Staudinger-Reaktion

Namensreaktion zur Synthese von Aminen aus Aziden

Die Staudinger-Reaktion (auch Staudinger-Reduktion) ist eine Namensreaktion aus dem Bereich der organischen Chemie. Sie ist nach ihrem Entwickler Hermann Staudinger benannt.[1]

Übersicht der Staudinger-Reaktion
Übersicht der Staudinger-Reaktion

Die Staudinger-Reaktion dient der Synthese von primären Aminen aus Aziden. Die Staudinger-Reaktion ist eine milde Alternative zu anderen Aminsynthesen, z. B. zur Gabriel-Synthese. Die benötigten Azide sind meist gut durch Substitution aus den entsprechenden Halogenalkanen zugänglich.

Sie ist nicht mit der Keten-Cycloaddition nach Staudinger[2] zu verwechseln (manchmal auch als Staudinger-Reaktion bezeichnet).[3]

Reaktionsmechanismus Bearbeiten

Der Reaktionsmechanismus der Staudinger-Reaktion ist nicht vollständig geklärt.[4] Die Staudinger-Reaktion beginnt mit dem nukleophilen Angriff von Triphenylphosphan am eingesetzten Azid 1. Das entstandene Phosphazid 2 cyclisiert nun zu einer Vierringstruktur 3, die unter Abspaltung molekularen Stickstoffs zu einem Phosphazen 4 reagiert. Durch wässrige Aufarbeitung wird das Phosphazen in ein Amin 5 überführt und Triphenylphosphinoxid abgespalten.[5]

 
Reaktionsmechanismus der Staudinger-Reaktion

Beim Rest R des Azids handelt es sich meist um einen Alkyl- oder Arylrest. Anstelle des Triphenylphosphans kann nahezu jedes andere organische Phosphan verwendet werden.[5]

Staudinger Ligation Bearbeiten

Eine im Jahr 2000 entdeckte Weiterentwicklung zur Peptid- bzw. Proteinligation ist als Staudinger-Ligation bekannt.[6][7] Eine spezielle Form ist dabei die sogenannte spurlose Staudinger-Ligation.

Kritik Bearbeiten

Die Atomökonomie der Staudinger-Reaktion ist schlecht, da bei der Synthese stöchiometrische Mengen Triphenylphosphinoxid anfallen. Deshalb ist die Reaktion vorwiegend als Laborverfahren und weniger als technisches Verfahren von Interesse.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. H. Staudinger, J. Meyer: Über neue organische Phosphorverbindungen III. Phosphinmethylenderivate und Phosphinimine. In: Helv. Chim. Acta 1919, 2, 635; doi:10.1002/hlca.19190020164.
  2. Jie Jack Li, Name reactions, 4. Auflage, Springer, 2009, Staudinger ketene cycloaddition, S. 521
  3. Zum Beispiel Thomas T. Tidwell, The first century of Ketenes (1905-2005): the birth of a family of reactive intermediates, Angewandte Chemie, Int. Edition, Band 44, 2005, S. 5779.
  4. Fiona L. Lin, Helen M. Hoyt, Herman van Halbeek, Robert G. Bergman, and Carolyn R. Bertozzi: Mechanistic Investigation of the Staudinger Ligation In: J. Am. Chem. Soc., 2005, 127 (8), S. 2686–2695 doi:10.1021/ja044461m.
  5. a b László Kürti, Barbara Czakó: Strategic Applications of Named Reactions in Organic Synthesis. Elsevier Academic Press, Burlington/San Diego/London 2005, S. 428–429, ISBN 0-12-369483-3.
  6. Eliana Saxon, Carolyn R. Bertozzi: Cell Surface Engineering by a Modified Staudinger Reaction In: Science 2000, 287, 2007–2010; doi:10.1126/science.287.5460.2007.
  7. B. L. Nilsson, L. L. Kiessling, R. T. Raines: Staudinger Ligation: A Peptide from a Thioester and Azide, In: Org. Lett. 2000, 2, 1939–1941; doi:10.1021/ol0060174.