Der Levi-Civita-Körper ist ein Körper, der von Tullio Levi-Civita erfunden wurde. Die reellen Zahlen bzw. die komplexen Zahlen sind ein Unterkörper des Levi-Civita-Körpers. Der Levi-Civita-Körper findet Anwendung in der effizienten symbolischen Berechnung von Werten von höheren Ableitungen von Funktionen.

Definition Bearbeiten

Grundmenge des Körpers Bearbeiten

Die Grundmenge des Levi-Civita-Körpers sind alle Funktionen   (bzw.  ), die einen linksendlichen Träger haben.

Notation Bearbeiten

  • So wie die reellen Zahlen mit   abgekürzt werden, kann man den Levi-Civita-Körper mit   oder mit   abkürzen, je nachdem, ob die Grundmenge aus reellen oder komplexen Funktionen besteht.
  • Falls   im Levi-Civita-Körper ist und einen nichtleeren Träger hat, so bezeichnet man mit   das Minimum des Trägers, das wegen Linksendlichkeit existiert.
  • Man schreibt für   bzw.   und  , dass  .

Addition Bearbeiten

Die Addition von zwei Elementen der Grundmenge   und   wird folgendermaßen definiert:

 

Das additive Inverse lautet wie folgt:

 

Das Nullelement lautet:

  bzw.  

Multiplikation Bearbeiten

Die Multiplikation von zwei Elementen der Grundmenge   und   wird folgendermaßen definiert:

 

Einselement Bearbeiten

Das Einselement des Levi-Civita-Körpers ist die Funktion

 .

Multiplikatives Inverses Bearbeiten

Wenn   ein Element des Levi-Civita-Körpers ist, so kann man ein multiplikatives Inverses wie folgt konstruieren: Man wählt  , wobei   die kleinste Zahl mit   ist und  . Wenn der Träger von   nur die 0 enthält, dann ist  . Sonst ist   für ein   im Levi-Civita-Körper und man sucht erst nach einem   mit  . Man definiert die Folge   durch   und  . Dann erfüllt   die gewünschte Eigenschaft. Dann ist  . Nun findet man das multiplikative Inverse von   durch  .

Fixpunktsatz Bearbeiten

Die obige Definition des multiplikativen Inversen ergibt sich aus dem Beweis des Fixpunktsatzes (siehe in der ersten Quelle), der garantiert, dass der Limes der Folge   existiert und die gewünschte Eigenschaft erfüllt. Der Fixpunktsatz lautet wie folgt:

Sei  . Sei   bzw.   die Menge der Elemente  , sodass  . Sei ferner   bzw.   eine Funktion mit den Eigenschaften

  •  
  •   (bzw.  )  

Dann existiert genau ein   bzw.  , sodass:

 

Einbettung der reellen bzw. komplexen Zahlen Bearbeiten

Um die reellen bzw. komplexen Zahlen in den Levi-Civita-Körper einzubetten, bedient man sich folgender Funktion:

  bzw.  
 .

Hierbei wird das Einselement von   bzw.   auf das Einselement von   bzw.   abgebildet. Ferner ist   ein Homomorphismus bezüglich der Addition und der Multiplikation. Daher können die reellen und komplexen Zahlen als Unterkörper des Levi-Civita-Körpers angesehen werden.

Ordnung des reellen Levi-Civita-Körpers Bearbeiten

Seien  . Man sagt  , wenn   und  . Dadurch wird der Levi-Civita-Körper der reellen Funktionen zu einem geordneten Körper.

Mit dieser Ordnung ist zum Beispiel die Zahl

 

kleiner als jede positive reelle Zahl.

Das Archimedische Axiom ist für den Levi-Civita-Körper nicht erfüllt. Beispielsweise gilt  .

Wurzeln Bearbeiten

Bezüglich der oben definierten Multiplikation hat jedes   immer genau   verschiedene  -te Wurzeln. Für ein   existieren die folgenden Anzahlen von  -ten Wurzeln von  :

n ungerade n gerade
x negativ 1 0
x positiv 1 2
x null 1 1

Betrag Bearbeiten

Levi-Civita-Körper der reellen Funktionen Bearbeiten

Sei  . Der Betrag von x ist definiert durch:

 

Levi-Civita-Körper der komplexen Funktionen Bearbeiten

Sei  , wobei   die imaginäre Zahl ist. Der Betrag von x ist definiert durch:

 

Hierbei ist die Wurzel bezüglich der oben definierten Multiplikation des Levi-Civita-Körpers gemeint.

Halbnorm Bearbeiten

Sei  . Dann kann man die folgende Halbnorm auf dem Levi-Civita-Körper definieren:

 ,

wobei   der Betrag der reellen bzw. komplexen Zahlen ist.

Topologien Bearbeiten

Ordnungstopologie Bearbeiten

Sei   bzw.  . Sei

  bzw.  .

Für die Ordnungstopologie definiert man als offene Menge, sofern

 .

Diese Topologie hat die folgenden Eigenschaften:

  • Sie macht   und   zu nichtzusammenhängenden Hausdorff-Räumen.
  • Mit dieser Definition von offenen Mengen sind   und   keine lokalkompakten Räume.
  • Auf   stimmt diese Topologie von   mit der diskreten Topologie überein.

Halbnormtopologie Bearbeiten

Sei   die Halbnorm des Levi-Civita-Körpers. Sei   bzw.  . Sei

 .

Für die Halbnormtopologie definiert man M als offene Menge, sofern

 .

Diese Topologie hat die folgenden Eigenschaften:

Derivation Bearbeiten

Man kann auf dem Levi-Civita-Körper eine Derivation   definieren:

 

Für diese Derivation gilt:

  •  
  •  

Anwendungen Bearbeiten

Der Levi-Civita-Körper ermöglicht die effiziente Berechnung höherer Ableitungen von Funktionen wie zum Beispiel

 .

Es gibt ein auf dem Levi-Civita-Körper basierendes Programm, welches den Wert der 19. Ableitung dieser Funktion an der Stelle 0 innerhalb von weniger als einer Sekunde berechnet. Mathematica benötigt hingegen zur Berechnung des Wertes der 6. Ableitung dieser Funktion an der Stelle 0 mehr als 6 Minuten.

Quellen Bearbeiten

  • Martin Berz: Calculus and Numerics on Levi-Civita Fields. In: Martin Berz, Christian Bischof, George Corliss, Andreas Griewank (Hrsg.): Computational differentiation. Techniques, applications, and tools. Proceedings of the 2nd International Workshop held in Santa Fe, NM, February 12–14, 1996. 1996, ISBN 0-89871-385-4, Kap. 2 (Online [PDF; abgerufen am 6. Juni 2013]).
  • Khodr Shamseddine, Martin Berz: The Differential Algebraic Structure of the Levi-Civita Field and Applications. (Online [PDF; 199 kB; abgerufen am 15. August 2013]).