, München 2008; S. 186ff. ISBN 978-3-88377-953-9; Rolf Langebartels: Ereignisse in Raum, Zeit und Situation. Plastische Arbeiten bei Gianozzo. in: Ausst. Kat.: Conceptualisms in Musik, Kunst und Film. Akademie der Künste Berlin, hrsg. von Christoph Metzger, Saarbrücken 2003; S. 148. ISBN 3-89727-235-0 und Horst Hellinger: Die andere Seite. in: Ulrich Eller. Hörstein. Ausst.Kat. Kunstverein Springhornhof Neuenkirchen (Hg.), Neuenkirchen 1995; S. 24ff.
  8. Ulrich Eller: Brief an Christoph Metzger. Oktober 2001. Zum Publikumsbezug bei Eller siehe: Jürgen Schweinebraden Freiherr von Wichmann-Eichhorn: Resonanz als Skulptur- oder: Das zeichnerische Klangvorhaben. in: Ulrich Eller, Werkkatalog. Künstlerhaus Bethanien (Hg.), Berlin 1987, S. 68/69. ISBN 3-923479-15-8.
  9. Zur Werkrezeption (Environments) siehe (Auswahl): Christoph Metzger: Ulrich Eller. Konzert für Schneckenklavier mit Seebrücke und Zeichnungen. Saarbrücken 2007; S. 22 ISBN 978-3-89727-368-9; Marion Saxer: en passant. Aufmerksamkeitsstrategien der Klangkunst im öffentlichen Raum. in: Sonambiente, Klang Kunst Sound Art. Ausst.Kat. Akademie der Künste Berlin (Hg.), Heidelberg 2006, S. 258 ISBN 3-936636-93-1; Diether de la Motte: Musik Formen. Forum Musikpädagogik Band 38, Augsburg 1997; S. 482, ISBN 3-89639-160-7 und Bernd Schulz: Die andere Sprache des Materials. in: Ulrich Eller, Werkkatalog. Reihe: Berliner Künstler der Gegenwart, Band 95, Stadtgalerie Saarbrücken, NBK Berlin (Hg.), 1992; S. 8ff. ISBN 3-925381-31-7.
  10. Zur Werkrezeption siehe (Auswahl): Gislind Nabakowski: Der Lautsprecher als Musikant. in: FAZ, 15/5/2001; Helga de la Motte-Haber: Klangkunst – Eine neue Gattung?. in: Klangkunst. zur Ausst. Sonambiente. Festival für Hören und Sehen. Akademie der Künste Berlin (Hg.), München/ New York 1996; S. 16. ISBN 3-7913-1699-0 und Helga de la Motte-Haber: Klangkunst: Jenseits der Kunstgattungen. Weiterentwicklung und Neubestimmungen ästhetischer Ideen. in: Musik-Konzepte. Sonderband. Klangkunst. XI/2008, edition text+kritik, hrsg. von Ulrich Tadday, München 2008; S. 16. ISBN 978-3-88377-953-9.