Michael Schmaus

deutscher katholischer Theologe, Dogmatiker

Michael Raphael Schmaus (* 17. Juli 1897 in Oberbaar, Bayern; † 8. Dezember 1993 in Gauting, Oberbayern) war ein deutscher katholischer Priester und Hochschullehrer (Theologie und Dogmatik). Er wird zu den bedeutendsten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts gerechnet. Vor allem mit seiner einflussreichen Katholischen Dogmatik wandte Schmaus sich von der bisherigen Neuscholastik ab und entwickelte ein biblisch, geschichtlich und personal ausgerichtetes Verständnis, das dem II. Vaticanum und einer ökumenischen Öffnung der Konfessionen entsprach.

Michael Schmaus. Signatur 1980

Leben Bearbeiten

Michael Schmaus wuchs in der Familie eines Landwirts auf. Er studierte nach dem Abitur in Rosenheim katholische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde 1924 bei Martin Grabmann zum Dr. theol. promoviert. 1922 empfing er die Priesterweihe, die Primiz feierte er am 16. Juli 1922 in seinem Geburtsort Oberbaar. Nach Lehraufträgen an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising, am dortigen Priesterseminar und an der Universität München war er Professor für Dogmatik am deutschsprachigen Teil der Karls-Universität Prag (1928–1933) und ab 1933 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Von 1946 bis zu seiner Emeritierung 1965 war er ordentlicher Professor für katholische Dogmatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu seinen Schülern gehörten Joseph Ratzinger – der spätere Papst Benedikt XVI., mit dem er sich im Zusammenhang mit dessen Habilitationsschrift zur FundamentaltheologieDas Offenbarungsverständnis und die Geschichtstheologie Bonaventuras“ bei Gottlieb Söhngen zerstritt –, Gerhard Boß, Josef Finkenzeller, Elisabeth Gössmann, Richard Heinzmann, Stephan Otto, Uta Ranke-Heinemann und Kardinal Leo Scheffczyk. Von 1951 bis 1952 war Schmaus Rektor der LMU München.

Schmaus nahm als Peritus am Zweiten Vatikanischen Konzil teil.

Er war Mitglied bei katholischen Studentenverbindungen des Kartellverbands katholischer deutscher Studentenvereine (KV) und Ehrenmitglied bei der KBStV Rhaetia München sowie den Katholischen Deutschen Studentenverbindungen Aenania München und Trifels München, jeweils im CV. Zudem war er 1929 Gründungsmitglied der katholischen Studentenverbindung Unitas Prag und trat 1933 der Unitas Sugambria in Münster bei[1].

Er starb im Alter von 96 Jahren.

Schmaus wurde auf dem Waldfriedhof in München beigesetzt (Grab 142a).

Wirken Bearbeiten

Schmaus erneuerte die katholische Dogmatik maßgeblich durch die allgemeinverständliche Sprache seiner Werke und die konsequente Ausrichtung seiner Theologie an der Heiligen Schrift und den Werken der Kirchenväter. Seine umfassende, sechsmal aufgelegte Katholische Dogmatik war zu seiner Zeit ein Standardwerk von herausragender Bedeutung. Seine Bücher und Schriften wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

1955 war Schmaus Gründer der Münchener Theologischen Zeitschrift. Ein Jahr vorher gründete er das Martin-Grabmann-Forschungsinstituts zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie.

Seine Privatbibliothek wurde 2007 der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) übergeben.

Über Verbindungspunkte zur nationalsozialistischen Ideologie äußerte sich Schmaus 1934 in seinen Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung folgendermaßen: „Die Tafeln des nationalsozialistischen Sollens und die der katholischen Imperative weisen in dieselbe Wegrichtung.[2] In seinem 1941 erschienenen Werk Katholische Dogmatik bezeichnete er „die Juden“ als „Knechte der Sünde“, wofür sie „keinerlei Empfinden“ hätten, und als „Kinder, Knechte des Teufels“.[3]

Nach seinem Wechsel nach München wurde Schmaus im November 1946 wegen seiner vormaligen Zugehörigkeit zu NS-Organisationen als Professor der Universität verwiesen. Ein Spruchkammerverfahren reihte ihn zunächst in die Gruppe der „Mitläufer“, die Berufungsverhandlung als „Nichtbetroffener“ ein. Erst nachdem der Kassationshof im Bayerischen Staatsministerium diese Eingruppierung Mitte Oktober 1947 bestätigt hatte, konnte Schmaus an die Universität zurückkehren.[4]

Er sah als Zweitgutachter der im Frühjahr 1956 vorgelegten 700 seitigen Habilitationsschrift von Joseph Ratzinger im Untersachied zu Ratzingers akademischem Lehrer Gottlieb Söhngen erhebliche Mängel, da sie seinem eigenen Verständnis von Offenbarung widersprach.[5] Die Arbeit wurde von der Fakultät nicht abgelehnt, sondern zur Verbesserung zurückgegeben. Da Schmaus in seinem ersten Gutachten den letzten Teil der Schrift über die Geschichtstheologie Bonaventuras nicht beanstandet hatte, legte Ratzinger im Oktober 1956 diesen als neues Werk vor. Schmaus bewertete es im 2. Gutachten als ein eigenständiges neues Werk und als „eine ausgereifte Untersuchung“.[6][7] Ratzingers Verständnis der Offenbarung als „Akt und Ereignis der sich selbst verschenkenden Liebe Gottes, der von sich aus die Beziehung zum Menschen sucht und ihm in seiner Freiheit unendlich viel zutraut.“ Dogmatik verstand Ratzinger nach Manuel Schlögl nicht in erster Linie als objektiven Lehrinhalt, ein Verständnis, das Schmaus in seinem Gutachten hervorgehoben habe, sondern als existenziellen Nachvollzug der Begegnung mit Jesus Christus. Dieses Verständnis wurde durch das Vatikanum II in der Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ maßgeblich. Nach Ratzingers Auffassung, so Schlögl, gehörte „das verstehende Subjekt“ wesentlich zur Offenbarung hinzu, während Schmaus in seiner Dogmatik doch mehr den übernatürlichen Charakter und lehrhaften Inhalt der göttlichen Offenbarung betont habe.[8][9]

Ehrungen und Auszeichnungen Bearbeiten

Festschriften Bearbeiten

  • 1957: Festschrift zum 60. Geburtstag
  • 1967: Festschrift zum 70. Geburtstag

Schriften Bearbeiten

    • Die psychologische Trinitätslehre des heiligen Augustinus. Dissertation, München 1924.
    • Der Liber propugnatorius des Thomas Anglicus und die Lehrunterschiede zwischen Thomas von Aquin und Duns Scotus, II: Die trinitarischen Lehrdifferenzen. In: Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, Band 29. Habilitationsschrift 1930.
    • Katholische Dogmatik, Max Hueber Verlag München, 1. Auflage 1938–1941
      • 1 Die Theologie im allgemeinen – Die dogmatische Theologie: Gott der Dreieinige, 1960
      • 2/1 Gott der Schöpfer
      • 2/2 Gott der Erlöser
      • 3/1 Die Lehre von der Kirche, 1958
      • 3/2 Christi Fortleben und Fortwirken in der Welt bis zu seiner Wiederkunft, 1956
      • 4/1 Die Lehre von den Sakramenten, 1964
      • 4/2 Von den letzten Dingen, 1959
      • 5 Mariologie, 2. erweiterte Auflage 1961
    • Der Glaube der Kirche. Handbuch katholischer Dogmatik. EOS Verlag St. Ottilien, 2. verb. Auflage 1979–1982
    • Vom Wesen des Christentums. Westheim bei Augsburg 1947.
    • Christus das Urbild des Menschen. Josef Habbel Verlag 1949.
    • Vom Geheimnis des in uns wohnenden Gottes. Credo Band 11, Credo Verlag Wiesbaden 1. Aufl. 1953
    • Engel und Dämonen, Credo Band 16. Credo Verlag Wiesbaden 1955
    • Zusammen mit Karl Forster: Der Kult und der heutige Mensch. München 1961.
    • Wahrheit als Heilsbegegnung. Reihe: Theologische Fragen heute, 1. München 1964.
    • Wahrheit und Zeugnis. Aktuelle Themen der Gegenwart in theologischer Sicht. Düsseldorf 1964.
    • Meditationen über Christus und der Laie nach dem Konzil. Josef Habbel Verlag, Regensburg 1966.
    • Der Glaube der Kirche. Handbuch katholischer Dogmatik. Max Hueber Verlag München, 1. Aufl. 1969–1970, 2. verb. Aufl. 1979–1982.
    • Gott der Dreifaltige. In: Hans Pfeil (Hrsg.): Unwandelbares im Wandel der Zeit, 20 Abhandlungen gegen die Verunsicherung im Glauben. Paul Pattloch Verlag Aschaffenburg, Band II: 1977, S. 104–136
    • Mitautor der Gesammelten Schriften von Matthias Joseph Scheeben.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wolfgang Burr (Hrsg.): Unitas-Handbuch. Band 1. Verlag Franz Schmitt, Siegburg 1995, S. 359.
  2. zit. nach Gerhard Bodendorfer: Ent-Schuldigung statt Schuldbekenntnis., www.jcrelations.net
  3. Norbert Reck: „Christliche Schuldgeschichte und Judenfeindschaft. Überlegungen zu alten und neuen Formen des Antisemitismus.“ In: Hansjörg Schmid/Britta Frede-Wenger: Neuer Antisemitismus? Eine Herausforderung für den interreligiösen Dialog. Frank & Timme, Berlin 2006, S. 45
  4. Georg Denzler: „ Widerstand ist nicht das richtige Wort. Katholische Priester, Bischöfe und Theologen im Dritten Reich“, Pendo, Zürich 2003, S. 59–66.
  5. Das Gutachten von Michael Schmaus im Wortlaut + Das zweite Gutachten; abgerufen am 21. Februar 2024.
  6. Patrick Klimesch for gimas gmbh: Joseph Ratzingers geschönte Geschichte. Abgerufen am 10. Mai 2024 (deutschland).
  7. Michael Karger: Offenbarung, Schrift und Überlieferung, Band 2 der Werkausgabe der Gesammelten Schriften Papst Benedikts XVI. dokumentiert die Habilitationsschrift Joseph Ratzingers, DT 08.09.2009
  8. Von Manuel Schlögl: Die Debatte um die Habilitation des späteren Papstes geht weiter: Ironie der Geschichte. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  9. Von Manuel Schlögl: Die "historische Wahrheit" hinter Joseph Ratzingers Habilitation: Kein Korrekturbedarf. 31. Januar 2024, abgerufen am 10. Mai 2024.
  10. Annuario Pontificio per l’anno 1987, Città del Vaticano 1987, S. 2031.