Realverkehrsteuer

Besteuerung des Haltens oder Nutzens von Verkehrsmitteln

Als Realverkehrsteuer wird in der Finanzwissenschaft und in der Steuerlehre eine Steuergruppe innerhalb der Verkehrsteuern bezeichnet, welche als Steuerobjekt das Halten oder die Nutzung von Verkehrsmitteln zum Gegenstand hat. Der eher selten verwendete Begriff hat seinen Ursprung im „Realverkehr“, der Realgüter als Handelsobjekt hat.

Pendant ist der „Nominalverkehr“ mit seinen Nominalgütern[1] und der Nominalverkehrsteuer. Heinz Kolms ordnet die Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer den Realverkehrsteuern zu; Börsenumsatzsteuer, Gesellschaftsteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer oder Wertpapiersteuer entsprechend den Nominalverkehrsteuern.[2] In Deutschland wird im Steuerrecht, vor allem in der Amtssprache und in der Finanzwissenschaft, traditionell das Fugen-s weggelassen (Körperschaftsteuer, Verbrauchsteuer, Aufwandsteuer);[3] in Österreich und der Schweiz dagegen meist verwendet.

Steuerobjekte Bearbeiten

Bereits im Juli 1963 stellte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fest: „Zum Wesen der Verkehrsteuern gehört, dass sie an Akte oder Vorgange des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpfen“.[4] Der Begriff der Verkehrsteuer muss in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 Variante 3 GG daher als Oberbegriff für Rechtsverkehrsteuern und Realverkehrsteuern verstanden werden.[5] Die unterschiedliche Anknüpfung an Vorgänge des Rechtsverkehrs sowie an Akte des technischen (realen) Verkehrs hatte dabei zur Unterscheidung von Rechtsverkehr- und Realverkehrsteuern geführt.[6]

Die Reichweite des Tatbestands der Realverkehrsteuer ist durch das BVerfG bislang nicht abschließend geklärt.[7] Generell knüpfen Realverkehrsteuern an die Fortbewegung von Gütern (Güterverkehr) und Personen (Personenverkehr) an.

Einteilung der Verkehrsteuern Bearbeiten

Joachim Lang unterteilte 1998 die Verkehrsteuern in Rechtsverkehrsteuern und Realverkehrsteuern.[8] Diese Auffassung wird auch vom BVerfG vertreten.[9] Der Begriff der Verkehrsteuern muss in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 Variante 3 GG daher als weiter Oberbegriff für Rechtsverkehrsteuern und Realverkehrsteuern verstanden werden.[10]

Heute wird allgemein davon ausgegangen, dass die Verkehrsteuern aus einer allgemeinen Verkehrsteuer (Umsatzsteuer) und Spezialverkehrsteuern bestehen:[11]

Steuergruppe Steuerart Steuerobjekt
Allgemeine Verkehrsteuer Umsatzsteuer Besteuerung von Umsatzerlösen aus der Veräußerung von Gütern und Dienstleistungen
Rechtsverkehrsteuern Feuerschutzsteuer
Grunderwerbsteuer
Rennwett- und Lotteriesteuer
Schankerlaubnissteuer
Spielbankabgabe
Versicherungsteuer
Besteuerung von Versicherungsprämien für Feuerversicherungen
Besteuerung vom Grundstückserwerb
Besteuerung von Rennwetten und Lotterien
Besteuerung der Schankerlaubnis
Besteuerung der Betreiber öffentlicher Spielbanken
Besteuerung des Abschlusses von Versicherungsverträgen
Kapitalverkehrsteuern Börsenumsatzsteuer
Finanztransaktionssteuer
Gesellschaftsteuer
Wertpapiersteuer
Umsatz an Effekten
Besteuerung von börslichen und außerbörslichen Finanztransaktionen
Besteuerung des Ersterwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften
Besteuerung der Anschaffung von Schuldverschreibungen
Realverkehrsteuern Kraftfahrzeugsteuer
Nahverkehrsabgabe und City-Maut
Besteuerung des Kraftfahrzeughaltens
Besteuerung des ÖPNV und der Nutzung der Verkehrsinfrastruktur in Städten

Sämtliche Kapitalverkehrsteuern wurden in Deutschland bis Dezember 1991 abgeschafft.

Steuerarten Bearbeiten

Eine echte Realverkehrsteuer war die im Dezember 1972 aufgehobene Straßengüterverkehrsteuer. Einzige, in Deutschland verbliebene Steuerart innerhalb der Realverkehrsteuern ist die Kraftfahrzeugsteuer, die gleichzeitig zu den Aufwandsteuern gehört. Es wird auch die Meinung vertreten, dass die Kraftfahrzeugsteuer keine Realverkehrsteuer sei, weil sie lediglich das Halten eines Kraftfahrzeuges (§ 1 Abs. 1 KraftStG) und nicht das Fahren mit dem Kraftfahrzeug besteuere.[12] Sie sei auch keine Rechtsverkehrsteuer, weil sie nicht auf die Kfz-Zulassung abstelle.

Die im Januar 2011 neu geschaffene Luftverkehrsteuer ist ebenfalls eine Aufwandsteuer. Sie knüpft genau genommen nicht an den Rechtverkehrsakt „Erwerb eines Flugtickets“ an, sondern an die tatsächliche Nutzung eines Passagierflugzeuges (§ 1 Abs. 2 LuftVStG). Verfassungsrechtlich ist sie jedoch weder eine Aufwand- noch eine Rechtsverkehrsteuer, sondern eine sonstige, auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG.[13]

Die vieldiskutierte und im Ausland vielfach erhobene Nahverkehrsabgabe (City-Maut) ist eine echte Realverkehrsteuer.[14]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Heinz Kolms, Besondere Steuerlehre, Band 3, 1962, S. 63
  2. Heinz Kolms, Besondere Steuerlehre, Band 3, 1962, S. 92 ff.
  3. Jürgen Dittmann, Richtiges Deutsch leicht gemacht, 2009, S. 351
  4. BVerfG, Urteil vom 23. Juli 1963, Az.: 2 BvL 11/61 = BVerfGE 16, 306
  5. Michael Kloepfer, Luftverkehrsteuer: Rechtsprobleme eines Luftverkehrsteuergesetzes (LuftVStG), August 2010, S. 9
  6. Christian Flämig, in: Georg Strickrodt/Günter Wöhe/Christian Flämig/Günther Felix/Heinz Sebiger (Hrsg.), Handwörterbuch des Steuerrechts und der Steuerwissenschaften, 1981, S. 1520; ISBN 978-3-406-06839-3
  7. Stephan Eilers/Johannes Hey, Haushaltskonsolidierung ohne Kompetenzgrundlage – Finanzverfassungsrechtliche Würdigung des neuen Luftverkehrsteuergesetzes, in: DStR 3, 2011, S. 100
  8. Joachim Lang, Verkehrsteuern, in: Klaus Tipke/Joachim Lang, Steuerrecht, 1998, § 8, Rz. 46, S. 206; ISBN 978-3-504-20150-0
  9. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983, Az.: 2 BvR 1275/79 = BVerfGE 65, 325, 350 f.
  10. Michael Kloepfer/David Bruch, Luftverkehrsteuer und Verfassungsrecht – Zur Vereinbarkeit des Entwurfs eines Luftverkehrsteuergesetzes mit dem Grundgesetz, in: Betriebs-Berater, 2010, S. 2791
  11. Franz Dötsch, Verkehrsteuern, in: Wolfgang Lück (Hrsg.), Lexikon der Betriebswirtschaft, 2004, S. 705
  12. Hanno Kube/Rudolf Mellinghoff/Gerd Morgenthaler/Ulrich Palm/Thomas Puhl/Christian Seiler (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts, Band I, 2013, S. 2078
  13. BVerfG, Urteil vom 5. November 2014, Az.: 1 BvF 3/11 = BVerfGE 137, 350
  14. Gerrit Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, in: Die Öffentliche Verwaltung 1, Januar 1996, S. 15