Quadratische unrestringierte binäre Optimierung

In der quadratischen unrestringierten binären Optimierung (QUBO), auch bekannt als unrestringierte binäre quadratische Optimierung (UBQP), werden Optimierungsprobleme untersucht, die binäre Entscheidungsvariablen, eine quadratische Zielfunktion, jedoch keine Nebenbedingungen besitzen. QUBO ist Teil der mathematischen Optimierung mit Anwendungen unter anderem in Finanzen, Wirtschaft und maschinelles Lernen.[1] Einige klassische Probleme der theoretischen Informatik wie Maximaler Schnitt, Färbung und das Partitionsproblem lassen sich als QUBO formulieren, weshalb es sich um eine NP-schwere Problemklasse handelt.[2] Es bestehen außerdem enge Zusammenhänge zum Ising-Modell der theoretischen Physik und dadurch zu Quantencomputern, insbesondere zu Optimierungsmethoden wie Quantum Annealing. QUBO kann als quadratisches oder, nach Umformulierungen, auch als lineares ganzzahliges Optimierungsproblem modelliert und mit den Methoden der gemischt-ganzzahligen Optimierung gelöst werden.

Definition Bearbeiten

Ein quadratisches unrestringiertes Optimierungsproblem (QUBO) besteht aus einer quadratischen Zielfunktion und binären Entscheidungsvariablen. Es enthält keine Nebenbedingungen. In Matrix-Vektor-Schreibweise kann es mit einer Matrix  , einem Vektor   sowie einer Zahl   darstellt werden als

 

und in Summenschreibweise gilt

 wobei   und   für   die Einträge von   bzw.   sind. Gesucht ist nun ein Optimalpunkt von QUBO, das heißt ein Punkt   mit minimalem Zielfunktionswert. Die Anzahl der Elemente in der Menge   ist  , was impliziert, dass sie exponentiell in   wächst.

Eigenschaften Bearbeiten

  • QUBO kann durch Negieren aller Vorzeichen äquivalent als Maximierungsproblem formuliert werden.
  • Falls alle Koeffizienten positiv sind, ist   trivialerweise ein Optimalpunkt von QUBO. Analog dazu ist   optimal, falls alle Vorfaktoren negativ sind.
  • Falls   eine Diagonalmatrix ist, ist das Optimierungsproblem separabel, was bedeutet, dass es in   unabhängige Optimierungsprobleme zerfällt, die getrennt gelöst werden können, da die Entscheidungsvariablen sich gegenseitig nicht beeinflussen. Dieses Problem ist lösbar in   und die optimalen Belegungen der Entscheidungsvariablen sind einfach   falls   und ansonsten  .

QUBO und gemischt-ganzzahlige Optimierung Bearbeiten

QUBO kann unter Einsatz eines Modellierungstricks als (restringiertes) ganzzahliges lineares Optimierungsproblem (ILP) formuliert werden.[3] Dazu wird das Produkt   durch eine zusätzliche Binärvariable   ersetzt und die Nebenbedingungen  ,   und   hinzugefügt. Das vollständige Optimierungsproblem lautet

 

Man beachte, dass   auch als kontinuierliche Variable mit den Grenzen null und eins gewählt werden kann, da   durch die Nebenbedingungen keine Werte annehmen kann, die nicht ganzzahlig sind. Diese Formulierung würde in einem linearen gemischt-ganzzahligen Optimierungsproblem (MILP) resultieren, da nun nicht mehr alle Variablen ganzzahlig sind. Für die Lösung von (M)ILP-Modellen können neben (Meta-)Heuristiken exakte Methoden wie Branch-and-Cut- sowie Branch-and-Bound-Verfahren angewandt werden, die zwar eine theoretisch schlechte Worst-Case-Laufzeit besitzen, aber effizient in kommerziellen und freien Paketen wie CPLEX, Gurobi und SCIP implementiert sind und somit oft die Lösung praxisüblicher QUBO-Instanzen ermöglichen.

QUBO und das Ising-Modell Bearbeiten

QUBO ist eng verwandt mit dem Ising-Modell in der theoretischen Physik, dessen Hamiltonoperator definiert ist als

 

mit reellen Zahlen   und  . Die Spin-Variablen   sind optimal zu wählen und sind in der ursprünglichen Beschreibung keine Binärvariablen. Eine Substitution der Spin-Variablen durch   mit   ergibt jedoch die Formulierung

 ,

ohne die Werte der Funktion   zu verändern, welche nun als quadratische Zielfunktion binärer Variablen in einem QUBO verwendet werden könnte.

QUBO und Quantencomputer Bearbeiten

Ein weiterer Lösungsansatz besteht darin, QUBO auf Quantencomputern zu modellieren und zu lösen. Hierbei wird für die Modellierung jeder Binärvariable ein Qubit verwendet. Beliebte Lösungsmethoden sind hierbei Heuristiken wie das Quantum Annealing.[4]

Anwendungen Bearbeiten

Anwendungsmöglichkeiten von QUBO Bearbeiten

Viele Anwendungen lassen sich formal als QUBO modellieren[5], was aber nicht bedeutet, dass diese Anwendungen auch durch das Berechnen eines globalen Optimalpunkts des QUBOs gelöst werden. Das gilt auch für das kommende Beispiel aus dem Bereich Clusteranalyse, welches sich zwar als QUBO formulieren lässt, aber in der Praxis in der Regel mit effizienten Heuristiken wie der K-Means-Methode gelöst wird.

Clusteranalyse Bearbeiten

Binäres Clustering mit QUBO
Eine schlechte Cluster-Zuordnung
Eine gute Cluster-Zuordnung
Visuelle Darstellung eines Clusteringproblems mit 20 Punkten. Kreise derselben Farbe gehören zu demselben Cluster.

Um zu illustrieren, wie ein Anwendungsproblem als QUBO modelliert werden kann, wird die Clusteranalyse betrachtet. Hier sind 20 Punkte in der Ebene gegeben, deren Koordinaten durch eine Matrix  beschrieben werden. Jeder Punkt soll einem von zweien Clustern zugeordnet werden, sodass benachbarte Punkte Teil desselben Clusters sind. Jedem Punkt wird eine Binärvariable   zugewiesen, die angibt, ob der Punkt in der  -ten Zeile von   dem ersten ( ) oder zweiten Cluster ( ) zugeordnet wird. Insgesamt ergeben sich dadurch also 20 Binärvariablen, die optimal zu wählen sind, wobei noch zu klären ist, was "Optimalität" hier genau bedeutet.

Eine Möglichkeit Cluster zu bestimmen, ist den paarweisen euklidischen Abstand   der Punkte   und   zueinander zu betrachten. Die Grundidee ist es nun, Cluster so zu wählen, dass die Abstände zwischen Punkten desselben Clusters möglichst gering und zwischen Punkten verschiedener Cluster möglichst groß sind.

  • Woran erkennt man, dass die Punkte   und   Teil desselben Clusters sind? Dies ist genau dann der Fall, wenn   oder   gilt. Alternativ und äquivalent lässt sich auch schreiben   oder  .
  • Umgekehrt sind die Punkte   und   in verschiedenen Clustern, falls   oder   gilt.

Die zu minimierende Zielfunktion besteht nun also aus den aufsummierenden Abstände innerhalb eines Clusters, wovon die gesamten Abstände zwischen den beiden Clustern subtrahiert werden. In Summenschreibweise lautet die Zielfunktion

 

und kann unter Verwendung der Matrix

 

auch in Matrix-Vektor-Schreibweise dargestellt werden.

Solver Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gary Kochenberger, Jin-Kao Hao, Fred Glover, Mark Lewis, Zhipeng Lü, Haibo Wang, Yang Wang: The unconstrained binary quadratic programming problem: a survey. In: Journal of Combinatorial Optimization. Band 28, Nr. 1, Juli 2014, ISSN 1382-6905, S. 58–81, doi:10.1007/s10878-014-9734-0 (springer.com [abgerufen am 8. Januar 2024]).
  2. Andrew Lucas: Ising formulations of many NP problems. In: Frontiers in Physics. Band 2, 2014, ISSN 2296-424X, doi:10.3389/fphy.2014.00005.
  3. Nathan Georg Sudermann-Merx: Einführung in Optimierungsmodelle: mit Beispielen und Real-World-Anwendungen in Python. Springer Spektrum, Berlin / Heidelberg 2023, ISBN 978-3-662-67380-5.
  4. Fred Glover, Gary Kochenberger, Yu Du: Quantum Bridge Analytics I: a tutorial on formulating and using QUBO models. In: 4OR. Band 17, Nr. 4, 26. November 2019, ISSN 1619-4500, S. 335–371, doi:10.1007/s10288-019-00424-y.
  5. Daniel Ratke: List of QUBO formulations. 10. Juni 2021, abgerufen am 16. Dezember 2022.