Tomer Dotan-Dreyfus

israelisch-deutscher Schriftsteller

Tomer Dotan-Dreyfus (hebräisch תומר דותן דרייפוס; * 1987 in Haifa, auch Tomer Dreyfus) ist ein israelischer Schriftsteller und Übersetzer, der auf Hebräisch und Deutsch schreibt und seit 2010 in Berlin lebt.[1]

Tomer Dotan Dreyfus (2023)

Leben Bearbeiten

Dotan-Dreyfus studierte nach seinem Militärdienst in Israel Philosophie und Komparatistik am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin, in Wien und Paris. Er schloss mit Bachelor und Master ab. Er lebt in Berlin und hat eine Tochter.[2]

Er schreibt sowohl in hebräischer als auch in deutscher Sprache und übersetzt deutsche Literatur ins Hebräische. Lyrik veröffentlichte er unter anderem in der Anthologie „Was es bedeuten soll“ und in der Wiener Zeitschrift Triëdere.[3] Er wurde für das Übersetzerprogramm Jewish Writers in Translation 2021 der Jewish Book Week in London als Autor aus Deutschland ausgewählt.[4] Im September 2021 nahm er an dem Meridian Czernowitz International Poetry Festival in der Ukraine teil. 2022 erschien sein Essay-Band Meine Forschung zum O.[5]

Für die Arbeit an seinem Roman Birobidschan, der nach der gleichnamigen Hauptstadt der Jüdischen Autonomen Oblast in Russland benannt ist, erhielt er 2020 ein einjähriges Stipendium des Berliner Senats. Er war fasziniert davon, dass es einen Ort gibt, an dem Jiddisch bis heute Amtssprache ist. Das Gebiet bereiste Dotan-Dreyfus nach eigenen Angaben nicht selbst.[6] Der Roman erschien im Frühjahr 2023, stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2023 und erhielt den Bloggerpreis für Literatur als bester Debütroman 2023.[7] Neben den Auszeichnungen, die Dotan-Dreyfus für den Roman Birobidschan erhielt, wurde der Roman in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in Die Zeit und im Deutschlandfunk Kultur besprochen. Dort wird ihm Einfallsreichtum, ein am Lyrischen geschulter Tonfall und jüdischer Witz bescheinigt. Der Roman setze Mittel des magischen Realismus ein.[8]

2024 erhielt Dotan-Dreyfus als erster Schriftsteller das Turmstipendium in Sulzbach-Rosenberg.[9]

Positionen zum Nahostkonflikt Bearbeiten

Dotan-Dreyfus bezeichnet sich selbst als linken Israeli und schrieb Artikel für die Berliner Zeitung und die Süddeutsche Zeitung, in denen er seine Position zum Staat Israel darlegt.[10][11]

Er ist ein Kritiker der auf Juden fokussierten Politik verschiedener israelischer Regierungen, die dabei den Blick für Menschen verloren hätten.[12] 2022 spielte er mit dem Gedanken, die israelische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Er begründete dies damit, dass Israels Regierung nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 nur jüdische Flüchtlinge aufgenommen habe, um die Prozentzahl der Bürger jüdischen Glaubens in Israel zu erhöhen. Er kritisiert, dass sich der israelische Außenminister – unter dem Vorwand im Ukrainekonflikt vermitteln zu wollen – mit Putin getroffen hätte, um kurz darauf Bombardierungen in Syrien aufzunehmen.[10]

Unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 stellte er fassungslos fest, dass Israel für die Juden kein sicherer Hafen mehr sei, in den sie sich in größter Not zurückziehen können.[13] Immer wieder war ihm im Vorfeld unterstellt worden, Antizionist zu sein.[12] Er selbst weist dies von sich. Er betont, dass die Hamas keine antikoloniale, sondern eine islamistische und menschenverachtende Organisation sei.[14] Später kritisierte er die israelische Regierung, dass der Schwerpunkt der israelischen Aktivitäten im Krieg in Israel und Gaza nicht auf Bombardements, sondern auf der Befreiung der Geiseln liegen sollte.[15]

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

  • Was es bedeuten soll. Neue hebräische Dichtung in Deutschland. parasitenpresse, Köln 2019, ISBN 978-3-947676-49-1.
  • Meine Forschung zum O. Ein literaturwissenschaftlich-philosophisch-theologischer Versuch, Sprache zu verlernen. Gans Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-946392-28-6.
  • Birobidschan. Verlag Voland & Quist, Berlin / Dresden 2023, ISBN 978-3-86391-347-2.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Tomer Dotan-Dreyfus – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Tomer Dotan-Dreyfus. Literaturforum im Brecht-Haus, abgerufen am 2. Februar 2024 (deutsch).
  2. Laura Backes: Tomer Dotan-Dreyfus und die Pro-Palästina-Proteste: Seine Freunde sagen, er habe sich radikalisiert. Er sagt: Wie auch nicht? In: Der Spiegel. 27. April 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 27. April 2024]).
  3. Tomer Dotan-Dreyfus / Israel. Internationale Literarische Korporation Meridian Czernowitz, abgerufen am 21. November 2023.
  4. Jewish Writers in Translation 2021 programme launches. BookBrunch, 6. April 2021, abgerufen am 13. März 2024 (englisch).
  5. Tomer Dotan-Dreyfus. Voland & Quist, abgerufen am 21. November 2023.
  6. »Vielleicht ist es ein Kibbuz«. ak analyse & kritik, 12. Dezember 2023, abgerufen am 31. Januar 2024.
  7. Isa Tschierschke, Wolfgang Tischer: Das Debüt: »Birobidschan« von Tomer Dotan-Dreyfus gewinnt Bloggerpreis. In: https://www.literaturcafe.de. 4. März 2024, abgerufen am 12. März 2024.
  8. Tomer Dotan-Dreyfus: Birobidschan. Roman. Perlentaucher, 11. November 2023, abgerufen am 12. März 2024.
  9. Erstes Turmstipendium an Tomer Dotan-Dreyfus. Börsenblatt, 8. November 2023, abgerufen am 31. Januar 2024.
  10. a b Warum ich mich dafür entschieden habe, meinen israelischen Pass abzugeben. Berliner Zeitung, 20. März 2022, abgerufen am 31. Januar 2024.
  11. Süddeutsche Zeitung: Tomer Dotan-Dreyfus über den Nahostkonflikt. 8. Januar 2024, abgerufen am 13. März 2024.
  12. a b Tomer Dotan-Dreyfus und sein Roman „Birobidschan“: In der sibirischen Flüsternis. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 2. Februar 2024]).
  13. Der Krieg in Nahost: Wie geht die Frankfurter Buchmesse damit um? NDR, 18. Oktober 2023, abgerufen am 13. März 2024.
  14. Interview: Larissa Kunert: Tomer Dotan-Dreyfus: »Der Kitsch ist Absicht«. nd neues deutschland, 8. November 2023, abgerufen am 13. März 2024.
  15. Tomer Dotan-Dreyfus: „Die Rechten instrumentalisieren unsere Trauer“. Welt, 23. November 2023, abgerufen am 13. März 2024.