Die Schmiegkugel, oder Schmiegekugel oder in älterer Literatur Schmiegungskugel[1][2], ist im mathematischen Teilgebiet der Differentialgeometrie eine Kugel, die sich einer regulären Kurve im dreidimensionalen Anschauungsraum in einem gegebenen Kurvenpunkt bestmöglich anschmiegt. Es handelt sich um die Verallgemeinerung des Krümmungskreises oder Schmiegkreises einer ebenen Kurve auf Raumkurven.

Definitionen Bearbeiten

Es sei   eine Frenet-Kurve und   sei ein Punkt aus dem Inneren des Definitionsintervalls  . Man sagt, eine Kugel mit Mittelpunkt   und Radius   schmiege sich der Kurve an der Stelle   bzw. in   optimal an, wenn die Funktion

 

und möglichst viele ihrer Ableitungen   verschwinden, wobei   das Skalarprodukt im   bezeichnet. Verschwinden die ersten   Ableitungen, was entsprechende Differenzierbarkeitsvoraussetzungen an   erfordert, so sagt man, die Kugel berühre   im Punkt   in  -ter Ordnung.

Es sei weiter   das begleitende Frenet-Dreibein und   und   seien Krümmung beziehungsweise Torsion der Kurve  .

Eindeutige Existenz der Schmiegkugel Bearbeiten

 
Die Schmiegkugel berührt die Kurve in dritter Ordnung.

Die Frenet-Kurve   habe im Punkt   eine von 0 verschiedene Krümmung und Torsion. Dann gibt es genau eine Kugel, die die Kurve im Punkt   in dritter Ordnung berührt und mit obigen Bezeichnungen gelten für Mittelpunkt und Radius folgende Formeln:[3][4][5][6]

 
 

Da   und da das Frenet-Dreibein ein Orthonormalsystem ist, ergibt sich die Radiusformel direkt aus der Mittelpunktsformel.

Man beachte, dass   in dieser Formel nicht vorkommt, das heißt der Mittelpunkt der Schmiegkugel liegt stets in der Normalebene, das ist die zum Tangentenvektor orthogonale Ebene durch den Kurvenpunkt  .

Sphärische Kurven Bearbeiten

Frenet-Kurven mit nicht-verschwindender Torsion, deren Bild in einer festen Kugeloberfläche liegt, zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Schmiegkugeln in jedem Punkt mit dieser festen Kugel übereinstimmen, solche Kurven nennt man sphärisch. Insbesondere ist der Mittelpunkt

 

konstant. Es muss also   gelten. Wertet man diese Bedingung unter Hinzuziehung der frenetschen Formeln aus, so erhält man:[7]

Das Bild einer viermal differenzierbaren Frenet-Kurve mit nicht-verschwindender Torsion liegt genau dann in einer festen Kugeloberfläche, wenn Krümmung   und Torsion   der folgenden Differentialgleichung genügen:

 .

Für Kurven mit verschwindender Torsion kann eine solche Charakterisierung natürlich nicht gelten, Beispiele für solche Kurven sind in einer Kugeloberfläche enthaltene Kreise, denn diese haben als ebene Kurven die Torsion 0.

Schon wegen des Hauptsatzes der Kurventheorie können Krümmung und Torsion für sphärische Kurven nicht unabhängig sein. Da es sich um differentielle Größen handelt, muss man eine Beziehung in Form einer Differentialgleichung zwischen ihnen erwarten. Man beachte, dass die oben angegebene Differentialgleichung eine Überprüfung der sphärischen Eigenschaft erlaubt, ohne die Kugel dazu ermitteln zu müssen.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wilhelm Schell: Allgemeine Theorie der Curven doppelter Krümmung Teubner-Verlag (1859), Cap. V: Die Schmiegungskugel und der gerade Schmiegungskegel
  2. David Hilbert, Stefan Cohn-Vossen: Anschauliche Geometrie, Springer-Verlag (1932), Ende §27
  3. Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik, Band 4, Seite 466
  4. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, Vieweg-Verlag (1999), ISBN 978-3-8348-0411-2, Satz 2.10 (i)
  5. Wilhelm Blaschke, Kurt Leichtweiß: Elementare Differentialgeometrie, Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Springer-Verlag (1973), ISBN 978-3-540-05889-2, §14: Schmiegkugeln
  6. Thomas Banchoff, Stephen Lovett: Differential Geometry of Curves and Surfaces, CRC Press (2016), ISBN 978-1-4822-4737-4, Kapitel 3.3: Osculating Plane and Osculating Sphere
  7. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, Vieweg-Verlag (1999), ISBN 978-3-8348-0411-2, Satz 2.10 (ii)