Nicolas Kiefer

deutscher Tennisspieler

Nicolas Kiefer (* 5. Juli 1977 in Holzminden) ist ein ehemaliger deutscher Tennisspieler. Sein größter Erfolg war der Gewinn der Silbermedaille im Doppel an der Seite von Rainer Schüttler bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen. Er gewann auf der ATP World Tour sechs Turniere und stand weitere 13-mal in einem Endspiel. Er gehört zu den erfolgreichsten deutschen Tennisspielern der Open Era.

Nicolas Kiefer Tennisspieler
Nicolas Kiefer
Nicolas Kiefer (2008)
Spitzname: Kiwi, Nico
Nation: Deutschland Deutschland
Geburtstag: 5. Juli 1977
(46 Jahre)
Größe: 183 cm
Gewicht: 80 kg
1. Profisaison: 1995
Rücktritt: 2010
Spielhand: Rechts, beidhändige Rückhand
Trainer: Sascha Nensel
Preisgeld: 7.480.465 US-Dollar
Einzel
Karrierebilanz: 366:274
Karrieretitel: 6
Höchste Platzierung: 4 (10. Januar 2000)
Grand-Slam-Bilanz
Doppel
Karrierebilanz: 92:123
Karrieretitel: 3
Höchste Platzierung: 56 (17. Februar 2003)
Grand-Slam-Bilanz
Olympische Spiele
Quellen: offizielle Spielerprofile bei der ATP/WTA (siehe Weblinks)

Tenniskarriere Bearbeiten

Anfänge Bearbeiten

Nicolas Kiefers Mutter ist Französin, sein Vater war Sportlehrer an der Paul-Gerhardt-Schule, einem Evangelischen Gymnasium in Dassel (Kreis Northeim). Er begann im Alter von sechs Jahren mit dem Tennisspielen und wurde schon bald als Talent entdeckt. Kiefer wurde in Einbeck von Martin Rausch trainiert und dann im Leistungszentrum von Hannover gefördert. Als er auf der Juniorentour im Jahr 1995 die Titel bei den Grand-Slam-Turnieren in Melbourne (Australian Open) und New York (US Open) gewinnen konnte und auch im Finale der Juniorenkonkurrenz von Wimbledon stand, galt er als das vielleicht größte deutsche Tennistalent seit Boris Becker. Der Durchbruch auf der ATP Tour gelang Kiefer dann im Jahr 1997, als er in Wimbledon das Viertelfinale erreichte und seinen ersten Profi-Turniersieg in Toulouse errang. Auf Position 32 in der Tennisweltrangliste beendete Kiefer die Saison zum ersten Mal als bester Deutscher. 1998 erreichte er dann erstmals das Viertelfinale der Australian Open, scheiterte dort aber überraschend am Franzosen Nicolas Escudé. Kiefer beendete die Saison auf Platz 35.

Weltspitze Bearbeiten

Der Sprung in die Weltspitze gelang Kiefer dann in der Saison 1999, als er vier Endspiele auf der Profitour bestritt, von denen er zwei (Halle und Taschkent) gewinnen konnte und erstmals unter den besten zehn Spielern der Welt rangierte. Die Saison beendete er auf Platz 6 und konnte dabei zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere am saisonabschließenden Masters Cup teilnehmen, der damals in Hannover ausgetragen wurde. Nach einer Niederlage gegen Thomas Enqvist erreichte Kiefer mit Siegen über Todd Martin und Jewgeni Kafelnikow das Halbfinale, das er gegen Pete Sampras verlor.

Das Jahr 2000 Bearbeiten

Die Saison begann für Kiefer vielversprechend. Er erreichte das Viertelfinale bei den Australian Open, unterlag dort allerdings dem Schweden Magnus Norman in vier Sätzen. Nach diesem Turnier stand Kiefer auf Position vier der Weltrangliste, seine beste Platzierung. Es folgten zahlreiche Verletzungen und enttäuschende Ergebnisse. Im September konnte Kiefer das Viertelfinale der US Open erreichen, wo er dem späteren Turniersieger Marat Safin unterlag. Dieses Jahr bezeichnete Kiefer trotz zweier Turniersiege in Dubai und Hongkong als die „Seuchensaison“ seiner Karriere, da er immer wieder von Verletzungen gestoppt wurde und die Saison schließlich auf Platz 20 beendete.

2001 bis 2005 Bearbeiten

Die Jahre 2001 bis 2005 waren von durchwachsenen Leistungen Kiefers geprägt. Zwar konnte er in diesem Zeitraum noch neun weitere Endspiele erreichen, ein Sieg gelang ihm aber nicht. Das bescherte ihm den traurigen Rekord der meisten Finalniederlagen auf der ATP Tour hintereinander. 2002 und 2003 war Kiefer nur noch selten unter den besten 50 Spielern der Welt, als Hoffnungsträger des deutschen Herrentennis musste er zunehmend hinter Tommy Haas zurücktreten. Erst mit der Saison 2004, in der er viermal ein Turnierfinale erreichte, fand Kiefer wieder zu besserer Form zurück. Bei den Olympischen Spielen 2004 zog Kiefer zudem an der Seite von Rainer Schüttler ins Finale ein, in dem sie gegen Fernando González und Nicolás Massú aus Chile in fünf Sätzen unterlagen. Im vierten Satz verlor das deutsche Doppel bei 2:1-Satzführung knapp den Tiebreak mit 7:9.

Verletzung und erneutes Comeback Bearbeiten

Zum Auftakt der Saison 2006 erreichte Kiefer bei den Australian Open das Halbfinale, die beste Leistung seiner Karriere bei einem Grand-Slam-Turnier. Der 28-Jährige schaffte damit den erneuten Sprung unter die Besten 15 der Welt. Bei den French Open zog sich Kiefer dann eine Handgelenksverletzung zu, die ihn zu einer einjährigen Pause zwang. Bei den Gerry Weber Open 2007 in Halle (Westf.) gab er sein Comeback, unterlag allerdings Tomáš Berdych. Seinen ersten Erfolg nach der langen Verletzungspause feierte er auf der Tour zwei Wochen später in der ersten Runde von Wimbledon gegen Filippo Volandri. Er schied aber in der dritten Runde in einem denkbar knappen Match, das wegen anhaltenden Regens erst vier Tage später als geplant zu Ende gespielt werden konnte, gegen Novak Đoković (damals Nummer fünf der Weltrangliste) aus. Bei den Countrywide Classic in Los Angeles drang er bis ins Halbfinale vor, musste dieses allerdings wegen einer Knieverletzung absagen.

Im Juli 2008 erreichte Kiefer in Toronto erstmals das Finale eines Turniers der Tennis Masters Series, in welchem er sich nach Siegen über die beiden Top-Ten-Spieler Nikolai Dawydenko und James Blake erst dem designierten Weltranglistenersten Rafael Nadal geschlagen geben musste. Dieses Ergebnis brachte ihn erstmals nach seinem Comeback zurück unter die Besten 20 der Tennisweltrangliste und machte ihn wieder zur Nummer Eins im deutschen Tennis. Bei den Olympischen Spielen in Peking unterlag er im Achtelfinale Paul-Henri Mathieu. Im Doppel scheiterte er an der Seite von Rainer Schüttler bereits in der ersten Runde am österreichischen Doppel Jürgen Melzer und Julian Knowle.

2009 Bearbeiten

Im März erreichte Kiefer jeweils die dritte Runde bei den Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami, verlor dort aber gegen Andy Roddick (Indian Wells) und Roger Federer (Miami). Im Mai erreichte er das Achtelfinale in München sowie die zweite Runde bei den French Open. Daneben erwies er sich als starker Rückhalt der deutschen Mannschaft beim World Team Cup in Düsseldorf, bei dem er an der Seite von Mischa Zverev alle vier Spiele gewinnen konnte. Bei den Gerry Weber Open in Halle (Westf.) musste er seine Achtelfinalbegegnung im Einzelwettbewerb gegen Jürgen Melzer wegen einer Bauchmuskelverletzung aufgeben, zum Halbfinale im Doppel (wiederum mit Zverev) konnte er gar nicht erst antreten. Im Juli erreichte er das Halbfinale in Stuttgart, das er gegen Jérémy Chardy verlor, sowie das Viertelfinale von Gstaad, wo er gegen den späteren Turniersieger Thomaz Bellucci erneut aufgeben musste.

2010 bis Karriereende Bearbeiten

In diesem Jahr bestritt Kiefer lediglich vier Turniere. Bei den Gerry Weber Open sorgte er noch einmal für Aufsehen, als er in Runde eins den Russen Michail Juschny in drei Sätzen bezwingen konnte. Im August wurde Kiefer Vater einer Tochter.[1] Ende des Jahres 2010 erklärte Nicolas Kiefer seinen Rücktritt und begründete dies damit, dass er möglichst viel Zeit mit seiner Familie verbringen möchte und es nach 15 Jahren Zeit sei, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen.[2]

Erfolge Bearbeiten

Legende (Anzahl der Titel)
Grand Slam
Olympische Spiele
Tennis Masters Cup
ATP Masters Series
ATP International Series Gold (2)
ATP International Series (7)
ATP Challenger Tour (1)
Titel nach Belag
Hartplatz (7)
Sand (0)
Rasen (1)
Teppich (1)

Einzel Bearbeiten

Turniersiege Bearbeiten

ATP Tour Bearbeiten
Nr. Datum Turnier Belag Finalgegner Ergebnis
1. 5. Oktober 1997 Frankreich  Toulouse Hartplatz Australien  Mark Philippoussis 7:5, 5:7, 6:4
2. 18. April 1999 Japan  Tokio Hartplatz Sudafrika  Wayne Ferreira 7:6, 7:5
3. 13. Juni 1999 Deutschland  Halle Rasen Schweden  Nicklas Kulti 6:3, 6:2
4. 19. September 1999 Usbekistan  Taschkent Hartplatz Schweiz  George Bastl 6:4, 6:2
5. 13. Februar 2000 Vereinigte Arabische Emirate  Dubai Hartplatz Spanien  Juan Carlos Ferrero 7:5, 4:6, 6:3
6. 8. Oktober 2000 Hongkong  Hongkong Hartplatz Australien  Mark Philippoussis 7:6, 2:6, 6:2
Challenger Tour Bearbeiten
Nr. Datum Turnier Belag Finalgegner Ergebnis
1. 12. März 1995 Deutschland  Garmisch-Partenkirchen Teppich Belgien  Dick Norman 7:6, 7:6

Finalteilnahmen Bearbeiten

Nr. Datum Turnier Belag Finalgegner Ergebnis
1. 19. Oktober 1997 Singapur  Singapur Teppich (i) Schweden  Magnus Gustafsson 6:4, 3:6, 3:6
2. 21. Februar 1999 Vereinigte Arabische Emirate  Dubai Hartplatz Frankreich  Jérôme Golmard 4:6, 2:6
3. 25. Oktober 1999 Osterreich  Wien Teppich (i) Vereinigtes Konigreich  Greg Rusedski 7:6, 6:2, 3:6, 5:7, 4:6
4. 14. Oktober 2001 Russland  Moskau (1) Teppich (i) Russland  Jewgeni Kafelnikow 4:6, 5:7
5. 23. Juni 2002 Deutschland  Halle (1) Rasen Russland  Jewgeni Kafelnikow 6:2, 4:6, 4:6
6. 23. Juni 2003 Deutschland  Halle (2) Rasen Schweiz  Roger Federer 1:6, 3:6
7. 22. Februar 2004 Vereinigte Staaten  Memphis Hartplatz (i) Schweden  Joachim Johansson 6:7, 3:6
8. 7. März 2004 Vereinigte Staaten  Las Vegas Hartplatz Vereinigte Staaten  Vincent Spadea 5:7, 7:6, 3:6
9. 25. Juli 2004 Vereinigte Staaten  Indianapolis Hartplatz Vereinigte Staaten  Andy Roddick 2:6, 3:6
10. 18. Juli 2004 Vereinigte Staaten  Los Angeles Hartplatz Deutschland  Tommy Haas 6:76, 4:6
11. 16. Oktober 2005 Russland  Moskau (2) Teppich (i) Russland  Igor Andrejew 7:5, 6:7, 2:6
12. 30. Oktober 2005 Russland  St. Petersburg Teppich (i) Schweden  Thomas Johansson 4:6, 2:6
13. 27. August 2008 Kanada  Toronto Hartplatz Spanien  Rafael Nadal 3:6, 2:6

Doppel Bearbeiten

Turniersiege Bearbeiten

Nr. Datum Turnier Belag Partner Finalgegner Ergebnis
1. 25. Oktober 1998 Tschechien  Ostrava Teppich (i) Deutschland  David Prinosil Sudafrika  David Adams
Tschechien  Pavel Vízner
6:4, 6:3
2. 28. Juli 2002 Vereinigte Staaten  Los Angeles Hartplatz Frankreich  Sébastien Grosjean Vereinigte Staaten  Justin Gimelstob
Frankreich  Michaël Llodra
6:4, 6:4
3. 5. Oktober 2003 Japan  Tokio Hartplatz Vereinigte Staaten  Justin Gimelstob Vereinigte Staaten  Scott Humphries
Bahamas  Mark Merklein
6:7, 6:3, 7:6

Finalteilnahmen Bearbeiten

Nr. Datum Turnier Belag Partner Finalgegner Ergebnis
1. 22. August 2004 Griechenland  Olympische Sommerspiele Hartplatz Deutschland  Rainer Schüttler Chile  Fernando González
Chile  Nicolás Massú
2:6, 6:4, 6:3, 6:77, 4:6

Grand-Slam-Resultate Einzel Bearbeiten

Angegeben ist immer die erreichte Runde

Turnier 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 Karriere
Australian Open 1 HF 1 1 1 2 VF 3 VF 1 HF
French Open 2 3 AF 2 2 1 1 1 1 2 1 AF
Wimbledon 1 1 3 3 3 1 1 3 AF 1 2 3 VF VF
US Open 2 1 2 AF AF 2 1 1 VF 3 3 VF

Grand-Slam-Resultate Doppel Bearbeiten

Angegeben ist immer die erreichte Runde

Turnier 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 Karriere
Australian Open 2 2
French Open 1 1 1 1
Wimbledon 2 2
US Open 1 1

Sonstiges Bearbeiten

Kiefer ist begeisterter Fußball- und Eishockeyanhänger der Clubs Hannover 96 und Hannover Scorpions. Er ist Vereinsmitglied von Hannover 96 und tritt bei Spielen der Bundesliga-Mannschaft in deren Trikot auf.

Kiefer engagiert sich auch für karitative und soziale Projekte, beispielsweise bei „bed by night“ in Hannover, in einem Containerdorf auf dem Welfenplatz (Einrichtung zur Versorgung von Straßenkindern), bei „Aktion Kindertraum“ und zusammen mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International im Kampf gegen Folter.

2016 begleitete Kiefer die Grand-Slam-Turniere für den pan-europäischen Sportsender Eurosport.[3] 2016 bei den US Open moderierte er zusammen mit Matthias Stach abends die Livesendung „Aufschlag Kiefer“, in der die Spiele des vergangenen Tages analysiert wurden.[4]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Nicolas Kiefer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Nicolas Kiefer ist Vater einer Tochter. In: rp-online.de. Rheinische Post, 12. August 2010, abgerufen am 4. Oktober 2017.
  2. Nicolas Kiefer beendet seine Karriere. In: faz.net. 30. Dezember 2010, abgerufen am 4. Oktober 2017.
  3. French Open 2016: Nicolas Kiefer verstärkt Eurosport-Team. In: eurosport.de. 17. Mai 2016, abgerufen am 6. September 2016.
  4. Neue Show: Kiefer analysiert die Stars bei den US Open. In: eurosport.de. 29. August 2016, abgerufen am 6. September 2016.