Die Leningrad-Klasse war eine Schiffsklasse von sechs Großzerstörern für die sowjetische Marine (russisch Военно-Морской Флот СССР Wojenno-Morskoij flot SSSR) im Zweiten Weltkrieg. Die Schiffe waren als Flottillenführer geplant und gebaut. Sie war der Vorgänger der Taschkent-Klasse. Zwei Schiffe der Klasse gingen während des Zweiten Weltkriegs verloren.

Leningrad-Klasse
Zerstörer der Leningrad-Klasse
Zerstörer der Leningrad-Klasse
Schiffsdaten
Land Sowjetunion Sowjetunion
Schiffsart Flottillenführer
Bauzeitraum 1932 bis 1940
Stapellauf des Typschiffes 17. November 1933
Gebaute Einheiten 6
Dienstzeit 1936 bis 1958
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 127,5 m (Lüa)
Breite 11,7 m
Tiefgang (max.) 4,06 m
Verdrängung Standard: 2.350 ts
maximal: 2.680 ts
 
Besatzung 250–311 Mann
Maschinenanlage
Maschine 3 × Wasserrohrkessel
3 × Dampfturbinen
Maschinen­leistung 66.000 PS (48.543 kW)
Höchst­geschwindigkeit 40 kn (74 km/h)
Propeller 3
Bewaffnung
  • 5 × Sk 130 mm L/50 B13 Pattern 1936 (5 × 1)
  • 2 × Flak 76,2 mm Modell 1935 (34-K) (2 × 1)
  • 2 × Flak 45 mm (21-K) (2 × 1)
  • 8 × Torpedorohr ⌀ 533 mm (2 × 4)
  • 52 Wasserbomben
  • 68–115 Seeminen
Sensoren

Arktur-Hydrophon

Konstruktionsgeschichte Bearbeiten

Die ersten drei Schiffe der Leningrad-Klasse wurden im ersten sowjetischen Fünfjahresplan als Projekt 1 gefordert. Ursprünglich war geplant, eine vergrößerte Version der HMS Codrington – dem Flottillenführer der britischen A-Klasse – zu bauen. Man entschied sich dann aber dafür, die französischen Großzerstörer der Vauquelin-Klasse zu kopieren, da diese größer und schneller und zudem in der Lage waren, alleine zu operieren. Zum Zeitpunkt des Baubeginns waren die Schiffe der Leningrad-Klasse die größten in sowjetischen Werften gebauten Schiffe. Das Projekt hatte mit Verzögerungen und Entwicklungsproblemen zu kämpfen, bedingt auch durch die Selbstüberschätzung sowjetischer Schiffsbauer. Die vorher gebaute Uragan-Klasse hatte lediglich ein Drittel der Größe der Leningrad-Klasse. Die im zweiten Fünfjahresplan geforderten drei Schiffe (Projekt 38) waren minimal länger als diejenigen aus Projekt 1, ansonsten aber bau- und ausrüstungsgleich.

Maschinenanlage Bearbeiten

Die Antriebsanlage der Leningrad-Klasse bestand aus drei Wasserrohrkesseln und drei Dampfturbinen. Diese trieben über drei Antriebswellen die drei Schrauben an. Die Maschinen leisteten 66.000 WPS. Damit konnte eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 40 kn (etwa 74 km/h) erreicht werden. Das Typschiff Leningrad erreichte am 5. November 1936 bei einer Testfahrt die Spitzengeschwindigkeit von 43 kn (etwa 80 km/h). Die Klasse konnte 610 t Treibstoff bunkern und hatte damit bei 20 kn (etwa 37 km/h) eine Reichweite von 2.100 sm (3.900 km).

Das Besondere an der Konstruktion war, dass sowohl die drei Kesselräume als auch die drei Turbinenräume baulich voneinander getrennt waren. Damit wollte man verhindern, dass bei einem Treffer das Schiff manövrierunfähig wurde. Kessel- und Getrieberaum 1 und 2 für die äußeren Antriebswellen befanden sich unter dem vorderen Schornstein, Kessel- und Getrieberaum 3 für die zentrale Antriebswelle befanden sich hinter dem hinteren Schornstein.

Bewaffnung Bearbeiten

Die Hauptartillerie der Leningrad-Klasse bestand aus fünf 130-mm-Geschützen B13 Modell 1936 in Einzelaufstellung. Diese Kanone konnte eine 33,5 Kilogramm schwere Granate über eine maximale Distanz von 25.500 m feuern. Mit den Geschützen konnten sechs bis zehn Schuss pro Minute abgefeuert werden.[1]

Als Flugabwehrbewaffnung verfügte die Leningrad-Klasse bei ihrer Indienststellung über zwei 76,2-mm-Flak Modell 1935 (34-K)[2] und zwei 45-mm-Flak (21-K)[3] jeweils in Einzelaufstellung.

Als Torpedobewaffnung verfügten die Zerstörer über acht Torpedorohre in zwei Vierergruppen für die sowjetischen 533-mm-Torpedos.[4] Zur U-Boot-Abwehr führte die Leningrad-Klasse 52 Wasserbomben mit.[5] Zudem konnten bis zu 115 Seeminen mitgeführt werden.[6]

Sensoren Bearbeiten

Die Leningrad-Klasse verfügte über ein Arktur-Hydrophon. Dieses war allerdings äußerst eingeschränkt, da das Schiff sich bei der Nutzung des Arktur mit maximal 3 kn bewegen dufte. Im Laufe des Krieges wurden die Schiffe der Klasse mit britischem ASDIC-Sonar und radargestützter Feuerleitung Typ 285 ausgerüstet. Von den USA erhielten sie das SG-Luftsuchradar.

Einheiten Bearbeiten

Name Bauwerft Kiellegung Stapellauf Indienststellung Verbleib
Leningrad-Klasse (Projekt 1)
Leningrad Sewernaja Werf, Leningrad 5. November 1932 17. November 1933 5. Dezember 1936 Im Mai 1963 als Zielschiff versenkt.
Charkow Andre Marti, Werft Nr. 198, Nikolajew 19. Oktober 1932 4. September 1934 19. Oktober 1938 Am 6. Oktober 1943 von deutschen Flugzeugen versenkt.
Moskwa 29. Oktober 1932 1934 10. August 1938 Am 26. Juni 1941 nach Minentreffer gesunken.
Leningrad-Klasse (Projekt 38)
Minsk Sewernaja Werf, Leningrad 5. Oktober 1934 6. November 1935 15. Februar 1939 Am 23. September 1941 von deutschen Flugzeugen versenkt, gehoben und 1958 als Zielschiff versenkt.
Baku Andre Marti, Werft Nr. 198, Nikolajew (Bauteile)
Werft Nr. 199, Komsomolsk am Amur (Kiellegung)
Werft Nr. 202, Wladiwostok (Fertigstellung)
15. Januar 1935
10. März 1936 (erneute Kiellegung)
25. Juli 1938 27. Dezember 1939 Am 30. November 1963 abgebrochen.
Tbilisi Andre Marti, Werft Nr. 198, Nikolajew
Werft Nr. 199, Komsomolsk am Amur
15. Januar 1935 24. Juli 1939 11. Dezember 1940 Am 31. Januar 1964 abgebrochen.

Literatur Bearbeiten

  • Roger Chesneau: Conway's All the World's Fighting Ships 1922–1946. Conway Maritime Press, 2010, ISBN 0-85177-146-7.
  • Mike J. Whitley: Zerstörer im Zweiten Weltkrieg. Motorbuchverlag, Stuttgart 1991, ISBN 3-613-01426-2.
  • John Jordan, Jean Moulin: French Destroyers: Torpilleurs d'Escadre & Contre-Torpilleurs 1922–1956. Seaforth Publishing, Barnsley ISBN 978-1-84832-198-4.
  • Siegfried Breyer: Soviet Warship Development: Volume 1: 1917–1937. Conway Maritime Press, London 1992, ISBN 0-85177-604-3.
  • John Campbell: Naval Weapons of World War II. Naval Institute Press, Annapolis 1985, ISBN 0-87021-459-4.
  • Alexander Hill: Soviet Destroyers of World War II. Osprey Publishing, Oxford 2018, ISBN 978-1-4728-2256-7.
  • Pawel Katschur: Гончие псы Красного флота. Ташкент, Баку, Ленинград. Jausa/Eksmo, Moskau 2008, ISBN 978-5-699-31614-4. (russisch)
  • Jürgen Rohwer: Chronology of the War at Sea 1939–1945: The Naval History of World War Two. Naval Institute Press, Annapolis 2005, ISBN 1-59114-119-2.
  • Jürgen Rohwer, Mikhail S. Monakov: Stalin's Ocean-Going Fleet. Frank Cass, London 2001, ISBN 0-7146-4895-7.
  • Vladimir Yakubov, Richard Worth: Raising the Red Banner: A Pictorial History of Stalin's Fleet. Spellmount, Gloucestershire 2008, ISBN 978-1-86227-450-1.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Leningrad-Klasse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. 30 mm/50 B13 Pattern 1936 Geschützdaten auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)
  2. 76.2 mm/55 (3") 34-K Pattern 1935 Geschützdaten auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)
  3. 45 mm/46 (1.77") 21-K Geschützdaten auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)
  4. 533 mm (21") 53-36 Torpedodaten auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)
  5. Soviet Depth Charges Sowjetische Wasserbomben auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)
  6. Russian Mines Russische Minen auf navweaps.com. Abgerufen am 18. Dezember 2019. (englisch)