Ulrich (Glockengießerfamilie)

Glockengießerei-Dynastie seit dem 18. Jahrhundert

Ulrich ist der Name einer Glockengießerfamilie, die zunächst in Laucha und ab 1759 in Apolda wirkte.

Glockengießerei in Apolda, Robert-Koch-Straße

Geschichte Bearbeiten

1732: Die Anfänge in Laucha und die Gründung der Firma „Gebrüder Ulrich“ Bearbeiten

Johann Georg Ulrich der Ältere gründete das Unternehmen um 1732 in Laucha. Er hatte drei Söhne, die nach und nach im Unternehmen mitarbeiteten: Johann Georg Ulrich (1737–1812), Johann Gottlob Ulrich (1740–1825) und Johann Christoph Ulrich (1744–1812) und ab 1750, 1763 und 1767 Teilhaber wurden. Sie firmierten nun als Gebrüder Ulrich.

1759 übernahmen Johann Georg und später auch sein Bruder Johann Gottlob zudem eine 1722 von Johann Christoph Rose gegründete Glockengießerei in Apolda. Mit Johann Christoph Ulrich gab es jedoch schließlich Streitigkeiten, bei denen unter anderem Johann Wolfgang Goethe als Hofrat konsultiert wurde.

Ab 1863 wurde das Stammunternehmen durch die Brüder Johann Moritz Heinrich Ulrich (* 24. Juni 1821 in Apolda; † 22. Januar 1875 ebenda) und Franz Wilhelm August Ulrich (* 1. Oktober 1825 in Apolda; † 13. September 1897 ebenda) geführt. Jakob Friedrich Johann Heinrich Ulrich (1. Juli 1850 in Apolda; † 25. Mai 1903 ebenda) wurde 1884 Inhaber. 1902 musste das Unternehmen Gebrüder Ulrich wegen der qualitativ überlegenen Konkurrenz Konkurs anmelden.

1826: Die Gründung der Firma „Carl Friedrich Gottfried Ulrich“ Bearbeiten

Carl Friedrich Gottfried Ulrich (* 22. März 1801 in Apolda; † 22. Dezember 1848 ebenda) gründete 1826 unter seinem Namen eine weitere konkurrierende Glockengießerei in Apolda. 1849 folgte ihm sein erst 18-jähriger Sohn Ernst Friedrich Christian Ulrich (1830 in Apolda; † 2. September 1861 ebenda). Beide hatten bis zu diesem Zeitpunkt 768 Kirchenglocken gegossen.

Anfang des Jahres 1862 übernahm der Bruder Carl Richard Emil Ulrich das in der unteren Bahnhofstraße gelegene Unternehmen. Er heiratete 1865 die Schwester von Franz Friedrich August Schilling. Ab 1868 erlernte Franz Schilling das Glockengießerhandwerk, arbeitete nach der Lehre in der Firma seines Schwagers als Geselle, wurde 1877 Teilhaber und entwickelte das Unternehmen, ab 1911 unter dem Namen „Franz Schilling Söhne“, sehr erfolgreich weiter. Ulrich schied Ende 1878 aus dem Geschäft aus. Er hatte von 1862 bis 1877 insgesamt 492 Kirchenglocken gegossen.

1910: Neugründung durch Heinrich Karl Ulrich, Wandlung als AG, Enteignung und Schließung Bearbeiten

 
Die für den Kölner Dom hergestellte Petersglocke

1910 gründete Heinrich Karl Ulrich (* 25. März 1876 in Apolda; † 12. Februar 1924 in Weimar) das Unternehmen neu. Unter seiner Leitung entstand die größte Glocke für den Kölner Dom, die Petersglocke (Decke Pitter), zudem die größte am geraden Joch freischwingende Glocke der Welt. Ihr Läuten in Köln erlebte er nicht mehr. Sein Grabmal mit Glocke befindet sich auf dem Historischen Friedhof Weimar.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem viele Glocken für Rüstungszwecke eingeschmolzen worden waren, wurden Zweigwerke gegründet. So erfolgte 1918 eine Kooperation mit der Gießerei J. F. Weule in Bockenem.[1] Sie stellte Eisenhartgussglocken her. 1921 wurde ein weiteres Werk in Kempten am Ostbahnhof eröffnet. Nach Heinrich Karl Ulrichs Tod 1924 erfolgte die Umwandlung der Gießerei in eine Aktiengesellschaft. Danach gingen die Geschäfte immer schlechter. 1930 zog das Unternehmen sich aus dem Kemptener Werk zurück und verpachtete das Werk an einen Glockengießer aus Kempten, der es bis in die 50er Jahre zum Glockengießen verwendete.[2]

Die Gießerei in Apolda wurde 1949 von der DDR enteignet und später aufgegeben.

 
Eine Glocke als Grabmal für Heinrich Ulrich auf dem Historischen Friedhof Weimar mit der rückseitigen Inschrift: „Der Meister der grossen Glocke im Dom zu Köln“.

Werke (Auswahl) Bearbeiten

Gebrüder Ulrich Bearbeiten

 
Glocke in Ettersburg

Carl Friedrich Ulrich Bearbeiten

Heinrich Karl Ulrich Bearbeiten

 
Glocke in Frankendorf

Ulrich & Weule Bearbeiten

Varia Bearbeiten

Das Dreiergeläut h0 – dis1 – fis1 des Michaelisturms zu Ohrdruf aus dem Jahr 1822 stammt von der Glockengießerfamilie Ulrich, es hat ein Gesamtgewicht von 4070 Kilogramm. Dieses Geläut ist aus kunsthistorischer und denkmalpflegerischer Sicht einzigartig, da es ein vollständig erhaltenes und aus einem Guss stammendes Geläut aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie zugleich ein bedeutendes Beispiel der Ulrichschen Glockengussmeisterschaft ist.[4]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Viola-Bianka Kießling: Himmlische Instrumente. Ein Glocken-Führer durch die Region Weimar und Weimarer Land. Hrsg. vom Landratsamt Weimarer Land in Kooperation mit dem Kirchenkreis Apolda-Buttstädt, Weimar/Apolda 2012, OCLC 914357542.
  • Margarete Schilling (Hrsg.): Glockenrippen der Glockengießerfamilie Ulrich aus Laucha/Unstrut - facsimile. 2 Bände, Format A3, Apolda 2018, ohne ISBN
  • Rainer Thümmel; Roy Kreß; Christian Schumann: Als die Glocken ins Feld zogen … – Die Vernichtung sächsischer Bronzeglocken im Ersten Weltkrieg. Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2017, ISBN 978-3-374-05203-5[5] – Darin sind auf Seite 220 im „Verzeichnis der Gießer vernichteter Glocken“ für den Bereich der heutigen Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens zum Namen Schilling (unter Nr. 67 und 68) 68 sowie 29 vernichtete Glocken genannt (gesamt: 97), zum Namen Ulrich (unter Nr. 74 und 75) sind 25 sowie 58 vernichtete Glocken genannt (gesamt: 83). Ab 1919 gossen für kirchliche Auftraggeber aus Sachsen Franz Schilling Söhne bis 1939 insgesamt 486 Bronzeglocken und Gebrüder Ulrich bis 1937 insgesamt 159 Bronzeglocken (Quelle: ebenda, S. 153 und 158).
  • Manfred Hofmann: Die Apoldaer Glockengießerei – Alte und neue Geheimnisse. Weimar 2014, ISBN 978-3-86160-415-0 (Inhaltsverzeichnis).[6]
  • Margarete Schilling: Kunst, Erz und Klang. Die Werke der Glockengießerfamilien Ulrich/Schilling vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Berlin, 1992.
  • Kurt Hübner: Der Glockenguss in Apolda. Stadtmuseum Weimar, Weimar 1980, DNB 890909725.
  • Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen, Landeskirchenrat (Hg.) / Fritz Schilling: Unsere Glocken – Thüringer Glockenbuch. Gabe der Thüringer Kirche an das Thüringer Volk. Gewidmet dem „Thüringer Glockengießermeister Dipl.-Ing. Franz Schilling in Apolda in Dankbarkeit für seine Arbeit zum Besten unserer Gemeinden“. Jena 1954, DNB 454355548.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Glockengießerei (Apolda) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Glocken in Thüringen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ernst Fauer: Eisenhartgussglocken aus der Glockengießerei Schilling & Lattermann. In: Apoldaer Heimat 2005. Beiträge zur Natur und Heimatgeschichte der Stadt Apolda und ihrer Umgebung. Apolda, 2005. S. 28–32
  2. Christian Ilg: Firmengeschichten von Betrieben, die den Beginn der Industrialisierung einläuteten und zu deren Glanz beitrugen. In: Aus Kemptens vergangenen Tagen. III. Selbstverlag, Kempten 2006, S. 159.
  3. Ernst Laue: Leopoldshall wie es früher war. Vom Ort einer Saline zum Stadtteil Staßfurt. Wartberg Verlag 2001, S. 26
  4. turmuhren-glocken.de Seite 8, abgerufen am 8. Mai 2021.
  5. Inhaltstext
  6. Archivlink (Memento des Originals vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wartburgverlag.net