Knochenschiff

Schiffsmodell aus Tierknochen

Ein Knochenschiff ist ein Schiffsmodell, das ganz oder zum Teil aus Tierknochen hergestellt wurde. Knochenschiffe wurden vor allem während der Napoleonischen Kriege von französischen Seeleuten in britischer Kriegsgefangenschaft hergestellt, so genannte Kriegsgefangenenmodelle.

Kriegsschiff ersten Ranges, 1804 (heute im Internationalen Maritimen Museum Hamburg).

Knochenschiffe französischer Seeleute Bearbeiten

Französische Seeleute in britischer Kriegsgefangenschaft während der und nach den napoleonischen Kriegen waren anfänglich in abgetakelten Schiffen an der englischen und schottischen Küste und später in eigens gebauten Gefängnissen interniert. Dort fertigten manche von ihnen Schiffsmodelle an und verkauften sie an ihre Bewacher, die ihnen auch entsprechendes Werkzeug zur Verfügung stellten.[1] Teilweise wird dies auf die ins Mittelalter zurückreichende Elfenbeinschnitzer-Tradition der französischen Stadt Dieppe zurückgeführt.[2]

Die Kriegsgefangenen fertigten die Schiffsmodelle aus dem Gedächtnis an. Die Bauweise ist französisch, zur besseren Verkaufbarkeit wurden die Modelle mit Merkmalen britischer Kriegsschiffe versehen. Als Material wurde Holz sowie für die äußere Verkleidung Schafs- und Rinderknochen verwendet, für die Takelage Haare von Tieren und Menschen oder auch Seide.

Sammlungen Bearbeiten

Knochenschiffe sind heute Sammlerstücke und werden in Schifffahrtsmuseen auf der ganzen Welt ausgestellt, insbesondere in Großbritannien.[2] 32 Exemplare befinden sich im Internationalen Maritimen Museum Hamburg.[3]

Andere Verwendungen des Begriffs Bearbeiten

  • „Knochenschiff“ bezeichnet auch ein Schiff, das nur mit schwerer Arbeit – mit „Knochenarbeit“ – seetüchtig ist[4] oder wird als gruselige literarische Metapher verwendet.[5][6][7]
  • Nach ihrer Ladung als „Knochenschiffe“ waren Schiffe benannt, die Knochen aus Schlachthäusern zur Verarbeitung in Seifen- oder Leimfabriken transportieren.[8][9][10]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Knochenschiffe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur Bearbeiten

  • Ewart C. Freeston: Prisoner-of-War Ship Models, 1775-1825. Nautical Publishing Company Ltd., Lymington, 1973, ISBN 0-245-50471-0.
  • Clive L. Lloyd: The Arts and Crafts of Napoleonic and American Prisoners of War 1756-1816. Antique Collectors’ Club Ltd., Woodbridge, Suffolk, ISBN 978-1-85149-529-0.
  • Manfred Stein: Prisoner of War Bone Ship Models. Maximilian Verlag, Hamburg 2015, ISBN 978-3-7822-1205-2.
  • Horst Rüdel: Relikte aus den Koalitionskriegen. Knochenschiffe französischer Kriegsgefangener. In: Kulturgut. Aus der Forschung des Germanischen Nationalmuseums. Band 11, 2006, S. 6–8.
  • Wolfram zu Mondfeld: Knochenschiffe. Die Prisoner-of-War-Modelle 1775 bis 1814. Koehler Verlag, Herford 1989, ISBN 3-7822-0439-5.
  • Altonaer Museum (Hrsg.): Schiffen aus Knochen und Elfenbein. Sammlung Peter Tamm und anderer Besitz. Eigenverlag, Hamburg 1976.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Manfred Stein: Prisoner of War Bone Ship Models. Abgerufen am 28. April 2019.
  2. a b Hans Jürgen Hansen: Schiffsmodelle. Die Geschichte der Schiffbaukunst im Spiegel zeitgenössischer Modelle. Gerhard Stalling, Oldenburg/Hamburg 1972, ISBN 3-7979-1827-5, S. 122.
  3. Manfred Stein: Die „Prisoner-of-War“ Schiffsmodelle im Internationalen Maritimen Museum, Hamburg (Slg. Peter Tamm) – Die Knochenschiffe. S. 5.
  4. Hans-Georg Prager: Retter ohne Ruhm. Das Abenteuer der Seenothilfe, Sutton Verlag, 7. Auflage, Erfurt 2012, S. 142. Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 5. Auflage, Herder, Freiburg 2001, S. 859.
  5. Nicolai Riedel: Internationale Günter-Kunert-Bibliographie 1947–2011. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2012, S. 567, ISBN 978-3-11-018935-3. Birgit H. Lermen, Matthias Loewen: Lyrik aus der DDR. Exemplarische Analysen. Ferdinand Schöningh, Paderborn 1987, S. 274.
  6. Thomas König: Geisterwald-Katalog. Bibliographie der deutschen Heftromane, Band 1, Libri Book on Demand, o. J. (2000), S. 66.
  7. Terry Jones: Fairy Tales. Pavilion Books, London 1981, ISBN 978-0-907516-03-3. Deutsche Ausgabe: Von Hexen, Elfen und fliegenden Tigern. Eichborn, Frankfurt am Main 1995, S. 42–45, ISBN 3-8218-3653-9
  8. Christoph Ransmayr: Die dritte Luft oder Eine Bühne am Meer. Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1997. Fischer E-Books, Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1997, o. S.
  9. Kabdebó Tamás: Danubius Danubia. Folyamregény. Argumentum, Budapest 1998, 963-446-083-6. Zitiert nach der englischen Ausgabe, Thomas Kabdebo: Danubius Danubia, E-Book o. S., ISBN 978-963-377-100-6
  10. Paul Madsack: Vae victis. Meine Erlebnisse in Spanien und Frankreich während des Weltkrieges. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1918 (GZ 5.OG/B/39-51). Verlagswerbung in Das Kunstblatt, Band 3 (1919), S. 32, online