Pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit

mathematisches Objekt

Eine pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit oder semi-riemannsche Mannigfaltigkeit ist ein mathematisches Objekt aus der (pseudo-)riemannschen Geometrie. Sie ist eine Verallgemeinerung der schon früher definierten riemannschen Mannigfaltigkeit und wurde von Albert Einstein für seine allgemeine Relativitätstheorie eingeführt. Benannt ist sie nach Bernhard Riemann, dem Begründer der riemannschen Geometrie. Ein Spezialfall der pseudo-riemannschen sind einsteinsche Mannigfaltigkeiten.

Definition Bearbeiten

Mit   wird im Folgenden der Tangentialraum an einem Punkt   einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit   bezeichnet. Eine pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit   ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit   zusammen mit einer für jeden Punkt   definierten Funktion  .[A 1] Diese Funktion ist tensoriell, symmetrisch und nicht ausgeartet, das heißt für alle Tangentialvektoren   und Funktionen   gilt

  1.   (tensoriell d. h. bilinear),
  2.   (symmetrisch),
  3. falls für   gilt, dass   für alle  , so folgt  .

Außerdem ist   differenzierbar abhängig von  . Die Funktion   ist also ein differenzierbares Tensorfeld und heißt pseudo-riemannsche Metrik oder metrischer Tensor.

Signatur Bearbeiten

Wie jeder gewöhnlichen Bilinearform kann man auch der pseudo-riemannschen Metrik eine Signatur zuordnen. Diese ist aufgrund des Trägheitssatzes von Sylvester unabhängig von der Wahl des Koordinatensystems auf der Mannigfaltigkeit und damit auch unabhängig von der Wahl des Punktes  . Wie bei der Determinante gibt es zu gegebener „Physik“ zahlreiche äquivalente Ausdrücke. Aber da   nicht ausgeartet ist, ist der dritte Eintrag in der Signatur immer null und die Determinante von   ist immer ungleich null. Vierdimensionale pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeiten mit der Signatur (3,1,0) (beziehungsweise meist (1,3,0)) heißen Lorentz-Mannigfaltigkeiten. Diese spielen eine wichtige Rolle in der allgemeinen Relativitätstheorie.

Pseudo-riemannsche Geometrie Bearbeiten

Im Unterschied zu pseudo-riemannschen Metriken sind die riemannschen Metriken positiv definit, was eine stärkere Forderung als „nicht ausgeartet“ ist. Einige Resultate aus der riemannschen Geometrie lassen sich auch auf pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeiten über­tragen. So gilt zum Beispiel der Hauptsatz der riemannschen Geometrie auch für pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeiten. Es existiert also für jede pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit ein eindeutiger Levi-Civita-Zusammenhang. Jedoch im Gegensatz zur riemannschen Geometrie kann man nicht zu jeder differenzierbaren Mannigfaltigkeit eine Metrik mit vorgegebener Signatur finden. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen riemannscher und pseudo-riemannscher Geometrie ist das Fehlen eines Äquivalents für den Satz von Hopf-Rinow in der pseudo-riemannschen Geometrie. Im Allgemeinen sind hier metrische Vollständigkeit und geodätische Vollständigkeit nicht miteinander verknüpft. Durch die Signatur der Metrik ergeben sich außerdem Probleme für die Stetigkeit der Abstandsfunktion. So kann die Abstandsfunktion für Lorentzmannigfaltigkeiten die Eigenschaft aufweisen, nicht oberhalbstetig zu sein.

Definitionsvariante Bearbeiten

Abweichend von der obigen Definition unterscheidet Serge Lang semi-riemannsche von pseudo-riemannschen Mannigfaltigkeiten und verlangt für erstere zusätzlich, dass   positiv semidefinit sei, das heißt   für alle  .[1]

Lorentzsche Mannigfaltigkeit Bearbeiten

Eine lorentzsche Mannigfaltigkeit ist ein wichtiger Spezialfall einer pseudo-riemannschen Mannigfaltigkeit, bei der die Signatur der Metrik (+1, (-1)(n-1 mal)) oder (äquivalent, (-1 +1(n-1 mal)) ist (siehe Vorzeichenkonvention). Solche Metriken werden lorentzsche Metriken genannt. Sie sind nach dem niederländischen Physiker Hendrik Lorentz benannt.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Erklärung zu den Notationen   und   versus   und  :

    Wenn die Tangentialräume   als für alle   disjunkt verstanden werden, dann kann man eine alternative Notation   anstelle von   wie folgt einführen:

     
      (ad hoc Abkürzung für die Menge aller Paare von Tangentialvektoren aus jeweils demselben Tangentialraum)
     , wenn   der (wegen vorausgesetzter Disjunktheit) eindeutig bestimmte Punkt   ist mit  

    Für alle   ist dann   und damit für jeden Punkt   die Einschränkung  , abgekürzt   identisch mit  , d. h  . Auf diese Weise kann man das ursprüngliche   aus dem alternativen   zurückgewinnen.

    Man kann nun die Mannigfaltigkeit   alternativ durch   kennzeichnen und (etwas ungenau)   statt   als Metrik bezeichnen. Da man im normalen Gebrauch nicht beide Bezeichnungen gleichzeitig benötigt, schreibt man  , wenn eigentlich   (in der hier benutzten ad hoc Notation) gemeint ist, und entsprechend   statt  , sowie für   kurz   statt  . Der Vorteil ist, dass man bei vorausgesetzter Disjunktheit der Tangentialräume bei der Metrik den Punkt   ohne Verlust der Eindeutigkeit weglassen kann.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Serge Lang: Differential and Riemannian manifolds. 3. Auflage. Springer Science+Business Media, New York 1995, ISBN 0-387-94338-2, S. 30 (Graduate Texts in Mathematics. Band 160, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)

Literatur Bearbeiten

  • Manfredo Perdigão do Carmo: Riemannian Geometry („Geometria Riemannia“). 2. Aufl. Birkhäuser, Boston 1993, ISBN 0-8176-3490-8.
  • Peter Petersen: Riemannian geometry (Graduate Texts in Mathematics; Bd. 171). 2. Aufl. Springer-Verlag, New York 2006, ISBN 0-387-29403-1.
  • John K. Beem, Paul E. Ehrlich, Kevin L. Easley: Global Lorentzian Geometry (Pure and Applied Mathematics; Bd. 202). 2. Aufl. Marcel Dekker Books, New York 1996, ISBN 0-8247-9324-2.
  • Barrett O'Neill: Semi-Riemannian Geometry. Academic Press, New York 1983, ISBN 978-0-12-526740-3.