Remifentanil

chemische Verbindung

Remifentanil ist ein extrem kurzwirksames, hochpotentes Opioid, das insbesondere in der Anästhesie Anwendung findet.

Strukturformel
Struktur von Remifentanil
Allgemeines
Freiname Remifentanil
Andere Namen

3-{4-Methoxycarbonyl-4-[(1-oxopropyl)phenyl-amino]-1-piperidin}propansäure-methylester

Summenformel C20H28N2O5
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer (Listennummer) 685-601-1
ECHA-InfoCard 100.211.201
PubChem 60815
ChemSpider 54803
DrugBank DB00899
Wikidata Q417902
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N01AH06

Wirkstoffklasse

Opioid-Analgetikum

Eigenschaften
Molare Masse 376,45 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

212–214 °C (Hydrochlorid)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​317​‐​370
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Pharmakologie Bearbeiten

Remifentanil ist ein reiner µ-Agonist mit einer relativen Potenz von 200 (zur Referenzsubstanz Morphin). Zum Wirkspektrum gehören die typischen Opioidwirkungen wie Analgesie, Miosis und besonders ausgeprägt die Sedierung und Atemdepression, weshalb ein sicherer Umgang mit diesem Opioid nur unter klinischen Bedingungen gewährleistet ist. Der Abbau erfolgt organunabhängig durch unspezifische Esterasen, daher ist eine Dosisanpassung bei Leber- oder Nierenfunktionseinschränkung nicht notwendig. Es wird zu 98 % durch Hydrolyse der Esterbindung und zu 2 % durch N-Dealkylierung abgebaut; die entstehenden Verbindungen haben praktisch keine opioide Wirkung mehr. Die Halbwertszeit des Remifentanils wird mit sechs Minuten oder weniger angegeben.[3]

Anwendungsgebiete Bearbeiten

Remifentanil wird vor allem im Rahmen der totalen intravenösen Anästhesie (TIVA) eingesetzt, meist in Kombination mit Propofol. Aufgrund der kurzen terminalen Eliminationshalbwertzeit von nur 12–30 Minuten[4] wird Remifentanil meist kontinuierlich z. B. über eine Spritzenpumpe zugeführt. Es kommt daher auch kaum zur Kumulation im Fettgewebe; Wirkungsüberhänge sind sehr unwahrscheinlich. Die hierdurch ermöglichte sehr gute Steuerbarkeit hat zu einer weiten Verbreitung, speziell in der ambulanten Anästhesie, beigetragen. Daneben kann es unter entsprechender Überwachung als kurzwirksames Monoanalgetikum bei weniger schmerzhaften Maßnahmen (z. B. Lithotripsie) genutzt werden. Die kurze und gleichbleibende kontextsensitive Halbwertszeit der Substanz führt allerdings auch dazu, dass kurz nach Beendigung der Zufuhr keine Analgesie mehr besteht und zusätzlich, abhängig von der Schmerzintensität, ein weiteres Analgetikum gegeben werden muss.

Besonderheiten Bearbeiten

Die Dosierung von Remifentanil muss dem Alter angepasst werden. Deutliche Blutdruck- und Herzfrequenzabfälle sind insbesondere bei höheren Dosierungen und in wenig schmerzhaften Operations-Phasen[5] beschrieben worden.

In einer Studie mit sechzig intensivmedizinisch behandelten Patienten konnte keine Überlegenheit von Remifentanil versus Fentanyl bezüglich Schmerzreduktion, Behandlungs- und Beatmungsdauer nachgewiesen werden.[6] Laut Fachinformation liegen keine Untersuchungen für Remifentanil bei einer Anwendungsdauer von mehr als drei Tagen vor. Infolgedessen wird eine Anwendung über diesen Zeitraum nicht empfohlen.[7]

Handelsnamen Bearbeiten

Remifentanil wird seit 1996[8] in Deutschland, Österreich und der Schweiz u. a. unter dem Handelsnamen Ultiva von GlaxoSmithKline vertrieben. Das Patent lief am 10. September 2017 aus und ermöglichte den Markteintritt von Generika, die mittlerweile z. B. von Fresenius Kabi auch angeboten werden.

Rechtsstatus in Deutschland Bearbeiten

Remifentanil ist in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund seiner Aufführung in der Anlage 3 BtMG ein verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel. Der Umgang damit ohne Erlaubnis oder Verschreibung ist grundsätzlich strafbar. Weitere Informationen sind im Hauptartikel Betäubungsmittelrecht in Deutschland zu finden.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Remifentanil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eintrag zu Remifentanil. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 25. Dezember 2014.
  2. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von [No public or meaningful name is available] im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 11. Juli 2020.
  3. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. Springer-Verlag, 2014, ISBN 978-3-642-28291-1, S. 155 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Atul Kapila, Peter S. A. Glass, James R. Jacobs, Keith T. Muir, David J. Hermann: Measured Context-sensitive Half-times of Remifentanil and Alfentanil. In: Anesthesiology. Band 83, Nr. 5, 1. November 1995, S. 968–975, doi:10.1097/00000542-199511000-00009.
  5. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. (1. Auflage 1986) 5. Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, S. 32 f.; hier: S. 33.
  6. C. Spies, M. Macguill, A. Heymann, C. Ganea, D. Krahne: A prospective, randomized, double-blind, multicenter study comparing remifentanil with fentanyl in mechanically ventilated patients. In: Intensive Care Med. 37(3), Mar 2011, S. 469–476. doi:10.1007/s00134-010-2100-5. PMID 21165734
  7. Fachinformation Remifentanil auf der Internetpräsenz von Carinopharm ; verfügbar als pdf (Memento des Originals vom 7. November 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/carinopharm.de ; zuletzt abgerufen am 12. Dezember 2015.
  8. Michael Heck, Michael Fresenius: Repetitorium Anaesthesiologie. Vorbereitung auf die anästhesiologische Facharztprüfung und das Europäische Diplom für Anästhesiologie. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg/ New York u. a. 2001, ISBN 3-540-67331-8, S. 804.