Max Tschornicki

deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus

Max Tschornicki (* 9. August 1903 in Rüsselsheim; † 20. April 1945 im KZ-Außenlager München-Allach) war ein deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er war neben Wilhelm Vogel der einzige Häftling, dem die Flucht aus dem KZ Osthofen bei Worms (Rheinland-Pfalz) gelang.[1]

Leben Bearbeiten

Max Tschornicki wuchs als Sohn russischer Einwanderer auf. Er wurde jüdisch-orthodox erzogen und war Mitglied mehrerer jüdischer Jugendverbände. Als Schüler trat er der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei. Später wurde er Mitglied der SPD und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Er besuchte ein Gymnasium in Mainz und studierte anschließend Rechtswissenschaften.[2] Als Rechtsanwalt war er in Mainz und Umgebung tätig und verteidigte vor allem SPD- und Reichsbanner-Mitglieder.[3]

Tschornicki galt als engagierter Kämpfer gegen die Nationalsozialisten. Am 24. Mai 1933 wurde er auf Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat verhaftet und kam in das Konzentrationslager Osthofen, das als eines der ersten Konzentrationslager durch die Nationalsozialisten errichtet worden war.[3][4] Als Jude und SPD-Mitglied war er den Schlägern von Sturmabteilung und Schutzstaffel, die die dortige Wachmannschaft bildeten, doppelt verhasst. Mit der Hilfe von Mitgefangenen, Osthofener Bürgern,[5] sowie seiner Verlobten gelang ihm am 3. Juli 1933 die Flucht aus dem Konzentrationslager.[6][7] Seine Flucht hatte weitreichende Folgen. Nicht nur wurde die Bewachung des KZs verstärkt, eine Besuchssperre verhängt sowie einige Häftlinge schwer bestraft, auch seine Familie wurde in „Schutzhaft“ genommen.[8]

Tschornicki floh zunächst in das Saargebiet, das damals noch als Mandatsgebiet des Völkerbundes verwaltet wurde, und von dort weiter nach Toulouse, später nach Lyon. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs 1940 schloss er sich der französischen Résistance an. Er wurde 1944 verhaftet. Am 11. August 1944 kam Tschornicki in das KZ Auschwitz, es folgten Verlegungen in andere Konzentrationslager. Am 20. April 1945 verstarb er in Allach, einem Außenlager des KZ Dachau, an Dysenterie, nur neun Tage vor der Befreiung des Konzentrationslagers durch die alliierten Truppen.[3]

Literarische Bearbeitungen Bearbeiten

Möglicherweise diente diese reale Flucht aus dem KZ Osthofen der in der Pariser Emigration lebenden Anna Seghers als Vorlage für ihren weltberühmten Roman Das siebte Kreuz,[9][4] den sie zwischen September 1938 und Oktober 1939 schrieb.[10] Anders als in dem Roman hat es aber aus dem realen KZ Osthofen keine Massenflucht gegeben. Nach Forschungsergebnissen von Erwin Rotermund spricht einiges dafür, dass Anna Seghers bei der „epischen Ausgestaltung dieses Motivs von einem Vorfall angeregt worden ist, der sich im November 1936 in dem Konzentrationslager Sachsenhausen abgespielt hat“.[11]

Das Chawwerusch Theater in Herxheim bearbeitete 2013 Tschornickis Lebensgeschichte zu einem Theaterstück, das mit Texten von Seghers, Stéphane Hessel, Walter Benjamin sowie Wolf Biermanns Übertragung des jiddischen Arbeiterliedes Sol sajn arbeitet. Das Stück wurde auch in der Gedenkstätte KZ Osthofen aufgeführt.[12]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Angelika Arenz-Morch: Max Tschornicki – ein Mainzer Sozialist aus jüdischer Familie. In: Mainzer Geschichtsblätter Blätter. Lebensläufe der Diktatur 1933–1945, Heft 15, 2014, S. 71 bis 97.
  2. Rolf Müller: Der Weg nach Auschwitz. In: Badische Zeitung. 2. März 2013 (badische-zeitung.de).
  3. a b c Max Tschornicki. Projekt Osthofen, abgerufen am 18. Juni 2013.
  4. a b Wolfgang Benz (Hrsg.): Frühe Lager. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52962-3. S. 181–184
  5. Klaus Drobisch, Günther Wieland: System der NS-Konzentrationslager. 19331939. Akademie-Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-05-000823-7. S. 163
  6. Angelika Arenz-Morch, Martina Ruppert-Kelly: Die Gedenkstätte KZ Osthofen. Hrsg.: Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. Osthofen 2010, S. 11 (politische-bildung-rlp.de [PDF]).
  7. Bei Drobisch wird der 5. Juli genannt, am 6. Juli erschien die Fluchtmeldung in der Mainzer Tageszeitung. Drobisch: System der NS-Konzentrationslager, S. 163
  8. Sven Langhammer: Fluchten aus Konzentrationslagern von 1933 bis 1937. In: Widerständige Wege (= informationen Nr. 68). November 2008 (widerstand-1933-1945.de [PDF]). Fluchten aus Konzentrationslagern von 1933 bis 1937 (Memento des Originals vom 14. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.widerstand-1933-1945.de
  9. Klaus Drobisch, Günther Wieland: Das System der NS-Konzentrationslager: 1933–1939. Akademie Verlag, 1993, ISBN 978-3-05-000823-3, S. 169.
  10. Bernhard Spies: Kommentar, zu: Anna Seghers: Werkausgabe. Das siebte Kreuz, Aufbau, Berlin 2000, S. 445–496
  11. Erwin Rotermund: Sieben Flüchtlinge und sieben Kreuze. In: Argonautenschiff, Band 10, S. 253
  12. Ulrike Schäfer: Gedenkstätte KZ Osthofen erinnert an jüdischen Rechtsanwalt. Wormser Zeitung, 4. Juni 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 26. Juni 2013; abgerufen am 22. Juli 2013.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wormser-zeitung.de