Lerge

Im übertragenen Sinn ein „lüderliches Frauenzimmer"

Der Begriff Lerge stammt aus Niederschlesien und ist seit dem 19. Jahrhundert lexikalisch nachweisbar. Laut dem Schriftsteller Karl von Holtei und dem Sprachforscher Karl Weinhold bezeichnet „Lerge“ ursprünglich in der Grundbedeutung „schlecht, fehlerhaft“, ein „dürres schlechtes Pferd“ oder einen „dürren Hund“. Im übertragenen Sinne war damit ein „lüderliches Frauenzimmer“ gemeint.[1] Das Wort „Lerge“ galt als „unfein“, aber nicht als vulgär.[2]

Später weitete sich die Bedeutung des Begriffs aus. „Lerge“ wurde sowohl als Beschimpfung als auch als Kosewort benutzt,[3] beispielsweise „du timplige Lerge“ („du dümmlicher Mensch“) oder „du verrückte Lerge“.[2] Schließlich galt das Wort als Spitzname für die Bewohner Breslaus.[4]

„O lerge!“ war ein allgemeiner Ausruf des Erstaunens,[4] ebenso wie „ach du Lerge“ („ach du meine Güte“) oder auch „Lerge-box“.[2] Das Wort wurde im Volksmund auch als Akronym für „Lieber Einziger Reizender Goldener Engel“ erklärt.[5]

Diese Bedeutungsvielfalt beschreibt die Autorin Magdalena Maria Hönisch-Tunk 2007 so:

Sagten wir Kinder ‚Lerge‘, bekamen die meisten von uns ein paar hinter die Löffel. Sogar wir Gassenkinder durften nicht einmal einer Freundin im Zorn ‚Du doofe Lerge‘ an den Kopf werfen.
Dabei ist sie weder braun noch riecht sie schlecht. Also viel schöner, als das, was heute in aller Munde ist. Nun, was drückte Lerge aus? Sie konnte lieb sein und gemein!
Zum Beispiel:
Ein kleines Baby im Kinderwagen: ‚Ach ist das ’ne süße klene Lerge!‘
Der stolze Papa: ‚Na, kuck dir mal die klene Lerge an!‘
Der Junge, der von seinem Mädel schwärmt: ‚Das ist dir vielleicht ene Lerge, Lotschke Fisch! – Da hebste ob.‘
Die Frau, die vergeblich auf ihren Mann wartet: ‚Die alte Lerge sitzt sicher wieder in der Kneipe und besauft sich!‘
Die Streithähne: ‚Mensch Lerge, ich hau dir ene in die Flappe, dass dir die rote Suppe nachläuft!‘[6]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Karl von Holtei: Schlesische Gedichte. Haude und Spener, Berlin 1830; Trewendt, Breslau 1878, S. 151; Karl Weinhold: Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche. Wien 1855, S. 53; s. a. Ignaz Petters: Andeutungen zur Stoffsammlung in den deutschen Mundarten Böhmens. Prag 1864, S. 6.
  2. a b c Günter Simon (Leserbrief). In: Schlesische Nachrichten 11/2006, S. 5.
  3. Horst Hecht: Der Weg. Breslau-Nürnberg. Norderstedt 2003, S. 18.
  4. a b Rudolf Großpietsch: Parkstraße 15. Die Geschichte einer Breslauer Bürgerfamilie 1700 bis 1945. Norderstedt 2007, S. 168.
  5. Hans-Peter Brachmanski: Die Breslauer Lerge – ein vergessener schlesischer Begriff? (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.oberschlesien-aktuell.de (PDF; 367 kB). In: Schlesische Nachrichten 7/2006, S. 6.
  6. Zitat mit freundlicher Genehmigung der Autorin nach Lerge, Lerge Das war eine Zeit! – Die Breslauer Lerge (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.today)