Ein Tucker-Kreis eines Dreiecks, benannt nach Robert Tucker (1832–1905), ist einer der besonderen Kreise der Dreiecksgeometrie. Hierbei besitzt ein gegebenes Dreieck nicht nur einen einzelnen Tucker-Kreis, sondern eine Schar von Tucker-Kreisen. Diese umfasst eine Reihe spezieller Kreise des Dreiecks, darunter der Umkreis, der erste Lemoinesche Kreis, der zweite Lemoinesche Kreis, der dritte Lemoinesche Kreis und der Taylor-Kreis.

Tucker-Kreis (braun) parametrisiert mit Parameter t, Umkreis (lila), erster Lemoine-Kreis (grün), zweiter Lemoine-Kreis (rot), dritter Lemoine-Kreis (orange), Taylor-Kreis (blau)

Definition Bearbeiten

 
Ein Tucker Kreis (rot) und Tucker-Hexagon mit grünen Antiparallelen und blauen Parallelen, Winkel gleicher Farbe sind gleich groß

Man beginnt mit einem Punkt auf einer der (verlängerten) Seiten eines Dreiecks und konstruiert dann sukzessive fünf weitere Punkte, indem man abwechselnd die Parallele oder Antiparallele zu einer Dreiecksseite durch den letzten erhaltenen Punkt mit der (verlängerten) anderen Dreiecksseite schneidet und so den nächsten Punkt erhält. Beginnt man zum Beispiel mit einem Punkt   auf  , dann schneidet die Antiparallele zu   durch     in  . Die Parallele zu   durch   schneidet   in  . Die Antiparallele zu   durch   schneidet   in  . Die Parallele zu   durch   schneidet   in  . Die Antiparallele zu   durch   schneidet   in  . Schließlich schneidet die Parallele zu   durch     in  . Man ist also nach abwechselnd je drei Parallelen und Antiparallelen wieder am Ausgangspunkt   angekommen. Dies ist eine allgemeine Eigenschaft eines so konstruierten Streckenzuges  , zudem liegen dessen sechs Punkte auf einem gemeinsamen Kreis, dem Tucker-Kreis. Das durch geschlossenen Streckenzug gebildete Hexagon wird als Tucker-Hexagon bezeichnet.[1][2]

Eigenschaften und Beziehungen Bearbeiten

 
Ein Tucker-Kreis und Tucker-Hexagon (braun)
 
Brocard-Inellipse (rot) als Hüllkurve der Tucker-Kreise mit Mittelpunkten auf der Geraden  , sowie Brocard-Punkte  

Im Folgenden bezeichnet   den Lemoinepunkt und   den Umkreismittelpunkt eines Dreiecks   mit einem Tucker-Hexagon  , dessen antiparallele Seiten  ,   und   sind.   ist der Mittelpunkt des zugehörigen Tucker-Kreises.   ist der Schnittpunkt der Geraden   mit  ,   der Schnittpunkt der Geraden   mit   und   der Schnittpunkt der Geraden   mit  .  ,   und   sind die Fußpunkte der Höhen des Dreiecks  . Mit diesen Bezeichnungen gelten die folgenden Aussagen:

  • Die drei antiparallelen Seiten des Tucker-Hexagons sind gleich lang, das heißt, es gilt:  . Zudem werden sie von den Verbindungsgeraden der Ecken mit dem Lemoinepunkt halbiert, also:  .[2]
  • Die drei antiparallelen Seiten des Tucker-Hexagons sind parallel zu den Seiten des Höhenfußpunktdreiecks  , das heißt, es gilt:  ,   und  .[3]
  • Das Dreieck   ist eine zentrische Streckung des Dreiecks   mit dem Lemoinepunkt   als Streckzentrum und dem Streckfaktor  .[2]
  • Die Verbindungsgeraden der Eckpunkte mit dem Umkreismittelpunkt stehen senkrecht auf den (verlängerten) anitparallelen Seiten des Tucker-Hexagons. Es gilt:  ,   und  .[2]
  • Der Mittelpunkt   eines Tucker-Kreises liegt auf  , der Verbindungsgeraden von Lempoinepunkt und Umkreismittelpunkt. Dabei entspricht das Verhältnis   dem Streckfaktor der zentrischen Streckung, die das Dreieck  in das Dreieck   überführt. Es gilt also  .[2]
  • Die Brocard-Inellipse des Dreiecks   ist die Enveloppe der Tucker-Kreise des Dreiecks.[3]
  • Den Umkreis erhält man als Tucker-Kreis, wenn das Tucker-Hexagon   in das Dreieck   übergeht, also  ,   und   gilt.

Parametrisiert man die Schar der Tucker-Kreise eines Dreiecks anhand der orientierten Länge der Strecke  :

 

Dann ergibt sich für den Radius eines Tucker-Kreises die folgende Formel in Abhängigkeit von  :[3]

 

Für spezielle Tucker-Kreise ergeben sich dabei die Parameter in der Tabelle.[3]

Tucker-Kreis Parameter
Umkreis  
erster Lemoine-Kreis  
zweiter Lemoine-Kreis  
dritter Lemoine-Kreis  
Taylor-Kreis  
Apollonius-Kreis  

Literatur Bearbeiten

  • Roger A. Johnson: Advanced Euclidean Geometry. Dover 2007, ISBN 978-0-486-46237-0, S. 274–277 (Erstveröffentlichung 1929 bei der Houghton Mifflin Company (Boston) unter dem Titel Modern Geometry)
  • A. Emmerich: Die Brocardschen Gebilde und ihre Beziehungen zu den verwandten merkwürdigen Punkten und Kreisen des Dreiecks. Verlag Georg Reimer, Berlin 1891, S. 53–67
  • Ross Honsberger: Episodes in Nineteenth and Twentieth Century Euclidean Geometry. MAA, 1995, S. 87–98 (Digitalisat)
  • Sandor Nagydobai Kiss, Paul Yiu: On the Tucker Circles. In: Forum Geometricorum, Band 17 (2017), S. 157–175 (Digitalisat)

Weblinks Bearbeiten

Commons: Tucker-Kreise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Roger A. Johnson: Advanced Euclidean Geometry. Dover 2007, ISBN 978-0-486-46237-0, S. 274–277 (Erstveröffentlichung 1929 bei der Houghton Mifflin Company (Boston) unter dem Titel Modern Geometry)
  2. a b c d e Ross Honsberger: Episodes in Nineteenth and Twentieth Century Euclidean Geometry. MAA, 1995, S. 87–98 (Digitalisat)
  3. a b c d Sandor Nagydobai Kiss, Paul Yiu: On the Tucker Circles. In: Forum Geometricorum, Band 17 (2017), S. 157–175 (Digitalisat)