Als Streckspinnverfahren bzw. Spinnstreckverfahren (engl. spin-draw process) bezeichnet man bei der Chemiefaserherstellung die Zusammenfassung der zwei getrennten Prozessstufen Spinnen und Strecken (Verstrecken) in einem Arbeitsgang. Gegenüber dem Zwei-Stufen-Prozess werden die Produktionskosten gesenkt, die Produktivität erhöht und der Energieverbrauch verringert.[1][2]

Das Streckspinnen wurde zuerst von Friedrich Lehner beim Herstellen der Kollodiumseide (Nitrokunstseide) Anfang der 1890er Jahre angewendet.[3] Ernst Thiele hat Anfang des 20. Jahrhunderts das Verfahren des Streckspinnens für das Herstellen der Kupferoxidammoniakzelluloseseide eingesetzt, wozu er das sog. Trichterspinnverfahren entwickelte.[4][5][6] Allerdings scheiterte er aber in der Folgezeit bei der technischen Umsetzung seines Verfahrens an der Unzulänglichkeit seiner Spinnlösungen. Emil Elsässer brachte bei der Firma J. P. Bemberg AG durch Verwendung einer modifizierten Cuoxam-Lösung das Verfahren zur technischen Reife.[7][8][9] 1934 wurde von Gruz und Rogowin nachgewiesen, dass das Trichterspinnen auch auf Viskose übertragen werden kann. Otto Eisenhut brachte Mitte der 1930er Jahre dieses Verfahren beim Spinnen von Viskoseseide zur betrieblichen Reife, so dass es in der Thüringischen Zellwolle AG im betriebliche Großmaßstab betrieben werden konnte.[10]

Schon Anfang der 1940er Jahre versuchte man beim Schmelzspinnen von Synthesefaserstoffen, das Spinnen und Verstrecken auf einer Maschine zu kombinieren. Das gelang mit befriedigenden Resultaten aber erst 30 Jahre später, da erst dann die notwendigen hohen Abzugsgeschwindigkeiten konstruktiv bewältigt werden konnten.[11]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hans-J. Koslowski: Chemiefaser – Lexikon . 12., erweiterte Auflage. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-87150-876-9, S. 208, S. 237
  2. Gajanan Bhat (Hrsg.); Structure and Properties of High-Performance Fibers. Elsevier 2017, ISBN 978-0-08-100550-7, S. 204.
  3. Patent DE58508C: Verfahren und Vorrichtung zur Herstellung künstlicher Seide. Angemeldet am 16. September 1890, veröffentlicht am 28. August 1891, Erfinder: F. Lehner.
  4. Patent DE157157A: Verfahren zur Erzeugung von Fäden aus Zelluloselösungen. Angemeldet am 9. März 1901, veröffentlicht am 20. Dezember 1904, Erfinder: Edmund Thiele.
  5. Valentin Hottenroth: Die Kunstseide. Zweite erweiterte Auflage, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1930, S. 159.
  6. Kurt Götze: Chemiefasern nach dem Viskoseverfahren. Dritte völlig neugestaltete Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1967, ISBN 978-3-642-85887-1, S. 603f.
  7. Biographie Edmund Thiele
  8. Patent DE220051A: Maschine zum Verspinnen viskoser Flüssigkeiten unter Anwendung bewegter Flüssigkeiten zur Förderung des Fadens. Angemeldet am 16. Mai 1907, veröffentlicht am 12. März 1910, Erfinder: J. P. Bemberg AG.
  9. Zakhar Aleksandrovič Rogowin: Chemiefasern: Chemie – Technologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 1982, ISBN 3-13-609501-4, S. 177f.
  10. Hermann Klare: Geschichte der Chemiefaserforschung. Akademie-Verlag, Berlin 1985, S. 117.
  11. Hermann Klare: Geschichte der Chemiefaserforschung. Akademie-Verlag, Berlin 1985, S. 287.