Das Nichtsättigungsaxiom (englisch non-saturation) in der Volkswirtschaftslehre besagt, dass Wirtschaftssubjekte von einem begehrten Gut oder einer begehrten Dienstleistung lieber mehr als weniger konsumieren wollen.

Allgemeines Bearbeiten

Ein Axiom ist in diesem Zusammenhang eine grundlegende Tatsache, die selbst nicht mehr bewiesen wird, von der die Erklärung jedoch ihren Ausgangspunkt nimmt.[1] Axiom ist auch eine Hypothese, die entweder empirisch gut fundiert oder nicht weiter begründbar und zentraler Bestandteil einer darauf beruhenden Theorie ist.

Hinter dem Nichtsättigungsaxiom steht die Annahme, dass der Konsument bei seinem Konsumverhalten niemals wunschlos glücklich sein könne: ein Mehr ist immer besser.[2] Das Axiom der Nichtsättigung gehört zur Nutzentheorie und beruht auf der Annahme, dass Personen fähig sind, eine Präferenz zwischen zwei oder mehr Güterbündeln (etwa den Waren in einem Einkaufswagen) der Kaufentscheidung zugrunde zu legen.[3]

Präferenzen Bearbeiten

Die rationale Nutzenmaximierung setzt eine konsistente Präferenzordnung voraus, wonach sechs Axiome erfüllt sein müssen, vier formale (Vollständigkeit, Reflexivität, Transitivität und Stetigkeit) und zwei inhaltliche (Nicht-Sättigung und Konvexität).[4]

Diese Axiome können anhand eines Güterbündels (der Kombination von zwei Gütern im Warenkorb) definiert werden. Ein Güterbündel bestehe beispielsweise aus den Waren   oder  . Dabei gibt es folgende Varianten:[5]

  • Der Konsument   zieht das Güterbündel   dem Güterbündel   streng vor:
 .
  • Die Konsumentin   ist indifferent zwischen beiden Güterbündeln:
 .
  • Der Konsument   bevorzugt das Güterbündel   schwach dem Güterbündel  :
 .

Diesen möglichen Präferenzen liegen sechs Axiome zugrunde:[6]

  1. Vollständigkeit: Alle beliebigen und denkbaren Güterbündel können miteinander verglichen werden.
  2. Reflexivität: Jedes Güterbündel ist so gut wie es selbst ( ).
  3. Transitivität: Wenn   und  , dann gilt:  .
  4. Nicht-Sättigung: Wirtschaftssubjekte wollen von einem begehrten Gut lieber mehr als weniger haben.
  5. Stetigkeit: Der Entzug eines begehrten Gutes   kann durch ein anderes Gut   kompensiert werden, so dass der Konsument zwischen den Güterbündeln   und   indifferent ist.
  6. Konvexität: Mit zunehmender Menge eines Gutes sinkt der Grenznutzen einer einzelnen Einheit dieses Gutes (Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen).

Ein rationales Konsumverhalten lässt sich im Hinblick auf die Axiome als ein Handeln definieren, bei dem sich der Konsument auf der Grundlage einer vollständigen und transitiven Präferenzordnung für eine Alternative entscheidet, die mindestens so gut ist wie alle anderen realisierbaren Alternativen.[7]

Die Präferenzen stellen eine Idealisierung dar, denn in der Realität kommt es durchaus vor, dass sich ein Konsument außerstande sieht, zwei Kombinationen zu vergleichen oder dass er seine Präferenzen von der Situation abhängig macht: Trinkwasser hat für Menschen in der Wüste eine weitaus größere Bedeutung als in einem Getränkemarkt.[8]

Wirtschaftliche Aspekte Bearbeiten

Auch in der Mikroökonomie werden die Präferenzen eines Konsumenten axiomatisch beschrieben.[9] Die Konsumenten neigen dazu, ihren Konsum unaufhaltsam zu steigern, allerdings innerhalb der Grenzen des Teils ihres Einkommens, das sie für den Konsum verwenden (Konsumquote). Dabei unterstellt das Nichtsättigungsaxiom, dass es keine Sättigungsmenge geben kann, weil es stets einen Konsumplan gibt, der einem anderen Konsumplan vorgezogen wird.[10] Die Nachfragemenge strebt deshalb gegen unendlich, wenn der Marktpreis gegen „null“ sinkt, umgekehrt wird ein Konsument nicht ganz auf ein Gut verzichten, wenn sein Preis gegen unendlich steigt.[11] Im Hinblick auf das Nichtsättigungsaxiom hört beim Gesamtnutzen und Grenznutzen bei rationalen Konsumenten die Nutzenkurve im Maximum auf (dies wird dann nicht als Optimum bezeichnet[12]), denn das Axiom unterstellt, dass es keine begrenzte Bedürfnisbefriedigung gibt und jedem Gut ein positiver Grenznutzen zugeordnet werden kann.[13]

Unterscheidet sich ein beliebiges Güterbündel   von einem anderen Güterbündel   dadurch, dass es mehr von einem Gut und von keinem anderen Gut weniger enthält, so wird Güterbündel   vorgezogen.[14] Dies ist die formale Bestätigung der Hypothese „mehr ist besser als weniger“.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Mirjam Jaquemoth/Rainer Hufnagel, Verbraucherpolitik, 2018, S. 32
  2. Thomas Burkhardt, Risikomanagement aus Bankenperspektive, 2006, S. 30
  3. Eduard Brandstätter, Ambivalente Zufriedenheit, 1998, S. 38 f.
  4. Markus A. Hessler, Regulieren oder Nichtregulieren: Das ist hier die Frage, 2015, S. 126 FN 89
  5. Hal R. Varian, Grundzüge der Mikroökonomik, 1991, S. 50 ff.; ISBN 978-3486704532
  6. Hugh Gravelle/Ray Rees, Modern Economics, 1981, S. 1 ff.; ISBN 978-0582440753
  7. Horst Demmler, Grundlagen der Mikroökonomie, 2000, S. 11
  8. Jürgen Franke, Grundzüge der Mikroökonomik, 1996, S. 50 f.
  9. Verlag Th. Gabler GmbH (Hrsg.), Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, 1990, S. 637
  10. Verlag Th. Gabler GmbH (Hrsg.), Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, 1990, S. 704
  11. Susanne Wied-Nebbeling/Helmut Schott, Grundlagen der Mikroökonomik, 2005, S. 58
  12. Adelheid Biesecker/Stefan Kesting, Mikroökonomik: Eine Einführung aus sozial-ökologischer Perspektive, 2003, S. 89 ff.; ISBN 978-3486813562
  13. Anja Fell, Placebo-Effekte im Marketing, 2010, S. 39
  14. Horst Demmler, Grundlagen der Mikroökonomie, 2000, S. 11; ISBN 978-3486255294