Satz von Friedberg und Muchnik

mathematischer Satz

Der Satz von Friedberg und Muchnik ist ein Ergebnis der Berechenbarkeitstheorie und mathematischen Logik, das 1956/1957 unabhängig voneinander von Richard M. Friedberg und Albert Muchnik bewiesen wurde. Es besagt, dass es rekursiv aufzählbare Turinggrade gibt, die zwischen 0 und 0′ liegen. Damit gibt es also rekursiv aufzählbare Mengen, die nicht entscheidbar sind, aber im Sinne der Turingreduktion leichter als das Halteproblem. Für ihre Beweise entwickelten Friedberg und Muchnik eine neue Beweistechnik, die als Prioritätsmethode oder Prioritätsargument bekannt ist und die zu einer wichtigen Technik in der Berechenbarkeitstheorie wurde.

Geschichte Bearbeiten

Emil Post untersuchte in einer Arbeit von 1944 die Turinggrade und fragte, ob es rekursiv aufzählbare Turinggrade zwischen 0 und 0′ gibt. Diese Frage wurde als Postsches Problem bekannt. Post definierte die einfachen Mengen und konnte zeigen, dass diese unter der many-one-Reduktion strikt zwischen den entscheidbaren Mengen und dem Halteproblem liegen, ohne dies auch für die stärkere Turingreduktion zeigen zu können. J.C.E. Dekker zeigte 1954, dass dies unmöglich ist, da es einfache Mengen in 0′ gibt.[1] Das Problem wurde 1956/57 unabhängig voneinander von Friedberg und Muchnik durch die neu entwickelte Prioritätsmethode gelöst. 1986 veröffentlichte Antonín Kučera eine neue Lösung, die kein Prioritätsargument benötigt.

Beweis Bearbeiten

Idee Bearbeiten

Der folgende Beweis folgt der Darstellung von Cooper 2004 und beruht auf den ursprünglichen Beweisen von Friedberg und Muchnik.

Es werden simultan zwei rekursiv aufzählbare Mengen   und   konstruiert, die aufeinander jeweils nicht Turing-reduzierbar sind:   und  . Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, folgt direkt die Aussage des Satzes. Denn wenn   oder   entscheidbar wäre, ließe es sich auf die andere Menge Turing-reduzieren, und da alle rekursiv aufzählbaren Mengen auf das Halteproblem Turing-reduzierbar sind, können A und B auch nicht in 0′ liegen.

Diese Anforderungen werden durch eine unendliche Liste von Anforderungen sichergestellt. Sei   eine berechenbare Aufzählung der Orakel-Turingmaschinen. Dann gibt es für jede Maschine   zwei Anforderungen:

  •  :   beschreibt keine Turingreduktion von   auf  . Formal:  
  •  :   beschreibt keine Turingreduktion von   auf  . Formal:  

Wenn alle   erfüllt sind, gibt es keine Turingreduktion von   auf   und es gilt  . Analog gilt  , wenn alle   erfüllt sind.

Die Anforderungen sind nach ihrer Priorität geordnet, sodass   höchste Priorität hat,   zweithöchste etc.

Es werden berechenbare Folgen endlicher Mengen   und   konstruiert. A und B sind dann die unendlichen Vereinigungen dieser Folgen:   und  . Da die Folgen berechenbar sind, sind ihre Vereinigungen   und   rekursiv aufzählbar.

Es ist  . Im  -ten Schritt der Konstruktion werden aus   und   die Mengen   und   konstruiert. Die Konstruktion wird von Strategien übernommen. Jede der Anforderungen hat eine Strategie, die versucht, diese Anforderung zu erfüllen.

Strategien Bearbeiten

Intuition Bearbeiten

Jede Strategie   muss erzwingen, dass eine Ungleichung   gilt. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Strategie fügt einen Zeugen   zu   hinzu, der nicht in   liegt, oder sie erzwingt, dass es einen Zeugen   gibt, der in   liegt und nie nach   gelangt. Dabei gibt es zwei Schwierigkeiten. Zum einen ist   nicht immer eine totale Funktion und die Frage   ist daher unentscheidbar. Dies wird dadurch gelöst, dass die Strategie im  -ten Schritt der Konstruktion nur die ersten   Schritte der Berechnung von   durchführt. Wenn   nach   Schritten hält, dann wird die Strategie den Wert von   im  -ten Schritt der Konstruktion erfahren und kann entsprechend bestimmen, ob   nach   gelangt oder nicht. Hält   nicht, dann beschreibt   keine totale Funktion und somit keine Turingreduktion. Damit ist   automatisch erfüllt.

Zum anderen ist   während der Konstruktion von   noch nicht vorhanden, da beide Mengen simultan konstruiert werden. Daher erhält die Orakelmaschine   als Orakel im  -ten Schritt statt   die endliche Menge  . Eine Orakelturingmaschine kann, falls sie hält, nur endlich viele Orakelanfragen stellen. Damit genügt es, zu fordern, dass alle späteren Mengen   auf allen Zahlen   (  ist größte Orakelanfrage in der Berechnung von  ) mit   übereinstimmen, um zu gewährleisten, dass   ist. Die Strategie setzt daher   als  -Beschränkung fest, das heißt keine Strategie   darf zukünftig Zahlen   zu   hinzufügen.

Die Strategien   arbeiten vollkommen analog, mit vertauschten Rollen von   und  . Diese Strategien können also analog  -Beschränkungen einführen, welche die  -Strategien in der Wahl der Zeugen beschränken. Eine Beschränkung kann nun aber auch den Zeugen einer bereits aktiven Strategie unbrauchbar machen, wenn dieser kleiner als   ist. Die Lösung ist, dass jede Strategie nur diejenigen Beschränkungen beachtet, die von einer Strategie höherer Priorität aufgestellt wurden. Erkennt eine Strategie, dass sie verletzt wurde, das heißt, dass eine von ihr aufgestellte Beschränkung von einer Strategie höherer Priorität verletzt wurde, wählt sie einen neuen Zeugen und beginnt von vorne.

Nun lässt sich wie folgt induktiv zeigen, dass jede Strategie nur endlich viele Male verletzt wird, also irgendwann endgültig erfüllt wird. Da   höchste Priorität hat, wird es nie verletzt. Da es für jedes   nur endlich viele Anforderungen mit höherer Priorität gibt, die alle nach Induktionsvoraussetzung nur endlich oft verletzt werden, wird   ebenfalls nur endlich oft verletzt, da es nur von Strategien mit höherer Priorität verletzt werden kann.

Formalisierung Bearbeiten

Jede Anforderung der Form   hat eine Strategie, die sich wie folgt prozedural darstellen lässt:

  1. Wähle einen potentiellen Zeugen x für  , wobei x noch nicht in A liegt, über allen A-Beschränkungen mit höherer Priorität liegt und nicht schon als Zeuge gewählt wurde.
  2. In jedem späteren Schritt  , überprüfe ob eine der folgenden Bedingungen gilt:
    1. x liegt unter einer A-Beschränkung mit höherer Priorität. In diesem Fall wurde   verletzt und geht zurück nach (1).
    2.  . In diesem Fall geht die Strategie nach (3). Dabei ist   das Ergebnis der ersten   Schritte der Berechnung von  .
  3.   wird zu   hinzugefügt.
  4. Sei z die größte Orakelanfrage, die bei der Berechnung von   gestellt wurde. Dann wird die B-Beschränkung z hinzugefügt.
  5. In jedem späteren Schritt   wird überprüft, ob x unter einer A-Beschränkung mit höherer Priorität liegt. Wenn ja, geht die Strategie nach (1) zurück.

Die Anforderungen   haben analoge Strategien, in denen A und B vertauscht sind.

Dabei beginnt die Strategie für die  -te Anforderung ihre Aktivität im  -ten Schritt der Konstruktion bei (1). In jedem Schritt   sind alle Strategien   für   aktiv. Damit müssen in jedem Schritt nur endlich viele Strategien berücksichtigt werden. Da jede Strategie berechenbar ist, ist somit wie gefordert jedes   und   berechenbar.

Wie oben gezeigt, wird jede Strategie nur endlich viele Male verletzt. Zudem ist zu zeigen, dass die Anforderung   erfüllt ist, wenn die zugehörige Strategie nicht mehr verletzt wird. Da jede Strategie   nur endlich oft verletzt wird und nach (1) zurückgeht, bleiben zwei mögliche Ergebnisse (hier für   dargestellt, analog für  ):

  •   wartet unendlich lang bei (2), d. h.   wird für kein   erfüllt. Dann ist   entweder undefiniert oder gleich 1. Da   nicht in   liegt, ist in beiden Fällen   erfüllt.
  •   erreicht (5), ohne wieder verletzt zu werden. Da   in (3) zu   hinzugefügt wurde, ist  . Andererseits ist  . Aufgrund der von   hinzugefügten B-Beschränkung hat sich der relevante Teil von   nicht verändert und  .

Analog lässt sich zeigen, dass alle   erfüllt werden.

Literatur Bearbeiten

  • S. B. Cooper: Computability Theory. Chapman & Hall/CRC, 2004. ISBN 1-58-488237-9
  • Richard M. Friedberg: Two recursively enumerable sets of incomparable degree of unsolvability (solution of Post's problem 1944). In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 43, S. 236–238 (pnas.org [PDF]).
  • Antonín Kučera: An alternative, priority-free solution to Post's problem. In: Springer Lecture Notes in Computer Science. Band 233, 1986, S. 493–500.
  • A. A. Muchnik: Über die Unlösbarkeit des Problems der Reduzierbarkeit in der Theorie der Algorithmen. (russisch). In: Doklady Akademii Nauk SSSR (N.S.). Band 108, 1956, S. 194–197.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. J.C.E.Dekker: A theorem on hypersimple sets. In: Proceedings of the American Mathematical Society. Band 5, 1954, S. 791–796.