TERF ist ein Akronym für englisch Trans-Exclusionary Radical Feminist („Trans-ausschließende(r) Radikalfeminist(in)“). Es soll ausdrücken, dass die damit bezeichnete Person transgeschlechtliche Personen, insbesondere Transfrauen diskriminiert oder die Transidentität als solche infrage stellt. Letzteres wird auch Transmisogynie genannt. Personen, die mit TERF bezeichnet werden, sehen dies meist als frauenfeindliche Beleidigung und als gegen sie gerichteten Kampfbegriff.

Begriffsgeschichte Bearbeiten

Die Abkürzung wurde 2008 zum ersten Mal im englischsprachigen Raum benutzt.[1][2] Als Akronym wurde sie Ende der 2000er Jahre von der feministischen Bloggerin Viv Smythe als „absichtlich technisch neutrale Bezeichnung“[3] geschaffen, mit der sich cis-Radikalfeministinnen von trans-exklusiven Ansätzen abgrenzen wollten.[4] Smythe erklärt, der Begriff sei nicht beleidigend gemeint gewesen, und betont, dass sie mit vielen trans-inklusiven Radikalfeministinnen produktiv zusammengearbeitet habe.[5] 2008 analysierte sie radikalfeministische Standpunkte und schuf mit TERF eine Bezeichnung für Gruppen, die trans Personen aus ihrem Feminismus ausschlossen. Radikalfeminismus konzentriert sich darauf, gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse aus patriarchalen Strukturen zu analysieren. Ein Fokus liegt dabei beispielsweise in der Beseitigung bestehender Geschlechterrollen und damit verbundener Hierarchien.[6]

Die Bezeichnung TERF wird häufig online und vor allem von trans-inklusiven Feministinnen verwendet. Von trans-exklusiven Aktivistinnen, die ihn als misogyne Beleidigung sehen, wird er abgelehnt.[7] Die Bezeichnung wird inzwischen auch auf transfeindliche Personen und Gruppen angewandt, die sich nicht als radikalfeministisch verstehen, was auch unter trans-inklusiven Feministinnen zu Debatten über die Begriffsverwendung führte.[7] Als die Verwendung von „TERF“ 2013 in sozialen Medien an Popularität gewann, begann die Anwältin und Aktivistin Elizabeth Hungerford die Bezeichnung „gender critical“ („genderkritisch“) zu popularisieren, die inzwischen zu einer verbreiteten Selbstbezeichnung der als TERFs Bezeichneten avanciert war.[8]

Analog zu TERF wurde für den Ausschluss von Sexarbeiterinnen der Begriff SWERF (für Sex Worker Exclusionary Radical Feminism, „Sexarbeiterinnen ausschließender Radikalfeminismus“) geprägt.[9]

Im Bedeutungsinhalt von TERF ist nicht definiert, wann Feminismus als „radikal“ anzusehen ist oder ab welcher Intensität „Invalidierung“ oder „Diskriminierung“ vorliegen. Es gibt sowohl trans-inklusive Radikalfeministinnen als auch als TERF bezeichnete Feministinnen, die nicht dem Radikalfeminismus zuzuordnen sind. Teilweise wird die Bezeichnung auch für Personen verwendet, die sich nicht als Feministinnen sehen.[10] Innerhalb des Radikalfeminismus bezogen mehrere prominente Stimmen wie Catharine MacKinnon gegen die von ihnen als essentialistisch kritisierte Ideologie von „TERFs“ Position. Manche Feministinnen, die nicht dem Radikalfeminismus zuzuordnen sind, werden dennoch als TERF bezeichnet.[5][11]

In der Boston Review äußerte sich der ehemalige Partner von Andrea Dworkin, John Stoltenberg, gegen die affirmative Bezugnahme auf Dworkin durch trans-exklusive Radikalfeministinnen und betonte, dass Dworkin sich gegen biologischen Essenzialismus und für trans Menschen eingesetzt habe.[12]

Weitere Verbreitung fand der Begriff in Diskussionen um prominente Persönlichkeiten.[13][14] Alice Schwarzer und die von ihr herausgegebene Zeitschrift Emma sah sich solchen Vorwürfen nach einem Aufsatz im Dezember 2019 konfrontiert. Im internationalen Bereich wurde der Begriff durch die Verwendung für Joanne K. Rowling einem breiten Publikum bekannt, nachdem diese ihn in sozialen Medien zu dem Themengebiet geäußert hatte.

Debatte um „TERF“ als Beleidigung Bearbeiten

Talia Mae Bettcher konstatiert, dass die Bezeichnung "TERF" unabhängig davon, ob sie eine Beleidigung sei oder nicht, den Austausch über tiefe Differenzen hinweg erschwere.[15]

TERF ist eine Beleidigung Bearbeiten

Viele der als TERF Bezeichneten sehen in der Bezeichnung eine misogyne Beleidigung. In Reaktion auf einen Artikel in der Zeitschrift Philosophy and Phenomenological Research äußerten sieben britische und australische Philosophinnen, dass „TERF im schlimmsten Fall eine Beleidigung („slur“) und bestenfalls abwertend“ sei, um Lesben, die „das dominante Narrativ zu Trans-Fragen nicht teilen“, zu verunglimpfen und abzutun.[16]

Judith Suissa und Alice Sullivan stellen die Bezeichnung in eine Reihe mit historischen Versuchen, Frauen abzuwerten und zum Verstummen zu bringen. Die Bezeichnung werde im Englischen als Ersatz für Schimpfwörter wie witch, bitch oder cunt verwendet.[17]

Auch die österreichische Politikerin Faika El-Nagashi (Grüne) bezeichnet TERF als „ein Schimpfwort, eine Attacke“.[18]

Laut Inge Bell war TERF wohl ursprünglich als Beschreibung gemeint. Seit 2020 werde das Wort als Schimpfwort verwendet, um Frauenrechtlerinnen aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Bell klagte vor dem Landgericht München I gegen die baden-württembergische Grünen-Politikerin und Transfrau Maike Pfuderer, die Bell öffentlich als TERF beleidigt hatte. Das Urteil untersagt Pfuderer unter Androhung von 250.000 Euro Ordnungsgeld oder Ordnungshaft, Bell weiterhin als TERF zu beleidigen oder weiter zu behaupten, Bell würde mit Rechtspopulisten auftreten.[19]

Die britische Medienaufsichtsbehörde OfCom ordnet das Kürzel TERF in ihrem 2021 erschienenen Handbuch zu „beleidigender Sprache“ (offensive language) als milde Form von beleidigender Sprache ein, die in den meisten Fällen nicht besorgniserregend ist und weist zudem darauf hin, dass von den Teilnehmern einer von Ipsos MORI durchgeführten Untersuchung zu diesem Thema nur weniger als 40 % diesen Begriff kannten[20].

TERF ist keine Beleidigung Bearbeiten

Christopher Davis und Elin McCready brachten hingegen vor, dass sich TERF nicht als Abwertung bezeichnen lasse. Die Bezeichnung drücke zwar Wut oder Abwertung gegenüber den so Bezeichneten aus, allerdings handele sich beim TERF-Sein nicht um eine der Personen inhärente Eigenschaft, sondern um eine Ideologie. Ob die so Bezeichneten einer ausgegrenzten Gruppe angehörten, sei strittig, schließlich fühlten sich gerade trans Menschen von trans-exklusiven Feministinnen ausgegrenzt.[21]

Ruth Pearce, Sonja Erikainen und Ben Vincent halten es für wichtig, bei der Debatte Machtverhältnisse zu berücksichtigen; in vielen Fällen stelle die Verwendung durch Angehörige einer marginalisierten Gruppe und ihre Verbündete eine Art dar, Wut und Frustration gegenüber einer Ideologie auszudrücken, die primär von systemisch privilegierten cis Menschen ausgehe.[7]

Laut der Trans-Historikerin Cristan Williams hat der Ausdruck „wenig schmeichelhafte Beiklänge“, genau wie die Ausdrücke „Scheinheiliger“, Frauenfeind oder „Rassist“, die auch von so Bezeichneten abgelehnt würden, obwohl sie notwendig sein könnten, um bestimmte Einstellungen, Vorurteile, Verhaltens- und Ausdrucksweisen sowie die daraus entstehenden Unterdrückungsstrukturen zu benennen. Sie äußert die Vorstellung, es gebe einen TERF-Aktivismus, der teilweise ein „unterdrückerisches, gewalttätiges, ja mörderisches anti-trans-Verhalten“ zeige.[8]

Die Philosophin Judith Butler zeigte sich verwundert darüber, dass TERF von manchen als Beleidigung angesehen wird. Sie stellte die (rhetorische) Frage, wie diese Menschen, die den Ausschluss (englisch exclusion) von trans Frauen aus Frauenräumen bevorzugen und die sich selbst einer Strömung des Radikalfeminismus, die gegen Geschlechtsangleichung ist, angehörig fühlen, sonst bezeichnen werden möchten. Die Position von TERFs greife allerdings die Würde von trans Menschen an.[22]

Literatur Bearbeiten

  • Ben Vincent, Sonja Erikainen, Ruth Pearce (Hrsg.): TERF wars. Feminism and the fight for transgender futures. (= Sociological Review Monograph Series, 68/4). Sage, London 2020.

Weblinks Bearbeiten

Wiktionary: TERF – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Tasha Oren, Andrea L. Press: The Routledge Handbook of Contemporary Feminism. Routledge, New York 2019, ISBN 978-1-138-84511-4, S. 130 (englisch; Seitenvorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Linus Giese: Transfeindlichkeit unter Frauen: Besorgte Feministinnen. In: Der Tagesspiegel, 5. April 2019, abgerufen am 21. September 2020.
  3. Christopher Davis, Elin McCready: The Instability of Slurs. In: Grazer Philosophische Studien 97, Heft 1 (2020), ISSN 1875-6735, doi:10.1163/18756735-09701005, S. 63–85, hier S. 83.
  4. Rachel McKinnon: The Epistemology of Propaganda. In: Philosophy and Phenomenological Research. Band 96, Nr. 2, 2018, ISSN 1933-1592, S. 483–489, doi:10.1111/phpr.12429 (wiley.com [abgerufen am 11. November 2021]).
  5. a b Cristan Williams: Radical Inclusion: Recounting the Trans Inclusive History of Radical Feminism. In: TSQ: Transgender Studies Quarterly. Band 3, Nr. 1-2, Mai 2016, ISSN 2328-9252, S. 254–258, doi:10.1215/23289252-3334463 (dukeupress.edu [abgerufen am 20. Januar 2022]).
  6. TERFs Falsche Freundinnen – Feminismus für privilegierte Frauen. In: Gunda-Werner-Institut. Abgerufen am 23. Januar 2022.
  7. a b c Ruth Pearce, Sonja Erikainen, Ben Vincent: TERF wars: An introduction. In: The Sociological Review. Band 68, Nr. 4, Juli 2020, ISSN 0038-0261, S. 677–698, doi:10.1177/0038026120934713 (sagepub.com [abgerufen am 11. November 2021]).
  8. a b Cristan Williams: TERFs. In: The SAGE Encyclopedia of Trans Studies. SAGE Publications, Inc., Thousand Oaks 2021, S. 823–825 (sagepub.com [abgerufen am 20. Januar 2022]).
  9. Inga Hofmann: Was bedeutet Terf? In: Der Tagesspiegel. 21. Januar 2022, abgerufen am 22. Januar 2022.
  10. Claire Thurlow: From TERF to gender critical: A telling genealogy? In: Sexualities. 30. September 2022, ISSN 1363-4607, S. 136346072211078, doi:10.1177/13634607221107827 (sagepub.com [abgerufen am 28. März 2023]).
  11. Catharine A. MacKinnon, Finn Mackay, Mischa Schuman, Sandra Fredman,Ruth Chang: Exploring Transgender Law and Politics. In: Signs: Journal of Women in Culture and Society. 2023, abgerufen am 31. Mai 2023 (amerikanisches Englisch).
  12. John Stoltenberg: Andrea Dworkin Was a Trans Ally. In: Boston Review. 8. April 2020 (bostonreview.net [abgerufen am 4. April 2022]).
  13. Meredith G. F. Worthen: This is my TERF! Lesbian Feminists and the Stigmatization of Trans Women. In: Sexuality & Culture. Band 26, 5. Mai 2023, S. 1782–1802, doi:10.1007/s12119-022-09970-w.
  14. Carly Thomsen und Laurie Essig: Lesbian, feminist, TERF: a queer attack on feminist studies. In: Journal of Lesbian Studies. Band 26, 5. Mai 2023, S. 1782–1802, doi:10.1080/10894160.2021.1950270.
  15. Talia Mae Bettcher: Trans Feminism: Recent Philosophical Developments: Recent Philosophical Developments. In: Philosophy Compass. Band 12, Nr. 11, November 2017, S. e12438, doi:10.1111/phc3.12438 (wiley.com [abgerufen am 4. April 2023]).
  16. Colleen Flaherty: Philosophers object to a journal's publication 'TERF,' in reference to some feminists. Is it really a slur? In: Insider Higher Ed. 29. August 2018, abgerufen am 21. Januar 2022 (englisch).
  17. Judith Suissa, Alice Sullivan: The Gender Wars, Academic Freedom and Education. In: Journal of Philosophy of Education. Band 55, Nr. 1, Februar 2021, S. 55–82, doi:10.1111/1467-9752.12549 (englisch, Vollversion auf wiley.com).
  18. Florian Klenk: Das Wort Frau darf nicht verschwinden. Interview. In: Falter. 12. Juli 2022, abgerufen am 4. September 2022.
  19. Debatte um Transgender Frauenrechtlerin siegt gegen Transfrau vor Gericht und protestiert gegen militante Minderheit, [Focus], 4. August 2023
  20. Ipsos MORI Public Affairs: Public attitudes towards offensive language on TV and Radio: Quick Reference Guide. (pdf) Ipsos MORI research for Ofcom. OfCom, 2021, S. 4, 15, abgerufen am 31. Dezember 2023 (englisch).
  21. Christopher Davis, Elin McCready: The Instability of Slurs. In: Grazer Philosophische Studien. Band 97, Nr. 1, 4. März 2020, ISSN 0165-9227, S. 63–85, doi:10.1163/18756735-09701005 (brill.com [abgerufen am 21. Januar 2022]).
  22. Alona Ferber: Judith Butler on the culture wars, JK Rowling and living in “anti-intellectual times”. In: New Statesman. 22. September 2020, abgerufen am 21. Januar 2022 (englisch).