Traudl Engelhorn-Vechiatto

österreichische Geschäftsfrau

Gertraud „Traudl“ Engelhorn-Vechiatto (geboren am 19. Jänner 1927 in Wien; gestorben am 22. September 2022 in der Schweiz)[1] war eine österreichische Milliardenerbin, Mäzenin und Philanthropin.

Leben und Familie Bearbeiten

Gertraud Vechiatto wurde 1927 in Wien geboren.[2][3] Sie war Verlagsbuchhändlerin und Lektorin. Am 4. Mai 1955 heiratete sie in der evangelischen Pfarrkirche in der Dorotheengasse in Wien den deutschen Unternehmer Peter Engelhorn,[4] Gesellschafter und langjähriger Aufsichtsratsvorsitzender der Boehringer-Mannheim-Gruppe aus der Familie Engelhorn.[5] Das Paar lebte lange Jahre in der Werderstraße in Mannheim und hatte vier Töchter: Angelika Milos-Engelhorn (* 1956), Ariane Binder (* 1957), Alissa Gerlich (* 1959) und Sonia Engelhorn (* 1962).[6][7]

Ihr Mann war einer der Urenkel von Friedrich Engelhorn, Gründer der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF), der 1883 aus dem Vorstand der BASF austrat und größere Beträge in das Mannheimer Pharmaunternehmen C. F. Boehringer und Söhne, später Boehringer Mannheim, investierte. Peter Engelhorns Großvater, Friedrich jun. (1855–1911), trat in die Geschäftsleitung ein und machte die Firma in den folgenden Jahren zu einem der führenden Chininhersteller der Welt. Boehringer Mannheim stand in den Nachkriegsjahren im Besitz der vier Linien der Familie Engelhorn – angeführt von drei Cousins und einer Cousine, Christa Gelpke-Engelhorn, Christof Engelhorn, Curt Engelhorn und Peter Engelhorn bzw. nach dessen Tod Traudl Engelhorn-Vecchiatto. Langjährige Friktionen zwischen den verschiedenen Linien führten in den 1990er Jahren zu Turbulenzen, mehrfachen Vorstandswechseln und schließlich zum Verkauf des Unternehmens an den Schweizer Konzern Hoffmann-La Roche. Der Erlös betrug elf Milliarden US-Dollar und blieb in Deutschland unversteuert, weil die Familienholding Corange Ltd. ihren Sitz auf den Bermudas hatte. Der Anteil von Traudl Engelhorn-Vechiatto betrug zwischen 19 und 22 Prozent.[8] Sie hat durch den Verkauf 2,45 Milliarden US-Dollar erhalten.[9] Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzte 2022 ihr Vermögen auf 4,2 Milliarden US-Dollar, zuletzt lag sie auf Platz 687 der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt.[10]

Sie lebte in Lausanne[11] im Kanton Waadt am Genfer See.

Die deutsch-österreichische Buchautorin Marlene Engelhorn ist ihre Enkelin.[12][10]

Förderungen und Stiftungen Bearbeiten

Zum Freundeskreis des Ehepaares zählten der Verhaltensforscher Konrad Lorenz und der Biochemiker Benno Hess.[6] Ihr Ehemann war Philanthrop, er gründete das Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in Wien, förderte das Museè des art decoratifs de la Ville de Lausanne und stiftete über den Verein PE-Förderungen Stipendien für Studierende der Musik in Mannheim. Nach seinem Tod rief die Witwe die Peter und Traudl Engelhorn-Stiftung mit Sitz in Weilheim in Oberbayern ins Leben, ursprünglich für Stipendien in den Bereichen Biotechnologie und Gentechnik, heute auch für Biophysik, Systembiologie und Bioinformatik.[13] Die Förderungen, die Traudl Engelhorn-Vecchiatto in den Bereichen Wissenschaft und Kunst leistete, sind schwer überblickbar. Beispielsweise wurde sie auf einen finanziellen Engpass am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht aufmerksam und half mit einem substantiellen Betrag aus, um ein fächerübergreifendes Projekt zum Rechtsvergleich von über 30 islamischen Familien- und Erbrechtsordnungen zu sichern.[6] Sie unterstützte weiters eine Reihe von Einrichtungen in Mannheim, dem Firmensitz von Boehringer Mannheim, beispielsweise die Christuskirche und die Reiss-Engelhorn-Museen. Auch das neue Sportzentrum des TSV Mannheim am Fernmeldeturm wurde mit ihrer finanziellen Zuwendung verwirklicht.[14] Im Januar 2023 wurde in C4,12 am Toulonplatz in Mannheim das Peter und Traudl Engelhornhaus eröffnet, ein Neubau für Ausstellungen zur Foto- und Glaskunst, zugehörig zu den Reiss-Engelhorn-Museen. Die Philanthropin hatte den Bau über ihre Brombeeren-Stiftung mit einer Spende von 10,5 Millionen Euro ermöglicht.[15]

Literatur Bearbeiten

  • Friedrich Wilhelm Euler: Die Familie Engelhorn in Mannheim. Vorfahren und Nachkommen des Gründers der BASF. Kommerzienrat Friedrich Engelhorn (1821–1902). Institut zur Erforschung Historischer Führungsschichten, Bensheim 1986, S. 19.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Vgl. www.lessentiel.lu.
  2. Engelhorn Descendants - Johann Friedrich Engelhorn third generation. Abgerufen am 5. Februar 2023.
  3. Traueranzeigen von Traudl Engelhorn-Vechiatto | trauer.nzz.ch. Abgerufen am 6. Februar 2023 (deutsch).
  4. Aktuelles. Abgerufen am 8. Februar 2023.
  5. Moritz Serif: Traudl Engelhorn-Vechiatto ist tot: Enkelin Marlene Engelhorn wird Millionen erben, fr.de, 28. September 2022
  6. a b c Max-Planck-Gesellschaft: Das Ganze erfassen, abgerufen am 28. Januar 2023
  7. REM: Besonderes Geschenk an Mannheim, 23. Januar 2023
  8. Der Spiegel: »Wir neigen zum Geiz«, 1. Juni 1997
  9. Traudl Engelhorn & family. Abgerufen am 10. Dezember 2023 (englisch).
  10. a b „Ich habe für mein Erbe keinen Tag gearbeitet und zahle keinen Cent dafür. Besteuert mich endlich!“: Wer ist Marlene Engelhorn?, moment.at, 27. Mai 2021
  11. www.forbes.com.
  12. Die Zeit: Unfaßbar, dass man mich nicht besteuert, Die Pharmaerbin Marlene Engelhorn will die Millionen ihrer Vorfahren loswerden. Aber das ist einfacher gesagt als getan, 28. Juni 2021
  13. Peter und Traudl Engelhorn-Stiftung: Nachruf auf Frau Traudl Engelhorn-Vechiatto, 20. Oktober 2022
  14. Mannheimer Stifterin verstorben: Trauer um Traudl Engelhorn - Mannheim - Nachrichten und Informationen. 28. September 2022, abgerufen am 5. Februar 2023.
  15. Mannheimer Morgen: Neubau der Reiss-Engelhorn-Museen wird im November eröffnet - Spenderin feiert 95. Geburtstag, 18. Januar 2022