Sen Katayama

japanischer Marxist und Journalist

Sen Katayama (japanisch 片山 潜, Katayama Sen; * 3. Dezember 1859 in Hadegi, Provinz Mimasaka (heute: Kumenan, Präfektur Okayama)[1] als Sugatarō Yabuki (jap. Yabuki Sugatarō, 藪木 菅太郎); † 5. November 1933 in Moskau) war ein japanischer Journalist, Gründer der Sozialdemokratischen Partei Japans (1901), Mitbegründer der Kommunistische Partei der USA (CPUSA) (1919), Mitbegründer der Kommunistischen Partei Japans (1922) und Exekutivmitglied der Kommunistischen Internationale.

Sen Katayama

Leben Bearbeiten

Sugatarō Yabuki wurde als zweiter Sohn eines Bauern in Hadegi, einem Bergdorf nördlich von Okayama in der Provinz Mimasaka (heute Präfektur Okayama) geboren. 1878 wurde er adoptiert und erhielt den Namen Sen Katayama.[2] Seine ersten Lebensjahre verlebte er unter dem Tokugawa-Shōgunat, das 1868 durch die Meiji-Restauration gestürzt wurde. Seine erste Volksschulbildung erhielt er durch einen japanischen Mönch in Tokio. 1884 wanderte er nach San Francisco aus, um eine bessere Bildung zu erlangen. Er immatrikulierte er sich an der Maryville University und 1889 an der Grinell-University in Tennessee. Bei Richard Ely hörte er Vorlesungen über German Socialism und las eine Biografie über Ferdinand Lassalle, die seinen weiteren Lebensweg beeinflusste.[3] 1893 erhielt er den Bachelor of Arts für seine Arbeit: „Geschichte der Einigung Deutschlands“. 1895 beendete ein zusätzliches Studium der Theologie und kehrte 1896 nach Japan zurück.

Sein Heimatland hatte sich sehr verändert. Der Kapitalismus hatte hier Fuß gefasst und der Japanische-Chinesische Krieg 1894/95 zeigte das aggressive Wesen des neuen Staates. Sen Katayama gründete einen Kindergarten und eine Abendschule für Werktätige mit Hilfe eines christlichen Missionars. Er gründete die erste moderne Gewerkschaft in Japan, die Metallarbeitergewerkschaft Tekkō Kumiai. Mit seinen Kampfgefährten Isoo Abe, Naoe Kinoshita und Shūsui Kōtoku gründete er die sozialdemokratische Partei Japans, die am Tag der Gründung verboten wurde. Im Jahre 1900 erließ die Regierung das „Polizeigesetz zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung“ (治安警察法, chian-keisatsu-hō), das es den Behörden erlaubte, jede gewerkschaftliche Tätigkeit zu unterdrücken.[4] 1901 veröffentlichte Sen Katayama seinen ersten Zeitungsartikel in deutscher Sprache in der Zeitschrift „Die Zukunft“ von Maximilian Harden.

An den Sozialistenkongress in Paris 1900 sandte er ein Begrüßungsschreiben.[5] Auf diesem Kongress wurde er in das Sozialistische Büro gewählt und damit begann die offizielle Präsenz der japanischen Sozialisten in der II. Internationale. Nach dem Sieg der deutschen Sozialdemokraten bei der Reichstagswahl 1903 gratulierte Katayama.[6] 1904 nahm er am Internationalen Sozialistenkongress in Amsterdam teil. Seine Rede wurde von Clara Zetkin ins Deutsche und von Rosa Luxemburg ins Französische übersetzt. Mit dem Russisch-Japanischen Krieg 1904/1905 mussten sich die Sozialisten auch in Japan fragen, wie sie zu diesen imperialistischen Auseinandersetzungen verhalten sollte. Die von Sen Katayama geleitete Zeitung „Heimin Shimbun“ erklärte „Die Regierungen der beiden Länder Japan und Rußland haben, um ihre imperialistischen Gelüste zu befriedigen, rücksichtslos einen Kriegsbrand entfesselt. Für die Sozialisten aber gibt es keinen Unterschied in der Rasse, dem Land oder der Nationalität“.[7]

1911/12 leitet Sen Katayama einen Streik der Straßenbahnfahrer von Tokyo. Er wird verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe[8] verurteilt. Danach führte ihn sein Weg wieder nach San Francisco. Während des Ersten Weltkriegs entwickelt er Sympathien für Karl Liebknecht, hält Kontakt zu Alexandra Kollontai, begrüßte 1917 die Februarrevolution und verteidigte die Oktoberrevolution. Er wurde führendes Mitglied der CPUSA. Nach Aufenthalten in Mexiko und Kanada reiste er über Frankreich und Deutschland nach Moskau zum Ersten Kongress der kommunistischen und revolutionären Organisationen des Fernen Ostens im Januar 1922.[9] Auf dem IV. Kongress der Kommunistischen Internationale Ende 1922 wurde er Mitglied des Exekutivkomitees und Mitglied des Präsidiums des EKKI. In dieser Funktion diente er bis zu seinem Tode.

Sein letzter Aufruf, den er an Henri Barbusse und Romain Rolland richtete, galt der Befreiung Ernst Thälmanns und dem Kampf gegen den deutschen Faschismus.[10] Sen Katayama starb am 5. November 1933 und wurde am 9. November an der Kremlmauer beigesetzt. Den Sarg trugen u. a. Stalin und Wilhelm Pieck. 150.000 Menschen nahmen an der Beisetzung teil.[11]

Werke (Auswahl) Bearbeiten

  • Sozialismus in Japan. In: Die Zukunft. Berlin 24. August 1901.[12]
  • Industrie und Sozialismus in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 28.1909-1910, 1. Band (1910), Heft 25, S. 874–880. Digitalisat
  • Japanisch-amerikanische Probleme. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 28.1909-1910, 2. Band (1910), Heft 47, S. 732–742. Digitalisat
  • Die politischen Zustände Japans . In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 29.1910-1911, 1. Band (1911), Heft 4, S. 107–111. Digitalisat
  • Die Ausbeutung der Arbeiter in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 29.1910-1911, 2. Band (1911), Heft 52, S. 917–921. Digitalisat
  • Die soziale Bewegung in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 30.1911-1912, 1. Band.(1912), Heft 21, S. 743–745. Digitalisat
  • Die Steigerung der Lebensmittelpreise in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 31.1912-1913, 1. Band (1913), Heft 21, S. 766–768. Digitalisat
  • Die Stellung der Frau Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 31.1912-1913, 2. Band (1913), Heft 40, S. 500–503. Digitalisat
  • August Bebel in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 32.1913-1914, 1. Band (1914), Heft 4, S. 123–124. Digitalisat
  • Der Verfall des bureaukratischen Regimes in Japan. In: Die Neue Zeit. Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie. 32.1913-1914, 2. Band (1914), Heft 1=27, S. 16–20. Digitalisat
  • The Labor Movement in Japan. Charles H. Kerr, Chicago 1918. Digitalisat
  • Die Eta-Bewegung. Ein machtvoller revolutionärer Faktor in den kommenden proletarischen Emanzipationskämpfen in Japan. In: Die kommunistische Internationale, Nr. 28–30, 1923, S. 114–121.
  • Das allgemeine Wahlrecht in Japan. In: Die kommunistische Internationale, 6. Jg., 1924, Sonderheft, S. 39–47.
  • Koreanische Arbeiter in Japan. In: Die Rote Gewerkschafts-Internationale. Organ des Vollzugsbüros der RGI. 4. Jg. 1924, S. 415 ff.
  • China und Japan. In: Die Rote Gewerkschafts-Internationale. Organ des Vollzugsbüros der RGI. 5. Jg. 1925, S. 141–144.
  • Japan im Bannkreis der Weltwirtschaftskrise. In: Die kommunistische Internationale, 11 Jg., 1939, S. 441–454.

Literatur Bearbeiten

  • Begegnungen mit Lenin. Erzählt von Clara Zetkin, Sen Katayama, Fritz Heckert, William Gallacher, W. P. Koralow, Tom Bell, Marcel Cachin, Gaston Monmousseau, Robert Minor, Friedl Fürnberg, Wilhelm Pieck. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1939.
  • Hyman Kublin: Asian revolutionary. The life of Sen Katayama. Princeton Univ. Press, Princeton, NJ 1964.
  • Lev Vladimirovic Rubinstejn: Put' v tysjacu ri .Povest' o S·en Katajame. Moskau 1971.
  • Hyman Kublin: A Bibliography of the Writings of Sen Katayama in Western Languages. In: Journal of Asian Studies, Ann Arbor, Mich. ISSN 0021-9118, (1951:Nov.) 71.
  • Die Geschichte der Zweiten Internationale. Band 1, Progress, Moskau 1983, S. 610 ff.,[13] S. 781 ff.[14]
  • Rudolf Hartmann: Die Anfänge der sozialistischen Bewegung in Japan und die deutsche Sozialdemokratie. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. ISSN 0005-8068 26. Jg. Heft 2. Dietz Verlag, Berlin 1984, S. 170–183.
  • Rudolf Hartmann: Japanischer Revolutionär und proletarischer Internationalist. Sen Katayama. In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. ISSN 0005-8068 26. Jg. Heft 2. Dietz Verlag, Berlin 1984, S. 238–246.
  • Akiti Yamanouchi: Unpublished Letters of Sen Katayama to Karl Kautsky, 1907 - 1915. In: Memoirs of the Faculty of Education, Miyazaki Univ. (Japan), No. 58, Sept. 1985.
  • Helga Picht: Katayama Sen – Ein japanischer Internationalist. In: Urania Universum. Band 32. Urania-Verlag, Leipzig 1986, S. 437–442.
  • S. Noma (Hrsg.): Katayama Sen. In: Japan. An Illustrated Encyclopedia. Kodansha, 1993. ISBN 4-06-205938-X, S. 753.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Stadt Kumenan: 町の先人たち
  2. Rudolf Hartmann: Japanischer Revolutionär und proletarischer Internationalist. Sen Katayama, S. 238.
  3. Sen Katayama: Waga kaiso (Meine Erinnerungen). Band 1, Tokio 1967, S. 219 zitiert nach Rudolf Hartmann: Japanischer Revolutionär und proletarischer Internationalist. Sen Katayama, S. 239.
  4. Manfred Pohl: Japan. 4., völlig neubearb. Aufl. Beck, München 2002, ISBN 3-406-48104-3, S. 151.
  5. Internationaler Sozialistenkongreß zu Paris. 23. - 27. September 1900. Berlin 1900, S. 5.
  6. Vorwärts. Berlin 29. November 1903.
  7. Heimin Shimbun 13. März 1904. Zitiert nach: Rudolf Hartmann: Die Anfänge der sozialistischen Bewegung in Japan und die deutsche Sozialdemokratie, S. 181.
  8. Fünf Monate, ohne Anrechnung der Untersuchungshaft von vier Monaten. (Rudolf Hartmann: Japanischer Revolutionär und proletarischer Internationalist. Sen Katayama, S. 243.)
  9. Der Erste Kongreß der kommunistischen und revolutionären Organisationen des Fernen Ostens. Moskau, Januar 1922. Hamburg: Verlag der Kommunistischen internationale, 1922; John Sexton (Hg.): Alliance of Adversaries. The Congress of the Toilers of the Far East. Chicago: Haymarket, ²2019; ISBN 1-64259-040-1.
  10. Sen Katayama: Ich appelliere an die Proletarier der ganzer Welt. In: Rundschau 19/1933, September.
  11. Rudolf Hartmann: Japanischer Revolutionär und proletarischer Internationalist. Sen Katayama, S. 246.
  12. Teilweise abgedruckt Vorwärts, Berlin. 24. August 1901.
  13. Kapitel: Die Arbeiterbewegung in Japan. Das Wirken Katayamas Sen.
  14. Kapitel: Die ersten sozialdemokratischen Organisationen. Die Agitation der Sozialisten gegen den Krieg.