Loesels Rauke

Art der Gattung Rauken (Sisymbrium)

Loesels Rauke (Sisymbrium loeselii) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Rauken (Sisymbrium) und gehört in die Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Sie ist in den kontinentalen Bereichen der gemäßigten Breiten Europas, West- und Zentralasiens weitverbreitet und in Mitteleuropa ein Neophyt.

Loesels Rauke

Loesels Rauke (Sisymbrium loeselii)

Systematik
Eurosiden II
Ordnung: Kreuzblütlerartige (Brassicales)
Familie: Kreuzblütler (Brassicaceae)
Tribus: Sisymbrieae
Gattung: Rauken (Sisymbrium)
Art: Loesels Rauke
Wissenschaftlicher Name
Sisymbrium loeselii
L.

Beschreibung Bearbeiten

 
Illustration
 
Stängel und Laubblätter
 
Oberster Bereich eines schirmtraubigen Blütenstandes mit den vierzähligen Blüten, deutlich erkennbar ist der Stempel mit der zweilappigen Narbe.
 
Schirmtraubiger Blütenstand von oben
 
Schoten

Erscheinungsbild und Laubblatt Bearbeiten

Loesels Rauke wächst als ein- (winterannuelle) bis zweijährige krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von meist 35 bis 120 (20 bis 175) Zentimetern. Sie bildet eine dünne Pfahlwurzel. Der aufrechte Stängel ist im oberen Bereich verzweigt. Er ist besonders im unteren Teil dicht rau behaart mit zurückgebogenen Trichomen, im oberen Bereich meist kahl.

Die behaarten Laubblätter sind in grundständigen Rosetten und wechselständig am Stängel verteilt angeordnet. Die 1 bis 4 (selten bis zu 5) Zentimeter lang gestielten Grundblätter besitzen eine im Umriss breit verkehrt-lanzettliche Blattspreite mit einer Länge von 2,5 bis 8 (1,5 bis 12) Zentimetern und einer Breite von 2 bis 5 (1 bis 7) Zentimetern, die schrotsägeförmig- bis leierförmig-fiederspaltig ist, mit auf jeder Seite der Mittelrippe ein bis vier ganzrandigen oder gezähnten Abschnitten und einem großen, dreieckigen, oft spießförmigen Endabschnitt. Die obersten nur kurz bis kaum erkennbar gestielten Stängelblätter sind mit einer Breite von bis zu 1,5 Zentimetern viel kleiner als die Grundblätter und besitzen einen glatten oder gezähnten Blattrand.

Blütenstand/Fruchtstand Bearbeiten

Die Blütezeit reicht je nach Standort von Mai bis September, oder sogar bis Anfang November. Der anfangs schirmtraubige, später durch Streckung der Blütenstandsachse traubige Blütenstand enthält 50 bis 100 Blüten, bei der Fruchtreife ist der Fruchtstand dann bis zu 30 (selten bis zu 40) Zentimeter lang.[1]

Blüte Bearbeiten

Die zwittrigen, vierzähligen Blüten weisen einen Durchmesser von 6 bis 8 Millimetern auf.[1] Die vier aufsteigenden Kelchblätter sind länglich mit einer Länge von 3 bis 4 Millimetern und einer Breite von 1 bis 1,5 Millimetern. Die vier gelben Kronblätter sind 6 bis 8 Millimeter lang und 2 bis 3 Millimeter breit, spatelförmig mit einem Nagel der mit einer Länge von 2,5 bis 3,5 Millimetern fast gleich lang wie die Kelchblätter ist. Die sechs Staubblätter bestehen aus einem 3 bis 4,5 Millimeter langen, aufrechten, gelblichen Staubfaden und einem 0,6 bis 1,5 Millimeter langen, länglichen bis eiförmigen Staubbeutel. Der unauffällige, gedrungene Griffel ist 0,3 bis 0,7 Millimeter lang und endet in einer deutlich zweilappigen Narbe. Jeder Fruchtknoten enthält 40 bis 60 Samenanlagen.

Frucht und Samen Bearbeiten

Die Früchte reifen zwischen Juni und Oktober. Die spreizend abstehenden oder aufsteigenden, (0,5 bis) 0,8 bis 1,2 (bis 1,5) Zentimeter langen, schmalen Fruchtstiele sind dünner als die Früchte. Die jungen Früchte überragen die Blüten nicht. Die gekrümmten oder geraden Schoten sind schmal linealisch mit einer Länge von 2 bis 3,5 (1,5 bis 5) Zentimetern und einem Durchmesser von 0,9 bis 1,1 Millimetern und mehr oder weniger stielrund. Die zwei fast häutigen Klappen besitzen drei Nerven[1] und sind oft kahl. Das Septum ist durchscheinend.[1] Die (15 bis) meist 25 bis 30 reifen Samen zeichnen sich als schwach perlschnurartiges Muster auf den Klappen ab. Die braunen[1] Samen sind bei einer Länge von 0,7 bis 1 Millimetern sowie einem Durchmesser von 0,5 bis 0,6 Millimetern länglich-ellipsoid mit etwas papillöser Oberfläche.[1]

Chromosomenzahl Bearbeiten

Loesels Rauke ist diploid mit einer Chromosomenzahl von 2n = 14.[2]

Vorkommen Bearbeiten

Loesels Rauke ist in den kontinentalen Bereichen der gemäßigten Breiten Europas, West- und Zentralasiens weit verbreitet. Als natürliche Heimatgebiete werden angegeben: das östliche Österreich, die ehemalige Tschechoslowakei, Ungarn, das ehemalige Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, das nördliche Griechenland, Belarus, Ukraine, Russland, Türkei, Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Afghanistan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, das chinesische Xinjiang, der Indische Subkontinent sowie drei Fundorte im nördlichen Saudi-Arabien.[3][4]

Sie ist in klimatisch entsprechenden Gebieten Nordamerikas eingebürgert. In Mitteleuropa werden natürliche Vorkommen in Ungarn, im böhmischen Elbgebiet und im Wiener Becken vermutet. Von ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet aus hat Sisymbrium loeselii ihr Verbreitungsgebiet seit dem 17. Jahrhundert nach Mitteleuropa erweitert.[5] Sie ist heute im östlichen Mitteleuropa verbreitet bis häufig, ansonsten zerstreut bis selten zu finden.[6][7]

Sie siedelt oft gesellig in lückigen Unkrautfluren, an Schutt- und Müllplätzen, auf Mauern, an Wegen und Dämmen, auf nährstoffreichen Böden. Als Pionierpflanze bevorzugt sie Licht- und Sommerwärme. Sie ist in Mitteleuropa eine Charakterart des Verbandes Sisymbrion, der annuelle Ruderalgesellschaften in gemäßigt warmem Klima umfasst. Speziell ist sie eine Charakterart des Sisymbrietum loeselii, kommt aber auch im Hordeetum murini vor.[2]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2 (mäßig trocken), Lichtzahl L = 4 (hell), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 5 (kontinental).[8]

Systematik Bearbeiten

Die Erstveröffentlichung von Sisymbrium loeselii erfolgte 1755 durch Carl von Linné in Centuria I. Plantarum, S. 18 (1755).[9] Das Artepitheton loeselii ehrt den deutschen Arzt und Botaniker Johannes Loesel (1607–1655), der diese einwandernde Art 1654 in Danzig fand.[5] Synonyme für Sisymbrium loeselii L. sind: Crucifera loeselii (L.) E.H.L.Krause, Erysimum loeselii (L.) Rupr., Erysimum loeselii Farw., Hesperis loeselii (L.) Kuntze, Leptocarpaea loeselii (L.) DC., Nasturtium loeselium (L.) Krause, Norta loeselii (L.) Rydb., Sisymbrium decipiens Bunge, Sisymbrium glabratum Stapf ex O.E.Schulz, Sisymbrium loeselii var. brevicarpum C.H.An, Sisymbrium turcomanicum Litv., Turritis loeselii (L.) R.Br.[10]

Quellen Bearbeiten

  • Ihsan A. Al-Shehbaz, John F. Gaskin: Brassicaceae. In Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 7: Magnoliophyta: Salicaceae to Brassicaceae. Oxford University Press, New York / Oxford u. a. 2010, ISBN 978-0-19-531822-7, Sisymbrium loeselii, S. 669 (englisch, online). (Abschnitte Beschreibung, Verbreitung und Systematik)
  • Tai-yien Cheo, Lianli Lu, Guang Yang, Ihsan Al-Shehbaz, Vladimir Dorofeev: Brassicaceae. In Wu Zheng-yi, Peter H. Raven (Hrsg.): Flora of China. Volume 8: Brassicaceae through Saxifragaceae. Science Press / Missouri Botanical Garden Press, Beijing / St. Louis 2001, ISBN 0-915279-93-2, Sisymbrium loeselii, S. 178 (englisch, online). (Abschnitt Beschreibung)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f Saiyad Masudal Hasan Jafri: Flora of West Pakistan. 55: Brassicaceae. Stewart Herbarium, Gordon College (u. a.), Rawalpindi 1973, Sisymbrium loeselii, S. 251 (online).
  2. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 475.
  3. Anthony George Miller, Thomas A. Cope (Hrsg.): Flora of the Arabian Peninsula and Socotra. Volume 1, Edinburgh University Press, Edinburgh 1996, ISBN 0-7486-0475-8, S. 443, 564 eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  4. Sisymbrium loeselii im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
  5. a b Wolfram Schultze-Motel (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Pteridophyta, Spermatophyta. Begründet von Gustav Hegi. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Band IV. Teil 1: Angiospermae: Dicotyledones 2 (Berberidaceae – Resedaceae). Paul Parey, Berlin / Hamburg 1986, ISBN 3-489-63920-0, S. 101–103 (Nachdruck der 2. Auflage von 1963 mit Nachträgen).
  6. Jaakko Jalas, Juha Suominen (Hrsg.): Atlas Florae Europaeae. Distribution of Vascular Plants in Europe. 10. Cruciferae (Sisymbrium to Aubrieta). Akateeminen Kirjakauppa, The Committee for Mapping the Flora of Europe & Societas Biologica Fennica Vanamo, Helsinki 1994, ISBN 951-9108-09-2, S. 18.
  7. Loesels Rauke. auf FloraWeb.de
  8. Sisymbrium loeselii L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 22. August 2022.
  9. Carl von Linné: Centuria I. Plantarum. Upsala 1755, S. 18 (PDF-Datei; 8,5 MB). (Memento vom 14. Juli 2007 im Internet Archive)
  10. Sisymbrium loeselii bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis

Weblinks Bearbeiten

Commons: Loesels Rauke (Sisymbrium loeselii) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien