Provisorischer Kassations- und Revisionsgerichtshof für die Provinz Rheinhessen

Kassationsgericht im Großherzogtum Hessen für dessen Gebiete, in denen französisches Recht galt und damit dort das höchste Gericht

Der Provisorische Kassations- und Revisionsgerichtshof für die Provinz Rheinhessen war ein Kassationsgericht im Großherzogtum Hessen für dessen Gebiete, in denen französisches Recht galt und damit dort das höchste Gericht.

Rahmenbedingungen Bearbeiten

Die Gebiete links des Rheins hatte Frankreich nach 1792 annektiert und dort anschließend das französische Recht eingeführt. Vorrechte von Adel und Kirche wurden beseitigt. Diese neue Rechtslage hatte für erhebliche Teile der Bevölkerung und auch für den Staat große Vorteile. Sie blieb deshalb bestehen, nachdem Rheinhessen 1816 an das Großherzogtum Hessen fiel. Das betraf sowohl das materielle Recht als auch die Gerichtsverfassung.

Vorgeschichte Bearbeiten

Für das Großherzogtum ergab sich daraus bei der Übernahme von Rheinhessen das Problem, dass die bisher für das Gebiet tätigen obersten Gerichte[Anm. 1] mit der neuen Grenzziehung im „Ausland“ lagen.

Die nach französischem Gerichtsverfassungsrecht erforderlichen obersten Gerichte mussten vom Großherzogtum neu eingerichtet werden, da bei der wesentlichen Verschiedenheit, welche zwischen Civil- und Criminal-Gesetzgebung der Großherzoglichen Besitzungen auf beiden Seiten des Rheinufers noch zur Zeit bestehet, […] eine Vereinigung derselben in der gerichtlichen Verwaltung vor der Hand nicht statt finden konnte.[1] Deshalb wurde in Mainz ein „Provisorisches Obergericht“, das als Appellationsgericht letzter Instanz in Civil- und Zuchtpolizei-Sachen entscheidet gebildet.[2][Anm. 2] Es nahm damit auch zugleich die Aufgaben eines Kassationsgerichts wahr.

Gründung Bearbeiten

Diese Konstruktion, die demselben Gericht sowohl die Berufung gegen Entscheidungen des Kreisgerichts als auch die Kassation gegen die dann zu treffende Entscheidung zusprach, erwies sich nicht als haltbar. Andererseits war die wesentliche Verschiedenheit zwischen der links- und rechtsrheinischen Rechtskultur nicht so schnell zu beseitigen. Deshalb entstand 1818 ein zweites Provisorium, der Provisorischen Kassations- und Revisionsgerichtshof für die Provinz Rheinhessen mit Sitz in Darmstadt.[3] Damit war man räumlich näher an das höchste Gericht für den rechtsrheinischen Rechtskreis, das Oberappellationsgericht Darmstadt, herangerückt. Personell geschah das dadurch, dass auch Richter aus dem Oberappellationsgericht im Kassationsgerichtshof arbeiteten. Dessen erster Präsident wurde der Präsident der Landesuniversität Gießen, Karl Ludwig Wilhelm von Grolman. Weitere Mitglieder der Erstbesetzung waren[4]:

Später ernannt wurden:

Ende Bearbeiten

1832 wurde der Provisorische Kassations- und Revisionsgerichtshof für die Provinz Rheinhessen aufgelöst[6], seine Aufgaben dem Oberappellationsgericht übertragen[7] und das höchste Gericht des Landes nun als Ober-Appellations- und Cassations-Gericht bezeichnet.[8]

Anmerkungen Bearbeiten

  1. In französischer Zeit hatte es dafür in Trier ab 1799 ein Appellationsgericht als höchste Instanz für das ehemals deutsche Gebiet gegeben, das in vier Départements organisiert war. Die Österreichisch-baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrations-Commission richtete am 27. Juli 1815 in Kreuznach einen Appellationshof für die von Frankreich an Deutschland zurückgegebenen und interimsweise von ihr verwalteten Gebiete ein. Aber sowohl (Bad) Kreuznach als auch Trier lagen mit dem Anschluss Rheinhessens an das Großherzogtum im „Ausland“.
  2. Franz / Hofmann / Schaab, S. 160, nennen (ohne Angabe der Fundstelle) eine Provisorische Appellations- und Kassationsgerichtsordnung für den großherzoglich-hessischen Landesteil auf der linken Rheinseite vom 4. November 1816.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Erlass vom 10. Januar 1817. In: Sammlung der in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom Jahr 1817 publicirten Verordnungen und höheren Verfügungen. Großherzogliche Invalidenanstalt, Darmstadt 1818, S. 2f.
  2. Erlass vom 10. Januar 1817. In: Sammlung der in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom Jahr 1817 publicirten Verordnungen und höheren Verfügungen. Großherzogliche Invalidenanstalt, Darmstadt 1818, S. 2f.
  3. Beschluss vom 29. Juni 1818 (ursprünglich abgedruckt in der Großherzoglich Hessischen Zeitung Nr. 79 vom 2. Juli 1818). In: Sammlung der in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom Jahr 1818 publicirten Verordnungen und höheren Verfügungen. Großherzogliche Invalidenanstalt, Darmstadt 1819, S. 69.
  4. Beschluss vom 29. Juni 1818 (ursprünglich abgedruckt in der Großherzoglich Hessischen Zeitung Nr. 79 vom 2. Juli 1818). In: Sammlung der in der Großherzoglich Hessischen Zeitung vom Jahr 1818 publicirten Verordnungen und höheren Verfügungen. Großherzogliche Invalidenanstalt, Darmstadt 1819, S. 69.
  5. Jaup, Heinrich Karl. In: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: Bestand S 1. In: Arcinsys
  6. Art. 1 Verordnung, Auflösung des bisherigen provisorischen Cassations- und Revisions-Gerichtshofes für die Provinz Rheinhessen und die Übertragung der Attributionen an das Ober-Appellations-Gericht betr. vom 26. Juni 1832. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1832 Nr. 51½, S. 338a (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).
  7. Art. 2 Verordnung, Auflösung des bisherigen provisorischen Cassations- und Revisions-Gerichtshofes für die Provinz Rheinhessen und die Übertragung der Attributionen an das Ober-Appellations-Gericht betr. vom 26. Juni 1832. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1832 Nr. 51½, S. 338a (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).
  8. Art. 2 Verordnung, Auflösung des bisherigen provisorischen Cassations- und Revisions-Gerichtshofes für die Provinz Rheinhessen und die Übertragung der Attributionen an das Ober-Appellations-Gericht betr. vom 26. Juni 1832. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1832 Nr. 51½, S. 338a (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,0 MB]).