Newton-Cotes-Formeln

Formeln zur näherungsweisen Berechnung von Integralen

Eine Newton-Cotes-Formel (nach Isaac Newton und Roger Cotes) ist eine numerische Quadraturformel zur näherungsweisen Berechnung von Integralen. Diesen Formeln liegt die Idee zu Grunde, die zu integrierende Funktion durch ein Polynom zu interpolieren und dieses als Näherung exakt zu integrieren. Die Stützstellen der Interpolation werden dabei äquidistant gewählt.

Newton-Cotes-Formel für n = 2

Herleitung Bearbeiten

Für das zu integrierende Interpolationspolynom   vom Grad   werden die Stützstellen

 

äquidistant mit dem konstanten Abstand   so gewählt, dass sie symmetrisch zur Intervallmitte   des Integrationsintervalls   liegen. Somit gilt  .

Mit   (und somit  ) erhält man   Intervalle der Länge   und somit   und  . Diese Formeln werden abgeschlossene Newton-Cotes-Formeln genannt.

Mit   (und somit  ) erhält man offene Quadratur-Formeln:

  • Wählt man   (und somit  ), erhält man   Intervalle der Länge   und somit   und  . Diese Formeln werden offene Newton-Cotes-Formeln genannt.
  • Wählt man   (und somit  ), erhält man   Intervalle der Länge   und somit   und  . Diese Formeln werden Maclaurin-Formeln genannt.

Zur numerischen Integration von   wird das Interpolationspolynom   der Funktion   zu den gegebenen Stützstellen herangezogen. Für dieses gilt:

 ,

wobei   die Lagrange-Basispolynome sind. Daraus folgt:

 .

Definition Bearbeiten

Für die Newton-Cotes-Formel folgt dann:

 

mit den Gewichten

 

Die Gewichte sind symmetrisch, das heißt  .

 

Wegen der speziellen Wahl der Stützstellen integrieren die Quadraturformeln bei ungeradem   Polynome bis zum Grad  , bei geradem   sogar bis zum Grad   exakt. Somit sind Quadraturformeln mit geradem   (also einer ungeraden Anzahl an Stützstellen) denen mit ungeradem   vorzuziehen. Diese Eigenschaft nennt man auch den Genauigkeitsgrad der Quadraturformel.

Speziell gilt für  , dass   und somit  .

Falls  , was bei Gewichten mit verschiedenen Vorzeichen der Fall ist, besteht die Gefahr, dass sich die Rundungsfehler aufschaukeln oder Auslöschung eintritt. Daher sind aus numerischen Gründen Quadraturformeln mit positiven Gewichten zu bevorzugen. Da für großes   das Interpolationspolynom   unbrauchbar ist, sind ebenso Quadraturformeln mit großem   nicht empfehlenswert. Will man bessere Näherungen erreichen, so empfiehlt sich die Verwendung von summierten Quadraturformeln.

 

ist der Fehler (Verfahrensfehler), der bei der Anwendung der Quadraturformel gemacht wird. Dieser hat bei der speziellen Wahl der Stützstellen für  -mal auf   stetig differenzierbar reellwertige Funktionen   immer die Form

 ,

wobei   eine von   unabhängige Konstante und   ein nur in Ausnahmefällen bekannter Zwischenwert ist. Wäre er generell bekannt, könnte man   und somit auch das Integral exakt ausrechnen, im Widerspruch zu der Tatsache, dass es unendlich viele Integrale gibt, die man nicht exakt berechnen kann. Der Fehler ist Null für alle Funktionen, deren  -te Ableitung Null ist, also für alle Polynome vom Grad kleiner/gleich  . Somit ist   der Genauigkeitsgrad der Quadraturformel. Der Wert   wird auch als (polynomiale) Ordnung der Quadraturformel bezeichnet.

Mit Hilfe des Verfahrensfehlers erhält man die Fehlerabschätzung:

 .

Der exakte Fehler ist immer kleiner/gleich als diese Fehlerabschätzung, wie auch die unten angegebenen Beispiele zeigen.

Abgeschlossene Newton-Cotes-Formeln Bearbeiten

Die angegebenen Stützstellen   gelten für das Integrationsintervall  :  . Für ein allgemeines Intervall   sind die Stützstellen  .

  Name Stützstellen   Gewichte    
1 Trapezregel
Sehnentrapezregel
     
2 Simpson-Regel
Keplersche Fassregel
     
3 3/8-Regel
Pulcherrima
     
4 Milne-Regel
Boole-Regel
     
5 6-Punkt-Regel      
6 Weddle-Regel (nach Thomas Weddle, 1817–1853)[1]      

Die gekürzten Werte aller Gewichte bis   betragen:[2]

n=1: {1/2, 1/2}

n=2: {1/6, 2/3, 1/6}

n=3: {1/8, 3/8, 3/8, 1/8}

n=4: {7/90, 16/45, 2/15, 16/45, 7/90}

n=5: {19/288, 25/96, 25/144, 25/144, 25/96, 19/288}

n=6: {41/840, 9/35, 9/280, 34/105, 9/280, 9/35, 41/840}

n=7: {751/17280, 3577/17280, 49/640, 2989/17280, 2989/17280, 49/640, 3577/17280, 751/17280}

n=8: {989/28350, 2944/14175, -464/14175, 5248/14175, -454/2835, 5248/14175, -464/14175, 2944/14175, 989/28350}

n=9: {2857/89600, 15741/89600, 27/2240, 1209/5600, 2889/44800, 2889/44800, 1209/5600, 27/2240, 15741/89600, 2857/89600}

n=10: {16067/598752 , 26575/149688 , -16175/199584 , 5675/12474 , -4825/11088 , 17807/24948 , -4825/11088 , 5675/12474 , -16175/199584 , 26575/149688 , 16067/598752}

Für   gilt   für   und   Für   gilt  

Beispiel:  

Näherung mit Simpson-Regel ( ). Es gilt   und  .

 

Verfahrensfehler: Mit   erhält man   mit  

Fehlerabschätzung:  

Exakter Fehler:  

Offene Newton-Cotes-Formeln Bearbeiten

Die Stützstellen   gelten für das Integrationsintervall  :  . Für ein allgemeines Intervall   sind die Stützstellen  .

  Name Stützstellen   Gewichte    
0 Rechteckregel
Mittelpunktsregel
Tangententrapezregel
     
1      
2      
3      
4      
5      
6      

Für   gilt   Für   gilt  

Von diesen Formeln ist nur die Rechteckregel empfehlenswert. Die Formel für   hat bei höherem Aufwand die gleiche Ordnung wie die Rechteckregel, die höheren Formeln haben negative Gewichte.

Beispiel:  

Näherung mit der Formel für  . Es gilt   und  .

 .

Verfahrensfehler: Mit   erhält man   mit  .

Fehlerabschätzung:  

Exakter Fehler:  

Maclaurin-Quadraturformeln Bearbeiten

Diese Formeln sind nach Colin Maclaurin benannt. Die Stützstellen   gelten für das Integrationsintervall  :  . Für ein allgemeines Intervall   sind die Stützstellen  .

  Name Stützstellen   Gewichte    
0 Rechteckregel
Mittelpunktsregel
Tangententrapezregel
     
1      
2      
3      
4      

Für   gilt   Für   gilt  

Beispiel:  

Näherung mit der Formel für  . Es gilt   und  .

 

Verfahrensfehler: Mit   erhält man   mit  .

Fehlerabschätzung:  

Exakter Fehler:  

Summierte Newton-Cotes-Formeln Bearbeiten

Ab Grad 8 treten bei vielen Newton-Cotes-Formeln negative Gewichte auf, was die Gefahr der Auslöschung mit sich bringt. Außerdem kann man im Allgemeinen keine Konvergenz erwarten, da die Polynominterpolation schlecht konditioniert ist. Bei größeren Integrationsbereichen   unterteilt man diese daher in einzelne Teilintervalle und wendet auf jedes einzelne Teilintervall eine Formel niedriger Ordnung an.

Literatur Bearbeiten

  • Hans R. Schwarz, Norbert Köckler: Numerische Mathematik. 6. Auflage. Teubner, Stuttgart 2006, ISBN 3-519-42960-8, S. 311–316.
  • Roland W. Freund, Ronald H. W. Hoppe: Stoer/Bulirsch: Numerische Mathematik 1. 10. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-45389-5, S. 164–169.
  • Michael R. Schäferkotter, Prem K. Kythe: Handbook of Computational Methods for Integration. Chapman & Hall, Boca Raton 2005, ISBN 1-58488-428-2, S. 54–62, 503–505.
  • Günter Bärwolf: Numerik für Ingenieure, Physiker und Informatiker. ISBN 978-3-8274-1689-6, Spektrum, München 2007, S. 128.
  • Gisela Engeln-Müllges, Klaus Niederdrenk, Reinhard Wodicka: Numerik-Algorithmen : Verfahren, Beispiele, Anwendungen. ISBN 978-3-642-13472-2, Springer, Berlin und Heidelberg 2011.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Thomas Weddle (Newcastle-upon-Tyne): A new simple and general method of solving numerical equations of all orders. Hamilton, Adams & Co. and J. Philipson, London 1842 (Internet Archive – 52 S.).
  2. WolframAlpha. wolframalpha.com, abgerufen am 14. September 2019.